OLG Dresden: Bestimmung der Höhe der Minderung bei Verletzung von Konkurrenzschutz durch den Vermieter

BGB §§ 280 I, II, 252 S. 2, 536 I 1

Liegt der Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB in einer vertragswidrigen Konkurrenzsituation, ist maßgeblich für die Bestimmung der Höhe der Minderung, inwieweit die Gebrauchstauglichkeit der angemieteten Räume durch die andauernde Konkurrenzsituation beeinträchtigt ist. Anders als bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bedarf es nicht der Auswertung der Umsatzentwicklung des betroffenen Mieters. (Leitsatz des Gerichts)

OLG Dresden, Urteil vom 04.05.2016 - 5 U 1286/09 (LG Leipzig), BeckRS 2016, 19566

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwältin Nicola Bernhard
Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 25/2016 vom 08.12.2016

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Sachverhalt

Der Kläger – ein Facharzt für Orthopädie – macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen Verletzung einer mietvertraglich vereinbarten Konkurrenzschutzklausel geltend. Er hatte mit deren Rechtsvorgänger einen Mietvertrag über Räume zur Nutzung als „Arztpraxis für die Fachdisziplin Orthopädie“ abgeschlossen. Er beabsichtigte, operative Eingriffe in dem dafür vorgesehenen OP-Zentrum durchzuführen. Nach dem Mietvertrag gewährte der Vermieter Konkurrenzschutz für die Fachrichtung Orthopädie. Später vermietete er Räume im selben Haus an einen Facharzt für Chirurgie. Dessen Praxis führt u.a. operative und nicht operative Behandlungen an den Stütz- und Bewegungsorganen durch. Darüber hinaus ist sie auf dem Gebiet der Unfallchirurgie tätig. Der Kläger ist der Auffassung, diese Behandlungen unterfielen dem vereinbarten Konkurrenzschutz.

Der Senat hat mit dem Urteil vom 20.07.2010 das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der auf Rückzahlung überzahlter Miete und Feststellung der Minderungsberechtigung abgewiesen.

Dagegen hat der Kläger die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und die Beklagte Anschlussrevision, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgte.

Der BGH hat mit dem Urteil vom 10.10.2012 (NJW 2013, 44) das Senatsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen wurde, sowie die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Im Umfang der Aufhebung hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an den Senat zurückverwiesen.

Der Kläger hat die Klage im zweiten Berufungsverfahren um einen Antrag auf Zahlung von Schadensersatz wegen des Verstoßes gegen die Konkurrenzschutzvereinbarung für den Zeitraum vom 2002 bis 2012 erweitert, den er zunächst mit 226.309,89 EUR und sodann mit 420.207,89 EUR beziffert hat. Ferner hat er die Feststellung zur Ersatzpflicht für den noch entstehenden bzw. entstandenen, aber nicht bezifferbaren Schaden begehrt.

Rechtliche Wertung

Der Kläger hat aus § 812 Abs. 1 S.1 1. Alt. BGB einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete gegen die Beklagte für den Zeitraum August 2005 bis September 2007 i.H.v. 11.667,35 EUR und es ist festzustellen, dass ihm die Berechtigung zur Minderung der Warmmiete im Umfang von 25 % zusteht, weil die vertraglich vereinbarte Miete infolge der Verletzung des vertraglich gewährten Konkurrenzschutzes durch die Beklagte um 25 % für die Dauer des Bestehens der Konkurrenzsituation gemindert ist. Der Kläger hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB i.H.v. 164.832,65 EUR, denn im geltend gemachten Zeitraum vom Beginn der Konkurrenzsituation im Sommer 2003 bis zum 31.12.2012 ist dem Kläger durch die Konkurrenzsituation jedenfalls ein Mindestschaden in dieser Höhe entstanden. Darüber hinaus war das Bestehen der weitergehenden Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festzustellen.

Der BGH habe festgestellt, dass die Beklagte schuldhaft gegen die Konkurrenzschutzvereinbarung in § 9 des Mietvertrages verstoßen hat, indem sie durch die Vermietung von Räumen in der X. an die Gemeinschaftspraxis Dr. H./Dr. S. eine Konkurrenzsituation für den Kläger im Bereich der operativen und nichtoperativen Behandlungen von Funktionsstörungen, Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen der Stütz- und Bewegungsorgane einschließlich der Traumatologie für Erwachsene geschaffen hat. Die vertragswidrige Konkurrenzsituation sei als Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen. Während der andauernden Konkurrenzsituation sei die Miete um 25% gemindert, weil zur Überzeugung des Senates die dadurch eintretende Beeinträchtigung des Mietgebrauches für den Kläger auf 25% zu schätzen ist.

Maßgeblich für die Bestimmung der Minderungshöhe sei der Umfang der Beeinträchtigung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung durch den Mietmangel. Entscheidend sei also, inwieweit die Gebrauchstauglichkeit der vom Kläger angemieteten Praxisräume durch den Mietmangel der bestehenden Konkurrenz durch die Gemeinschaftspraxis beeinträchtigt ist. Es komme dabei sowohl auf den im Vertrag vereinbarten Mietzweck als auch auf die konkrete Ausgestaltung des Betriebes des Konkurrenten an, während es - anders als bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen - nicht der Auswertung der Umsatzentwicklung des betroffenen Mieters bedürfe. Danach ist im vorliegenden Falle festzuhalten, dass die vertragswidrige Konkurrenzsituation durch die Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis in einem wesentlichen Bereich des Mietzweckes stattfindet, denn dem Kläger wurden die angemieteten Räume ausweislich § 1 Ziff. 1 des Mietvertrages ausschließlich zur Nutzung als Arztpraxis für die Fachdisziplin Orthopädie überlassen.

Es errechnet sich danach ein Überzahlungsbetrag für den Zeitraum August 2005 bis September 2007 i.H.v. 11.667,35 EUR.

Aufgrund der fortdauernden Minderung wegen der dauerhaften Konkurrenzsituation sei auch dem Antrag auf Feststellung der Minderungsberechtigung in Höhe des angemessenen Betrages von 25 % zu entsprechen.

Dem Kläger stehe darüber hinaus ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB i.H.v. 164.832,65 EUR zu, weil ihm von Beginn der Konkurrenzsituation im Sommer 2003 bis zum 31.12.2012 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls ein Gewinn in dieser Höhe entgangen ist.

Als entgangen gelte gemäß § 252 S. 2 BGB (auch) der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Es ist also eine Prognose anzustellen, wie sich die Entwicklung des Gewinns des Klägers wahrscheinlich dargestellt hätte, wenn er keinen Konkurrenten für das näher bezeichnete Behandlungsgebiet innerhalb der X. gehabt hätte. Ergibt sich danach die Prognose eines im Vergleich zum erzielten Betrag höheren Gewinnes, gelte die Differenz als entgangener Gewinn des Klägers. Im Falle, dass zwar ein erheblicher Gewinnentgang feststeht, dass sich dieser der Höhe nach aber nicht exakt bestimmen lässt, könnten die festgestellten Umstände eine hinreichende Grundlage für die Schätzung eines (Mindest-)Schadens sein. Verbleibenden Prognoserisiken könne in diesem Fall durch Zu- oder Abschläge Rechnung getragen werden.

Die Beklagte kann dem Schadensersatzanspruch des Klägers nicht die dauerhafte Einrede des §  214 Abs. 1 BGB entgegenhalten, weil Verjährung nicht eingetreten ist

Praxishinweis

Das OLG Dresden schließt sich mit der vorliegenden Entscheidung der Rechtsprechung des OLG Hamm (Urteil vom 17.09.2015 – 18 U 19/15, NZM 2016, 202) an, wonach es zur Feststellung und Bemessung der Beeinträchtigung im Rahmen der Minderung – anders als bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen – nicht der Auswertung der Umsatzentwicklung des betroffenen Mieters bedarf, da für die Frage der Erheblichkeit der Störung des Äquivalenzverhältnisses durch Verstöße gegen den Konkurrenzschutz die Umsatzentwicklung des betroffenen Mieters nicht aussagekräftig ist.

Will der Mieter bei einem Mangel der Mietsache seine Minderungsansprüche nicht verlieren, darf er die Miete nicht vorbehaltslos weiter zahlen. Gem. § 814 BGB ist eine Rückforderung der Überzahlung ansonsten regelmäßig ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2003 - VIII ZR 274/02, NJW 2003, 2601 zu § 536 b BGB aF). Will der Mieter die zu viel gezahlte Miete zurückfordern, muss er sich die Durchsetzung dieses Begehrens vorbehalten und die Miete unter dem Vorbehalt der Rückforderung leisten (Palandt/Sprau, BGB, 75. Auflage, § 814 Rn. 5).

Im Übrigen hat sich das OLG Dresden in der vorliegenden Entscheidung der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 180/14, NJW 2015, 2106) angeschlossen, wonach für den Fall elektiver Konkurrenz mehrerer Ansprüche § 213 BGB, dh für Ansprüche, die aus demselben Grunde wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind, mit Klageerhebung nicht nur die Hemmung der geltend gemachten (Minderungs-)Ansprüche eintritt, sondern vielmehr auch der weiteren Ansprüche, die auf demselben Mangel beruhen, wie vorliegend dem Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns.

Redaktion beck-aktuell, 8. Dezember 2016.