BGH: Vergütungsanspruch des vorläufigen Verwalters bei Pflichtverletzung nach Insolvenzeröffnung

InsVV §§ 10, 11 I

Der vorläufige Insolvenzverwalter verwirkt seinen Vergütungsanspruch in der Regel nicht durch Pflichtverletzungen, die er als Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren begeht. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 21.09.2017 - IX ZB 28/14 (LG Bochum), BeckRS 2017, 127646

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Kießner, vereidigter Buchprüfer, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 22/2017 vom 03.11.2017

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Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war vom 11.9.2000 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.10.2000 vorläufiger Insolvenzverwalter, danach bis zum 3.8.2010 Insolvenzverwalter. An diesem Tage wurde er aus seinem Amt entlassen und ein anderer Insolvenzverwalter bestellt.

Am 22.12.2000 hatte er eine Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter iHv insgesamt 173.370 DM beantragt und durch das Insolvenzgericht festgesetzt erhalten. Nach erfolgloser sofortiger Beschwerde hob der BGH die Entscheidung der Vorinstanzen am 7.12.2006 (NZI 2007, 241) auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurück. Dieses setzte die Vergütung auf einen unter dem 30.3.2007 eingereichten neuen Antrag auf 124.088 EUR fest. Diese Festsetzung wurde vom LG aufgehoben.

Mit Beschluss vom 28.4.2011 hat das Insolvenzgericht, nachdem der Insolvenzverwalter am 3.8.2010 aus seinem Amt entlassen worden war, die Vergütungsanträge des vormaligen Insolvenzverwalters und einen Antrag auf Zustimmung zur Entnahme eines Vorschusses zurückgewiesen und festgestellt, dass der Vergütungsanspruch verwirkt sei. Zur Begründung hat das Insolvenzgericht auf die Gründe des Beschlusses über die Entlassung des Insolvenzverwalters aus seinem Amt Bezug genommen.

Auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters hat das LG mit Beschluss vom 5.5.2014 die zuletzt iHv 181.973 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer beantragte Vergütung auf 28.144 EUR zuzüglich 4.503 EUR Umsatzsteuer festgesetzt und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Gegen diese Entscheidung hat der vormalige Insolvenzverwalter ebenso Beschwerde eingelegt, wie zwei weitere Gläubiger. Der BGH hat die Entscheidung des LG aufgehoben und an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Entscheidung

Das Beschwerdegericht hatte die Vergütung aus einer geringeren Berechnungsgrundlage ermittelt, weil es Aus- und Absonderungsrechte im Wert von ca. 2.500.000 DM in Abzug gebracht hat. Darüber hinaus hat es die beantragten Zuschläge abgelehnt, da sie nicht ausreichend begründet seien. Im Ergebnis hat das LG daher nur ein Viertel der Regelvergütung festgesetzt und den vom Insolvenzverwalter darüber hinaus begehrten weiteren Zuschlag von 75.000 EUR wegen verspäteter Festsetzung abgelehnt.

Mit dieser Entscheidung war der BGH nicht in allen Punkten einverstanden.

Die beiden Gläubiger hatten die Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, die Entscheidung des LG, wonach der Vergütungsanspruch verwirkt sei, wieder herzustellen. Dem ist der BGH entgegen getreten. Er hat dabei zunächst seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach der Insolvenzverwalter seinen Anspruch auf Vergütung dann verwirkt, wenn er vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als „unwürdig“ erweist (stRspr, zuletzt ZIP 2017, 1571). Ein eng begrenzter Ausnahmefall für eine Verwirkung liege insbesondere dann vor, wenn der Insolvenzverwalter besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen hat.

Diese Grundsätze, die auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter gelten, hat das LG beachtet und daher eine Verwirkung abgelehnt. Zusätzlich hat der BGH noch darauf hingewiesen, dass die Verwirkung des Vergütungsanspruchs regelmäßig nur auf Pflichtverletzungen des Verwalters bei der Ausübung des konkreten Amtes gestützt werden kann, für das er eine Vergütung beansprucht. Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren führen danach nur unter besonderen Umständen zum Verlust des Anspruchs auf Vergütung für die vorangegangene Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter.

Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters, die als schwere Verletzung der ihm als vorläufigem Insolvenzverwalter obliegenden Treuepflicht zu werten wären, waren nicht festgestellt worden, weshalb die Rechtsbeschwerden der beiden Gläubiger erfolglos blieben.

Auf die Rechtsbeschwerde des vormaligen Insolvenzverwalters hat der BGH zunächst festgestellt, dass das Beschwerdegericht zu Recht Gegenstände, an denen nach Verfahrenseröffnung Aus- und Absonderungsrechte im Gesamtbetrag von ca. 2.500.000 DM bestanden, nicht in die Berechnungsgrundlage einbezogen habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob sich der Insolvenzverwalter in nennenswertem oder erheblichem Umfang mit diesen Gegenständen befasst habe. Da die vorläufige Verwaltung im Jahre 2000 begann und endete, sei die am 29.9.2006 in Kraft getretene Neufassung des § 11 I InsVV nicht anwendbar. Es würden daher die für das alte Recht entwickelten Grundsätze der Senatsrechtsprechung vom 14.12.2005 (BGHZ 165, 266) und vom 13.7.2006 (BGHZ 168, 321) gelten. Gegenstände, an denen Aussonderungsrechte bestehen, erhöhen daher die Berechnungsgrundlage des vorläufigen Verwalters nicht. Gegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen, könnten allenfalls einen Zuschlag dann begründen, wenn eine erhebliche Befassung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit solchen Gegenständen vorgelegen habe.

Weiterhin hatte das Beschwerdegericht es abgelehnt, eine höhere Vergütung festzusetzen als ein Viertel der Regelvergütung des Insolvenzverwalters. Auch hierzu ist der BGH zunächst von seiner bisherigen stRspr ausgegangen, wonach die Bemessung von Zu- und Abschlägen grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters sei. In der Rechtsbeschwerdeinstanz sei sie nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringe (BGHZ, InsO 2017, 1694). Dies sei vorliegend insbesondere der Fall, weil das Beschwerdegericht entgegen dem Antrag des vormaligen Insolvenzverwalters keinen Zuschlag für die Befassung mit Gegenständen, an denen Aus- oder Absonderungsrechte bestanden, gewährt hat. Auch die Ablehnung eines Zuschlags für die im Eröffnungsverfahren erfolgte Betriebsfortführung hatte der BGH zwar mitgetragen, weil die erforderliche Vergleichsberechnung gefehlt habe. Gleichwohl sollte bei der Neubefassung des Beschwerdegerichts und entsprechender Nachbesserung dieser Erhöhungstatbestand jedoch Berücksichtigung finden.

Ebenfalls abgelehnt hat der BGH den beantragten Zuschlag iHv 75.000 EUR wegen der langen Dauer des gerichtlichen Verfahrens. Er hat dabei noch einmal seine Auffassung bestätigt, wonach der Insolvenzverwalter weder einen Anspruch auf Verzinsung seines Vergütungsanspruchs noch einen Anspruch auf einen Zuschlag zur Vergütung zur Kompensation des Nachteils entgangener Zinsen zu Lasten der Masse habe (BGH NZI 2004, 249).

Praxishinweis

Der BGH hat in der ausführlich begründeten Entscheidung einerseits seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, andererseits sie auch in für die Praxis hilfreicher Art konkretisiert. So ist insbesondere die in den Leitsatz eingeflossene Klarstellung, wonach Pflichtverletzungen im eröffneten Verfahren sich auf den Vergütungsanspruch aus dem Eröffnungsverfahren nicht direkt zwingend auswirken, zu begrüßen. Dass eine Vergütungsfestsetzung, die auch nach 16 Jahren gerichtlicher Befassung noch nicht abgeschlossen ist, zu keinen Zinsansprüchen des Insolvenzverwalters führt, ist sicherlich misslich, entspricht jedoch der Linie des BGH zur derzeitigen Vergütungsrechtsprechung. Dies ist insbesondere deshalb nur schwer nachzuvollziehen, weil umgekehrt bei der Rückzahlungsverpflichtung eines zu Unrecht entnommenen Vorschusses dessen Verzinsung vom BGH gefordert wird.

Redaktion beck-aktuell, 6. November 2017.