BGH: Maßgeblichkeit der Sache selbst für Prüfung der Erfolgsaussichten für Pkh/Vkh

ZPO §§ 114 I 1, 119 I 1

Für die Entscheidung über Verfahrenskostenhilfe kommt es allein auf die Erfolgsaussicht in der Sache selbst an. Ein davon losgelöster möglicher Erfolg des konkret eingelegten Rechtsmittels ist demgegenüber unerheblich (im Anschluss an BGH Beschlüsse vom 2. März 2017, IX ZA 28/16, juris; vom 18. September 2014, IX ZA 16/14, NZI 2014, 1048 und vom 14. Dezember 1993, VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160). (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 21.06.2017 - XII ZB 231/17, BeckRS 2017, 119118

Anmerkung von
Rechtsanwalt beim BGH Dr. Guido Toussaint, Toussaint & Schmitt, Karlsruhe 

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 16/2017 vom 018.08.2017

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Sachverhalt

Knapp 19 Jahre nach Rechtskraft der Scheidung hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner Klage bei einem örtlich unzuständigen AG – Familiengericht – wegen Ehegattenunterhalts erhoben und in der ersten Stufe Auskunft begehrt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind weder der Antragsgegner noch das AG auf die fehlende örtliche Zuständigkeit eingegangen. Nach dem Termin ist auf Antrag beider Beteiligter das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. Gut 17 Jahre später hat die Antragstellerin das Verfahren für erledigt erklärt, weil der begehrte Unterhalt bezahlt worden sei. Der Antragsgegner hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, nunmehr die örtliche Zuständigkeit des AG gerügt und beantragt, den Antrag als unzulässig abzulehnen. In der (neuen) mündlichen Verhandlung hat das AG die Antragstellerin auf seine örtliche Unzuständigkeit und darauf hingewiesen, dass sie wenigstens hilfsweise einen Antrag auf Verweisung an das örtlich zuständige AG stellen könne. Nachdem die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin dies abgelehnt hatte, hat das AG den Feststellungsantrag der Antragstellerin durch Beschluss als unzulässig zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und hilfsweise Verweisung an das örtlich zuständige AG beantragt. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen (OLG Oldenburg BeckRS 2017, 108326). Seiner Ansicht nach sei zwar in der einseitigen Erledigungserklärung eine zulässige Klagänderung in einen Feststellungsantrag zu sehen, der darauf gerichtet sei, die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Folge der Klagänderung sei jedoch, dass das Gericht nur noch über die Frage zu entscheiden habe, ob die Klage ursprünglich zulässig und begründet gewesen sei und durch ein nachträgliches Ereignis ihre Zulässigkeit oder Begründetheit verloren habe. Doch habe die örtliche Zuständigkeit des von der Antragstellerin angerufenen AG als Zulässigkeitsvoraussetzung von Anfang an gefehlt und sei auch nicht durch rügeloses Verhandeln des Antragsgegners begründet worden, da es an einer Belehrung durch das Gericht gefehlt hat (§§ 39 S. 2, 504 ZPO). Die in Literatur und Rspr. umstrittene Frage, ob eine Verweisung nach § 281 ZPO noch aufgrund eines erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellten Hilfsantrags möglich ist, hat es – der Mindermeinung folgend – verneint, zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage aber die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Entscheidung

Den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Vkh für das Rechtsbeschwerdeverfahren hat der BGH indessen zurückgewiesen. Zwar sei in rechtlicher Hinsicht noch nicht abschließend geklärt, ob das OLG dem hilfsweisen Verweisungsantrag der Antragstellerin habe entsprechen müssen und deshalb an einer Beschlusszurückweisung gehindert gewesen sei. Gleichwohl seien aber hinreichende Erfolgsaussichten iSv § 113 I FamFG, §§ 114 I 1, 119 I 1 ZPO zu verneinen. Denn für die Entscheidung über Vkh komme es nach §§ 114 I 1, 119 I 1 ZPO allein auf die Erfolgsaussicht in der Sache selbst an, während ein davon losgelöster möglicher Erfolg des konkret eingelegten Rechtsmittels – hier der Rechtsbeschwerde – unerheblich sei. Mit ihrem Feststellungsbegehren könne die Antragstellerin aber im Ergebnis nicht durchdringen. An der Unzulässigkeit ihrer Klage wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit des angerufenen AG bei Eintritt des erledigenden Ereignisses könne auch der nach Erledigung gestellte Verweisungsantrag nichts mehr ändern. Mithin könne die Antragstellerin zwar ggf. erreichen, dass das Verfahren zur Entscheidung über den Feststellungsantrag an das örtlich zuständige AG verwiesen würde; der Feststellungsantrag selbst als das von der Antragstellerin verfolgte materiell-rechtliche Begehren habe aber keine Erfolgsaussicht.

Praxishinweis

Die Entscheidung macht deutlich, dass es für im Ergebnis zu nichts führende Rechtsmittel keine Pkh bzw. Vkh gibt. In dem vom BGH entschiedenen Fall hätte das Rechtsmittel zwar – wenn sich der BGH in der Zulassungsfrage der hM angeschlossen hätte – zu einem vorläufigen Erfolg geführt, der Rechtsstreit selbst hätte aber nicht mehr gewonnen werden können. Auch in der Rechtsmittelinstanz ist bei der Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten daher stets der Rechtsstreit insgesamt und nicht lediglich das Rechtsmittel isoliert zu betrachten.

Redaktion beck-aktuell, 22. August 2017.