BGH: Vorläufiger Sachwalter erhält Vergütungszuschläge nur für Erfüllung ihm wirksam übertragener Aufgaben

InsO §§ 63, 65; InsVV §§ 1 II Nr. 4 Satz 2 Buchst. b, 3 I Buchst. b, 10

Hat der vorläufige Sachwalter Tätigkeiten ausgeführt, die nicht zu dem ihm zugewiesenen Verantwortungsbereich gehörten, kann dies einen Zuschlag zu seiner Vergütung als Sachwalter nicht rechtfertigen. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 22.6.2017 - IX ZB 91/15 (LG Freiburg), BeckRS 2017, 118540

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Kießner, vereid. Buchprüfer, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 17/2017 vom 25.08.2017

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Sachverhalt

In einem Eigenverwaltungsverfahren hatte der Sachwalter seine Vergütung für die Tätigkeit im Eröffnungsverfahren zur Festsetzung beantragt. Dabei hatte er Zuschläge in seinem Vergütungsantrag angesetzt für

- Fortführung des Betriebs über 10 Wochen: 15%

- Vorfinanzierung Insolvenzgeld für 129 Arbeitnehmer: 10%

- Sanierungsmaßnahmen: 15% - Auslandsbezug: 15%

- Zusammenarbeit mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss: 5%

Statt der beantragten 51% der Regelvergütung (60% von 85%) setzte das Insolvenzgericht letztlich eine Vergütung in Höhe von weniger als 20% fest. Auch in der Beschwerdeinstanz wurde die Vergütung lediglich geringfügig angehoben.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat die angeführten Entscheidungen aufgehoben, soweit diese zum Nachteil des Sachwalters erkannt haben und das Verfahren an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.

Zusammen mit dem Beschwerdegericht ist der Bundesgerichtshof dabei von einer unstreitigen Regelvergütung in Höhe von 131.930 EUR ausgegangen.

Der BGH hat dabei zunächst auf seine nach Erlass der Beschwerdeentscheidung ergangene Rechtsprechung vom 21.6.2016 (BGH WM 2016, 1611) hingewiesen, wonach dem vorläufigen Sachwalter keine selbständige Berechnung des Vergütungsanspruchs zustehe, sondern seine Tätigkeit lediglich einen Zuschlag auf die Vergütung des Sachwalters rechtfertigt. Dabei sind auf die Regelvergütung des vorläufigen Sachwalters, die einen Zuschlag von 25% der Vergütung des Sachverwalters grundsätzlich rechtfertigt, nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls Zu- und Abschläge vorzunehmen. Maßgebend hierfür ist der im Verhältnis zu den in jedem Verfahren zu erfüllenden gesetzlichen Aufgaben des vorläufigen Sachwalters gestiegene oder geminderte Arbeitsaufwand. Belasten erschwerende Zustände den vorläufigen Sachwalter in gleicher Weise wie sie den endgültigen Sachwalter beschweren würden, wenn erst er diese Aufgabe hätte wahrnehmen müssen, sind die deswegen zu gewährenden Zuschläge bei der Berechnungsgrundlage übereinstimmend in gleicher Höhe zu gewähren (BGH WM 2016, 1988). Dabei kommen Zuschläge nur für solche Tätigkeiten in Betracht, die dem vorläufigen Sachwalter vom Gesetz selbst oder vom Insolvenzgericht oder den Verfahrensbeteiligten in gesetzlich wirksamer Weise übertragen worden sind. Aufgaben, die der vorläufige Sachwalter in Überschreitung seiner ihm gesetzlich zukommenden Aufgaben ausgeübt hat, sind nicht gesetzlich zu vergüten.

Hinsichtlich des beantragten Zuschlages wegen der Unternehmensfortführung hat der BGH ausgeführt, dass zwar einerseits eine Unternehmensfortführung für das Eröffnungsverfahren bei beantragter Eigenverwaltung typisch sei und den gesetzlichen Regelfall präge, ein Zuschlag jedoch gleichwohl gerechtfertigt sein könnte, wenn die Überwachung der Betriebsfortführung die Arbeitskraft des vorläufigen Sachwalters in überdurchschnittlichem Umfang in Anspruch genommen habe. Dies sei nicht der Fall, wenn der Schuldner in einem durchschnittlichen Verfahren die Überwachung und Kontrolle jederzeit ermögliche, die Unterlagen und Daten aufbereite und vollständig zur Verfügung stelle und jederzeit Auskunft gebe. Die Information von Kunden und Lieferanten gehöre dabei nicht zu den Aufgaben des vorläufigen Sachwalters. Sie ist daher bei der Zuschlagsbemessung nicht berücksichtigungsfähig. Zu den Aufgaben des vorläufigen Sachwalters gehöre vor allem die Überwachung der Geschäftsführung, was die dauerhafte und umfassende Einbindung in den Prozess der Betriebsfortführung erfordere. Dazu gehöre auch die Kontrolle der laufenden Bestellungen.

Voraussetzung des Zuschlags war weiter, dass die Masse nicht entsprechend größer geworden sei. Nur wenn die Erhöhung der Vergütung durch Massemehrung aufgrund Fortführung des Unternehmens hinter dem Betrag zurückbleibe, der dem vorläufigen Sachwalter bei unveränderter Masse als Zuschlag gebühren würde, sei ihm ein diese Differenz in etwa ausgleichender Zuschlag zu gewähren. Der Zuschlag sei an dem geleisteten Mehraufwand zu messen und habe die Relation zur Regelvergütung des endgültigen Sachwalters auch in zeitlicher Hinsicht zu beachten.

Ein Zuschlag im Zusammenhang mit der Insolvenzgeldvorfinanzierung scheide grundsätzlich aus, weil dies die Aufgabe der eigenverwaltenden Schuldnerin sei. Allerdings könne die Unterstützung (im Sinne einer begleitenden Kontrolle) und Überwachung bei der Vorfinanzierung der Löhne und Gehälter durch den vorläufigen Sachwalter zuschlagswürdig sein, sofern dies erheblich über das übliche Maß hinausgegangen sei.

Zuschlagsfähig seien grundsätzlich auch Bemühungen um die Sanierung, wobei es nicht zu den Aufgaben des vorläufigen Sachwalters gehöre, in eigener Zuständigkeit ein Sanierungskonzept zu erarbeiten und einen M&A Prozess anzustoßen. Allerdings habe der vorläufige Sachwalter die von der Eigenverwaltung ausgearbeiteten Szenarien zur Fortführung des Geschäftsbetriebes auf ihre Durchführbarkeit und die Auswirkungen auf die Quotenerwartung der Gläubiger zu überprüfen. Im Rahmen der Überwachungsaufgabe habe er der eigenverwaltenden Schuldnerin rechtzeitig zu erläutern, welche erwogenen Maßnahmen nach seiner Auffassung möglich und welche geprüften Wege gangbar seien. Diese Überwachungsaufgabe habe zukunftsorientiert zu erfolgen. Insoweit sei sie grundsätzlich geeignet, einen Zuschlag zu begründen. Bei der Bemessung der Höhe sei der Umfang der zulässigen Beratung angemessen zu berücksichtigen.

Einen Zuschlag für Auslandsbeteiligung hat der BGH abgelehnt, weil ein Auslandsbezug bei der in casu vorliegenden erheblichen Unternehmungsgröße dem Normalfall entspreche. Kommunikation und Verhandlung mit Gläubigern sei nicht Aufgabe des vorläufigen Sachwalters, sondern der eigenverwaltenden Schuldnerin. Allenfalls habe der vorläufige Sachwalter im Rahmen seiner Überwachungsaufgaben Verhandlungen zu prüfen und Änderungen anzuregen oder den Schuldner im Rahmen seiner Aufgaben zu beraten. Kontrollaufgaben in diesem Bereich rechtfertigen einen Zuschlag nur bei außergewöhnlichem Zusatzaufwand.

Ein Zuschlag – in geringer Höhe – ist auch für die Zusammenarbeit mit dem eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschuss und dem dadurch erforderlich gewordenen zusätzlichen Arbeitsaufwand für Kommunikation und Abstimmung gerechtfertigt.

Praxishinweis

Der BGH verfestigt seine Rechtsprechung, wonach die Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter keinen eigenen Vergütungsanspruch rechtfertigt, sondern lediglich als Zuschlag für die endgültige Sachwaltervergütung zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus macht er deutlich, dass sich die Aufgabe des Sachwalters im Wesentlichen in Kontroll- und Überwachungstätigkeiten zu erschöpfen hat. Nur für diese Tätigkeiten ist eine Vergütung festzusetzen und nur über das normale Maß hinaus gehende Tätigkeiten des vorläufigen Sachwalters können zuschlagsbegründend wirken.

Bei den Vergütungsanträgen ist dies daher zu berücksichtigen. Dem Insolvenzgericht muss der Sachwalter darlegen, welche zusätzlichen, über das normale Maß hinausgehenden Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen er im konkreten Fall durchführen musste und warum diese Maßnahmen zuschlagsbegründend sein könnten. Nur wenn bei den Vergütungsanträgen dies in angemessenem Umfang berücksichtigt wird, kann auch das Insolvenzgericht bei der Vergütungsfestsetzung den Vorgaben des BGH folgend Zuschläge auf die Regelvergütung ansetzen.

Redaktion beck-aktuell, 29. August 2017.