LAG Hamm: Darlegung der Finanzierung des Lebensunterhalts im PKH-Verfahren erforderlich

ZPO §§ 114 I 1, 118 II 4

1. Eine Partei, die angibt, weder über ein Einkommen noch vorhandenes Vermögen zu verfügen und sich auf konkrete Nachfrage des Arbeitsgerichts nicht dazu erklärt und belegt, wie sie ihren gegenwärtigen Lebensunterhalt bestreitet, erklärt sich lediglich unvollständig zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen, weshalb die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert werden kann.

2. Liegen bis zum Ende der Instanz oder zum Ablauf einer durch das Gericht gesetzten Frist, die über das Instanzende hinausgeht, keine hinreichenden Angaben zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor und hat das Arbeitsgericht insoweit zu Recht die Bewilligung abgelehnt, kommt eine - nachträgliche - Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch dann nicht in Betracht, wenn die Partei nach Ablauf dieser Fristen im Beschwerdeverfahren Belege vorlegt, die eine Bedürftigkeit ergeben. (Leitsätze des Gerichts)

LAG Hamm, Beschluss vom 06.02.2018 - 5 Ta 51/18, BeckRS 2018, 1763

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 6/2018 vom 14.03.2018

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Sachverhalt

Die Klägerin erhob am 28.4.2017 Zahlungsklage. Das Verfahren endete am 18.5.2017 mit einem gerichtlichen Vergleich. Am 11.5.2017 wurde die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen vorgelegt. Mit diesen erklärte die Klägerin, dass weder sie selbst noch das bei ihr lebende Kind über Einkommen verfügten. Mit Schreiben vom 11.5.2017 bat das Arbeitsgericht ua um Auskunft, wovon die Klägerin derzeit ihren Unterhalt bestreite. Dieses beantwortete die Klägerin damit, dass sie ihren Unterhalt von Erspartem bestreite und einen Kredit über 5.000 EUR bei ihrer Mutter aufgenommen habe. Eine weitere Anfrage des Arbeitsgerichtes vom 7.6.2017, mit welcher Auskunft über den sich aus den Kontoauszügen ersichtlichen, gezahlten Unterhalt für das Kind der Klägerin sowie Angaben zum Ersparten verlangt wurden, blieb trotz zahlreicher gewährter Fristverlängerungen, zuletzt bis zum 8.8.2017 ohne Antwort, weshalb das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 25.8.2017 zurückwies. Gegen diesen am 29.8.2017 zugestellten Beschluss wandte sich die Klägerin mit der am 29.9.2017 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde und bat mitzuteilen, welche Unterlagen noch fehlten. Nach Nichtabhilfe legte das Arbeitsgericht den Sachverhalt dem Beschwerdegericht vor. Die sofortige Beschwerde hatte vor dem LAG Hamm keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung durch das Arbeitsgericht wegen mangelnder Mitwirkung der Klägerin (§ 118 II 4 ZPO) sei zu Recht erfolgt. Grds. gelte, dass gem. §§ 114, 119 I 1 ZPO eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen könne, auf Antrag Prozesskostenhilfe erhalte, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Insoweit sei es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers bestehe und das Prozesskostenhilfe-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genüge. Vollständig sei die Prozesskostenhilfe-Antragstellung, wenn sie § 117 II ZPO entspreche. Nach § 118 II 1 ZPO könne das Gericht darüber hinaus verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft mache. Es könne Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen oder Auskünfte einholen (§ 118 II ZPO). Dies entbinde den Antragsteller jedoch nicht von seiner Verpflichtung, die notwendigen Belege zur Glaubhaftmachung auch ohne gerichtliche Aufforderung von sich aus gem. § 117 II ZPO der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizufügen. Geschehe dies nicht, müsse das Gericht auf den Mangel hinweisen und innerhalb einer gesetzten Frist zur Glaubhaftmachung auffordern (§ 118 II 4 ZPO). Die erforderlichen Belege müssten bis zum Ende der Instanz vorliegen, für die Prozesskostenhilfe begehrt werde, da sie nur so dem gesetzlichen Zweck gerecht werde, der mittellosen Partei die Durchführung eines Rechtsstreites zu ermöglichen.

Eine Bewilligung nach Instanzende sei nur dann möglich, wenn das Gericht zuvor über den Antrag hätte positiv entscheiden können oder besondere Ausnahmefälle vorliegen. Über einen rechtzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag mit unvollständigen Angaben und Unterlagen könne noch nach Abschluss der Instanz bzw. des Verfahrens ausnahmsweise positiv entschieden werden, wenn das Gericht eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Unterlagen und Belege gesetzt habe. Sei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Zeitpunkt der Beendigung der Instanz begründet zurückgewiesen worden, könne die Prozesskostenhilfeentscheidung nicht durch Nachreichung der Unterlagen in der Beschwerdeinstanz korrigiert werden.

Nach diesen Grundsätzen sei die Zurückweisung der beantragten Prozesskostenhilfe zu Recht erfolgt. Unvollständig seien die Unterlagen insbesondere dann, wenn die Partei nicht schlüssig mitteile, wovon sie ihren Unterhalt bestreite. Eine Bedürftigkeit sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht, wenn nicht gleichzeitig angegeben ist, wovon der Lebensunterhalt ansonsten bestritten werde. Eine Partei, die angebe, trotz fortlaufend bestehender Verpflichtungen, hier seien diese abgesehen von den allgemeinen Lebenshaltungskosten für die Klägerin und das noch bei ihr lebende Kind allein 565 EUR zu zahlender Miete, über keinerlei Einkommen zu verfügen, stelle keinen glaubhaften Antrag dar. Vielmehr sei sie zur Glaubhaftmachung der Schlüssigkeit und Richtigkeit ihrer Angaben gehalten, dem Gericht zu erläutern, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreite.

Soweit die Klägerin sich auf ein Darlehen ihrer Mutter berufen habe, sei diesem gemäß dem vorgelegten Kontoauszug eine Überweisung in fast gleicher Höhe gegenübergestanden, sodass dieser Betrag als zum Lebensunterhalt verwendet nicht in Betracht gekommen sei. Eine Erläuterung dieser Überweisung sei trotz Anfrage des Arbeitsgerichtes nicht erfolgt.

Praxistipp

Die Anordnung der Glaubhaftmachung nach § 118 II 1 ZPO steht im Ermessen des Gerichts, wobei dessen rechtmäßige Ausübung voraussetzt, dass konkrete Zweifel daran bestehen, ob die antragstellende Partei richtig vorträgt (BeckOK ZPO/Reichling ZPO § 118 Rn. 23). Glaubhaftmachung kann daher auch verlangt werden, wenn sich aus den Angaben der bedürftigen Partei nicht entnehmen lässt, aus welchen Mitteln sie ihren Lebensunterhalt bestreitet (BeckOK ZPO/Reichling ZPO § 118 Rn. 23.1; OLG Koblenz BeckRS 2016, 11807).

Redaktion beck-aktuell, 15. März 2018.