LSG Nordrhein-Westfalen: AStA-Fußballturnier ist kein Betriebssport

Studierende einer Hochschule stehen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII bei der Ausübung des Hochschulsports nur dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn dieser von der Hochschule selbst organisiert und veranstaltet wird. (Leitsatz des Verfassers)

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.04.2019 - L 15 U 609/17, BeckRS 2019, 9724

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main

Aus beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht 16/2019 vom 16.08.2019

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Sachverhalt

Der 1984 geborene Kläger war im Sommersemester 2013 als ordentlicher Student im Studiengang Business Administration an der Fachhochschule eingeschrieben. Er nahm am 09.07.2013 an einem Fußballspiel im Rahmen eines Turniers teil. Dieses Turnier fand auf dem Sportgelände der Universität statt. Es wurde veranstaltet vom AStA-Hochschulsportreferat. Verschiedene Einzelheiten waren geregelt in einem Kooperationsvertrag zwischen den Studierendenschaften verschiedener Hochschulen. Während des Fußballspiels erlitt der Kläger durch den Tritt eines Gegenspielers eine Unterschenkelfraktur rechts. Mit angefochtenem Bescheid lehnte die beklagte Unfallkasse die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, das Turnier, bei dem der Kläger verletzt wurde, sei allein von dem AStA-Hochschulsportreferat angeboten und organisiert worden. Die Studierendenschaft sei nach der Rechtsprechung des BSG eine eigenständige rechtsfähige Gliedkörperschaft der Hochschule und nicht mit der „Hochschule“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 8c SGB VII identisch. Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage, die das SG abwies, mit der Begründung, die Organisation des Fußballturniers sei der Hochschule selbst nicht zuzurechnen, da dies allein Sache des AStA war. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der geltend macht, das Fußballturnier sei der Hochschule zuzurechnen. Das LSG hat dazu die Präsidentin der Hochschule befragt. Sie beschrieb die Aktivitäten des Hochschulsports und bestätigte, dass auch das Hochschulreferat des AStA auf Eigeninitiative Sportveranstaltungen organisiert.

Entscheidung

Das LSG weist die Berufung zurück. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalls nicht Versicherter i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8c SGB VII. Zwar erfüllt er das Tatbestandsmerkmal Studierender. Jedoch gehörte das Fußballspiel nicht zur Hochschulausbildung des Klägers i.S. dieser Vorschrift. Eine im organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule durchgeführte sportliche Betätigung steht als studienbezogene Verrichtung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie für die Studierenden zum Zwecke der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags der Sportförderung durchgeführt wird (vgl. dazu ausführlich BSG vom 27.11.2018 – B 2 U 15/17 R). Dieser Versicherungsschutz ist aber beschränkt auf Tätigkeiten innerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Hochschule. Der organisatorische Verantwortungsbereich erfordert grundsätzlich einen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Hochschule, jedenfalls aber eine Einflussmöglichkeit der Universität. Daran fehlt es, wenn eine Einwirkung durch Aufsichtsmaßnahmen der Hochschule nicht gewährleistet ist. Hier war das Turnier ausschließlich durch den AStA organisiert und veranstaltet. Bei der Studierendenschaft und dem AStA handelt es sich nicht um der Hochschule zuzurechnende Einrichtungen. Vielmehr ist die Studierendenschaft nach dem Nordrheinwestfälischen Hochschulrecht eine eigenständige rechtsfähige Gliedkörperschaft der Hochschule, die ihre eigenen Angelegenheiten selbst verwaltet.

Praxishinweis

1. Aus Sicht der Studierenden macht es sicherlich keinen Unterschied, ob das Fußballturnier durch den AStA organisiert wird oder direkt von der Hochschule unter Beteiligung des AStAs. Dies und die Tatsache, dass im Hochschulgesetz ausdrücklich die Förderung des Sports als Teil der universitären Ausbildung geregelt ist, spricht für eine Einstandspflicht der Unfallkasse.

2. Das Argument des Klägers, die Hochschule habe das Fußballturnier an den AStA „delegiert“, überzeugt in der Tat nicht. Denn der AStA ist nicht „Befehlsempfänger“ der Universität, sondern eine eigene Institution. Dem AStA obliegen Aufgaben im Bereich der Mitbestimmung bzw. der Mitgestaltung, was die Wahrnehmung der Rechte und Interessen der Studierenden im Wissenschaftsbetrieb anlangt. Man könnte – was allerdings das LSG ausdrücklich ablehnt – eine Mitverantwortung der Hochschule darin sehen, dass diese dem AStA zum Zwecke des „Hochschulsports“ die Sportstätten zur Verfügung gestellt hat. Hier allerdings fand das Fußballturnier nicht in einer Sportstätte statt, die der Hochschule zuzuordnen ist, an der der Kläger immatrikuliert war, sondern in Sportstätten einer anderen Universität, deren Studierende an dem Fußballturnier ebenfalls beteiligt waren.

3. Das LSG meint, dass dieser Fall eindeutig abzugrenzen sei von dem Fall, über den das BSG mit Urteil vom 27.11.2018 (FD-SozVR 2019, 417249 m. Anm. Plagemann) entschieden hat. Das stimmt, wenn man in den Mittelpunkt die Überlegung stellt, dass der AStA eine eigenständige Gliedkörperschaft ist. Stellt man dagegen den Hochschulsport als eine nach dem Landesgesetz den Hochschulen mitübertragene Aufgabe in den Mittelpunkt, könnte man die organisatorische Tätigkeit des AStA diesem Hochschulzweck zuordnen.

Redaktion beck-aktuell, 19. August 2019.