LG Bremen: Umfang des Mängelbeseitigungsanspruchs gemäß § 535 I 2 BGB

LG Bremen: Umfang des Mängelbeseitigungsanspruchs gemäß § 535 I 2 BGB

BGB §§ 275 II, 535 I 2

Der Vermieter schuldet nicht nur die Beseitigung der Mängelsymptome (z.B. Schimmel, Feuchtigkeit etc.), sondern auch die Beseitigung der zu den Mängeln führenden Ursachen, soweit bereits durch die Möglichkeit des erneuten Auftritts des Mangels die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache eingeschränkt ist und soweit es dem Mieter nicht zumutbar ist, die Gefahr des nochmaligen Auftretens des Mangels hinzunehmen (hier verneint).

LG Bremen, Urteil vom 12.07.2018 - 1 S 1/18, BeckRS 2018, 20550

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 19/2018 vom 27.9.2018

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Sachverhalt

Die Parteien, Mieter und Vermieter einer Wohnung mit Kellerräumen in einem Altbau, streiten über den Umfang des Mangelbeseitigungsanspruchs bei Feuchtigkeit im Keller, nämlich ob die beklagte Vermieterin auch zur Beseitigung der Mängelursachen verpflichtet ist.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Beseitigung der Mängel, nicht aber der Mängelursachen verurteilt und eine Minderungsquote von 2 % und ein Zurückbehaltungsrecht für weitere 6 % angenommen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Beklagte nicht die Beseitigung der Mangelursachen bzw. eine nachhaltige oder fachgerechte Mangelbeseitigung schulde, die mit der Ursachenbehebung deckungsgleich wäre. Wenn ein Vermieter einem Mangel lediglich durch Beseitigung der - den Mietgebrauch unmittelbar beeinträchtigenden - Mangelsymptome abhelfe, sei dies regelmäßig ausreichend, sofern zumindest vorübergehend ein vertragsgemäßer Zustand wiederhergestellt werde.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie ist der Ansicht, die Mangelbeseitigung müsse dauerhaft und fachgerecht sein. Der Mieter habe deshalb auch einen Anspruch auf Beseitigung der Mängelursachen, sodass er keine konkrete Besorgnis haben müsse, dass in seiner Wohnung erneut Feuchtigkeitsschäden auftreten. Darüber hinaus ist zwischen den Parteien erstinstanzlich im Streit gewesen, in welchem Umfang die Klägerin wegen der Feuchtigkeit im Keller zur Minderung der Miete berechtigt ist. Auch insoweit hat die Klägerin Berufung eingelegt, den Berufungsantrag zu 2) dann jedoch in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Die Klägerin beantragt, einzeln näher aufgezählte Feuchtigkeits-(folge)schäden und deren Ursachen im Kellerraum zu beseitigen. Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils die Berufung zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, es liege gar kein Mangel vor, da bei einer Altbauwohnung eine gewisse Feuchtigkeit in den Räumen hingenommen werden müsse. Zudem sei der auf Beseitigung der Mängelursachen gerichtete Antrag nicht hinreichend bestimmt, da die Ursache nicht genannt sei.

Rechtliche Wertung

Die Berufung ist erfolglos. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach Ansicht der Kammer über die Beseitigung der im Kellerraum aufgetretenen Feuchtigkeitsschäden hinaus keinen weitergehenden Anspruch auf Beseitigung etwaiger Ursachen gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB habe der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Die Instandsetzung umfasse dabei die Schadens- bzw. Mangelbeseitigung durch Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes, also insbesondere Reparatur- und Renovierungsarbeiten an der Mietsache. Der Umfang der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht sei dabei von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Zwar seien die zur Instandsetzung notwendigen Maßnahmen grundsätzlich dem Vermieter vorbehalten. Der Mieter könne dem Vermieter im Regelfall nicht vorschreiben, auf welche Art und Weise die vorhandenen Mängel zu beseitigen sind. Der Mieter müsse sich aber auch nicht mit provisorischen Reparaturmaßnahmen begnügen, sondern könne eine dauerhafte Mängelbeseitigung verlangen. Grundsätzlich habe der Vermieter die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache zu erhalten bzw. wiederherstellen. Daher sei im Einzelfall nicht nur Beseitigung der Mängelsymptome (z.B. Schimmel, Feuchtigkeit, etc.), sondern auch Beseitigung der zu den Mängeln führenden Ursachen geschuldet, soweit bereits durch die Möglichkeit des erneuten Auftritts des Mangels die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache eingeschränkt ist und soweit es dem Mieter nicht zumutbar ist, die Gefahr des nochmaligen Auftretens des Mangels hinzunehmen. Maßgebliche Abwägungskriterien seien danach zum einen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Auftreten des Mangels ist, in welchem Ausmaß Schäden bei Wiederauftreten des Mangels drohen und wie stark die Benutzbarkeit der Mietsache bei erneutem Auftritt des Mangels eingeschränkt wäre. Wie häufig der Mangel in der Vergangenheit bereits aufgetreten ist, sei ebenfalls relevant. So sei der Vermieter bei erneutem Auftreten des Mangels verpflichtet, nicht nur die jeweils konkrete Einzelmaßnahme zur Beseitigung durchzuführen, sondern eine grundlegende und nachhaltige Sanierung zur Fehlerbehebung vorzunehmen. Zudem seien die Kosten der Mangelursachenbeseitigung zu berücksichtigen. Der Vermieter könne die Erhaltung der Mietsache verweigern, wenn unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen bei funktionaler Betrachtungsweise ein krasses bzw. auffälliges Missverhältnis zwischen dem Reparaturaufwand für den Vermieter einerseits, dem Nutzen der Reparatur für den Mieter andererseits sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits besteht (Überschreitung der sog. „Opfergrenze“).          Im vorliegenden Fall ergebe die Anwendung dieser Kriterien, dass allein die Möglichkeit des erneuten Auftritts von Feuchtigkeit im Keller die Gebrauchsmöglichkeit nicht einschränkt und deshalb Beseitigung der Mangelursachen - jedenfalls derzeit - nicht geschuldet sei. Die Klägerin - persönlich angehört – habe mitgeteilt, dass vor einiger Zeit Handwerker im Keller waren und die Wände verspachtelt haben. Seitdem sei es trocken. Zuvor sei es einmalig im Jahr 2014 zu einer knöcheltiefen Überflutung des Kellerraums gekommen, danach hätten sich bei starken Regenfällen Pfützen und Feuchtigkeit gebildet. Da die Beklagte somit erstmalig Arbeiten hat durchführen lassen, sei derzeit nicht absehbar, ob und in welchem Umfang nochmals Feuchtigkeit auftritt. Zudem diene der ehemals von der Feuchtigkeit betroffene Raum im Keller nicht zu Wohnzwecken, sondern zu Lagerzwecken. Der zu befürchtende Schaden sei daher gering. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Immobilie um einen Altbau handelt, bei dem eine Anfälligkeit für Feuchtigkeit im Keller zur Natur der Sache gehört und die Klägerin daher als Mieterin einen gänzlich trockenen Keller daher wohl nicht erwarten darf.

Praxishinweis

Die Frage, wie weit der Vermieter verpflichtet ist, Maßnahmen zu treffen, die das Wiederauftreten eines vorhandenen Mangels vermeiden, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Das LG Bremen schließt sich im vorliegenden Fall dem OLG Düsseldorf an (Urteil vom 20.09.2007, NZM 2009, 281) wonach der Vermieter verpflichtet war, dafür Sorge zu tragen, dass sich das Gebäude in einem Zustand befindet, der das Eindringen von Feuchtigkeit dauerhaft verhindert und durch den sichergestellt wird, dass eine anderweitige Schädigung des Mieters und der von ihm in den Mieträumen gelagerten Sachen verhindert wird. Im dortigen Fall war es über Jahre immer wieder zu einem Feuchtigkeitseintritt in die Mieträume infolge vorhandener Dachundichtigkeiten gekommen. Das OLG war der Ansicht, dass sich der Vermieter nicht damit begnügen darf, nur die jeweils konkrete Undichtigkeit beseitigen zu lassen, sondern, dass er das Dach in der Weise sanieren muss, dass es – in den zeitlichen Grenzen einer gebotenen Erneuerung und von nicht vorhersehbaren Natureinwirkungen abgesehen – dauerhaft dicht ist. Dem ist zuzustimmen. Der Mieter hat vor allem einen Anspruch darauf, dass Schäden von ihm ferngehalten werden. Bereits die bloße konkrete Besorgnis, dass Feuchtigkeitsschäden auftreten können, stellt ein Mangel dar (LG Hamburg, Urteil vom 11.07.2000 - 316 S 227/99, WuM 2001, 193; Sternel, Mietrecht aktuell, Rn. VIII, 58). Sofern nur die Mangelsymptome vom Vermieter beseitigt werden, kommt er seiner Erfüllungshandlung nur dann ausreichend nach, wenn damit gleichzeitig auch eine konkrete Gefahr für das Wiederauftreten des Mangels ausgeschlossen ist. Dies war vorliegend der Fall und daher war die Berufung abzuweisen. Richtig ist auch, dass ein Mieter einer Altbauwohnung nicht ohne weiteres erwarten kann, dass der zur Wohnung gehörende Keller trocken und zur Lagerung von feuchtigkeitsempfindlichen Gegenständen geeignet ist (LG Mannheim, WuM 1998, 663, LG Osnabrück, WuM 2004, 233, LG Ansbach, BeckRS 2014, 16517). Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien eine abweichende Beschaffenheit gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vereinbart haben (OLG Düsseldorf, ZMR 1988, 222 – Keller ist „knochentrocken“) oder wenn diese für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (z.B. Nutzung des Kellers als Aufenthaltsraum) erforderlich ist (BGH, Urteil vom 16.03.2012 − V ZR 18/11, NZM 2012, 469). Darüber hinaus fehlte dem Antrag auf Beseitigung der Mängelursache vorliegend die notwendige Bestimmtheit, da der Kläger lediglich die Beseitigung der Ursache forderte, nicht jedoch, welche konkrete Ursache von der Beklagten beseitigt werden soll. Zwar bedarf es für die Bestimmtheit einer Leistungsklage, die (nur) auf Mängelbeseitigung gerichtet ist, nicht, dass der Kläger die konkrete Ursache des Mangels benennt (vgl. OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 1811). Verlangt der Kläger jedoch die Beseitigung der Mangelursache selbst, so hat er – u.U. durch die Führung eines selbstständigen Beweisverfahrens – eine tiefere Ursachenforschung vorzunehmen, um konkret darlegen zu können – und diese hinreichend klare Bestimmung der geforderten Leistung ist auch im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung und die Rechtskraftwirkung notwendig – was die Ursache für die Feuchtigkeit ist.

Redaktion beck-aktuell, 27. September 2018.