BGH: Fortgeltung der Prozessvollmacht bei Anwachsung

ZPO §§ 86 Hs. 1, 239, 246

Auf den Übergang des Vermögens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft ohne Liquidation auf den letzten verbliebenen Gesellschafter sind die Regeln der §§ 239 ff., 246 ZPO und des § 86 Hs. 1 ZPO sinngemäß anzuwenden. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 07.06.2018 - V ZB 252/17, BeckRS 2018, 15661

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 16/2018 vom 17.08.2018

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Sachverhalt

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K klagt gegen Teileigentümer B1, eine Außen-GbR, sowie gegen deren Gesellschafter B2 und B3 rückständige Hausgeldforderungen ein. Das AG verwirft die von B2 und B3 jeweils gegen Vollstreckungsbescheide eingelegten Einsprüche durch (zweites) Versäumnisurteil und gibt der Klage im Oktober 2016 gegenüber B1 mit Sachurteil statt. Gegen dieses Urteil legt der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Rechtsanwalt Z, für die B1 Berufung ein. In der Berufungsbegründung teilt Z mit, B3 habe mit notarieller Vereinbarung vom März 2016 seinen Gesellschaftsanteil an B1 an den B2 übertragen. Zugleich beantragt Z, das Rubrum auf Seiten der Beklagten und Berufungsklägerin dahin zu berichtigen, dass Partei des Rechtsstreits nunmehr B2 sei. Das LG verwirft die Berufung durch Beschluss als unzulässig und legt die Kosten des Berufungsverfahrens dem Z auf. Die von Z für B1 eingelegte Berufung sei unzulässig, weil die Prozessvollmacht des Z mit der Anteilsübertragung erloschen sei. Die Übertragung des Gesellschaftsanteils habe zur Vollbeendigung der B1 geführt. Sollte B2 Gesamtrechtsnachfolger der B1 geworden sein, ändere dies nichts, da Z ausdrücklich für die B1 Berufung eingelegt habe. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der B1.

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde ist nach Ansicht des BGH statthaft und zulässig. Gegen die Zulässigkeit ergäben sich keine Bedenken, weil sich B1 gegen die prozessualen Folgerungen wende, welche das Berufungsgericht aus ihrer fehlenden Parteifähigkeit gezogen habe und sie für diesen Streit als existent und parteifähig zu behandeln sei.

Die Rechtsbeschwerde sei auch begründet. Richtig sei zwar, dass B1 erloschen und B2 ihr Gesamtrechtsnachfolger und jetzt der Teileigentümer sei. Denn einer Umschreibung des Eigentums habe es dazu nicht bedurft. Auf den Übergang des Vermögens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft ohne Liquidation auf den letzten verbliebenen Gesellschafter seien aber die Regeln der §§ 239 ff., 246 ZPO und des § 86 Hs. 1 ZPO sinngemäß anzuwenden. Die Z erteilte Prozessvollmacht sei daher als fortbestehend anzusehen. Z sei damit berechtigt gewesen, für die B1 Berufung einzulegen. Diese Berufung sei auch nicht unzulässig, weil B1 zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung bereits erloschen gewesen sei. Eine Prozesspartei, deren Parteifähigkeit in Streit stehe, sei zur gerichtlichen Klärung dieser Frage als parteifähig zu behandeln. Eine nicht existente oder aus anderen Gründen parteiunfähige Partei könne Rechtsmittel einlegen, um ihre Nichtexistenz oder anderweitig fehlende Parteifähigkeit geltend zu machen oder um zu rügen, dass ihre Parteifähigkeit vorinstanzlich zu Unrecht verneint worden sei. Ebenso könne sie das Rechtsmittel – wie im Fall – mit dem Ziel einlegen, ein anderes, ihrem Begehren entsprechendes Sachurteil zu erreichen (Hinweis auf BGH NJW 2010, 3100 Rn. 11). Der angefochtene Beschluss sei daher aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Das LG werde nunmehr die von Z beantragte Rubrumsberichtigung vorzunehmen und sodann in der Sache über die von B2 als Rechtsnachfolger der B1 fortgeführte Berufung zu entscheiden haben.

Praxishinweis

Ergeht ein Sachurteil gegen eine nicht existente Partei, entfaltet dieses keine Rechtswirkungen (BGH NJW 2010, 3100 Rn. 11). Um den Eintritt formeller Rechtskraft zu verhindern, kann ein wirkungsloses Urteil allerdings mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das gegen ein rechtsfehlerfreies Urteil gleichen Inhalts gegeben wäre (BeckOK ZPO/Elzer ZPO § 300 Rn. 67). Da mit dem Rechtsmittel nur der Rechtsschein eines Urteils beseitigt werden soll, hängt eine dahingehende klarstellende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nicht vom Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines echten Rechtsmittelverfahrens ab (BGH NJW 1995 404). Das Rechtsmittelgericht hat – fehlt es wie in der Regel an einer abschließenden erstinstanzlichen Entscheidung – das Rechtsmittel nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern die (Noch-)Nichtexistenz eines (erstinstanzlichen) Urteils durch die Aufhebung der den Parteien zugegangenen Entscheidung klarzustellen und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zwecks Beendigung des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens zurückzuverweisen (BeckOK ZPO/Elzer ZPO § 300 Rn. 67).

Dem V. Zivilsenat schwebt allerdings wohl anderes vor. Seiner Ansicht nach kann der bereits rechtskräftig wegen des Hausgelds verurteilte B2 gegen seine Verurteilung (als Rechtsnachfolger der B1) in der Sache eine Berufung führen. Man fragt sich, was dabei rauskommen soll. Soll K die Hauptsache für erledigt erklären (arg. gegen B2 liegt schon Titel vor)? Soll B2 anerkennen (arg. die Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides hindert eine sinnvolle Verteidigung?) – läge dann aber nicht ein „Doppeltitel“ vor? Jedenfalls wird B2 alle Kosten tragen müssen, auch des eigenen Revisionsverfahrens zu Gunsten des Z. Hätte Z davon nicht abraten müssen?

Redaktion beck-aktuell, 23. August 2018.