BAG: Altersdiskriminierende Begrenzungsklauseln in der betrieblichen Altersversorgung

AGG § 10

Altersgrenzen in Systemen der betrieblichen Altersversorgung können nach § 10 AGG gerechtfertigt sein, wenn sie der Begrenzung und Kalkulierbarkeit von Versorgungsansprüchen dienen. Eine unzulässige Altersdiskriminierung liegt jedoch dann vor, wenn eine Anrechnungsgrenze an ein bestimmtes Lebensalter anknüpft, jüngere Arbeitnehmer mit vergleichbar hoher Betriebsrente aber nicht erfasst.

BAG, Urteil vom 17.10.2017 - 3 AZR 737/15 (LAG Niedersachsen), BeckRS 2017, 143408

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Diller, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 15/2018 vom 19.4.2018

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Sachverhalt

Die Klägerin war bis zum 31.12.2008 bei der beklagten Dachorganisation der Betriebskrankenkassen beschäftigt. Für sie galt zunächst der BAT, über den sie ab dem 01.01.1985 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) pflichtversichert war. Nach dem Bedingungswerk der VBL wurden in erheblichem Umfang Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes rentensteigernd angerechnet, wodurch teilweise trotz nur geringer Dienstzeit bei öffentlichen Arbeitgebern hohe Versorgungsansprüche entstanden. Die Klägerin selbst hingegen hatte ihr gesamtes Berufsleben beim selben öffentlichen Arbeitgeber verbracht.

Mit Wirkung zum 01.01.2003 verließ die Beklagte das VBL-System und errichtete auf tariflicher Basis eine eigene Altersversorgung. Die im VBL-System bis dahin erworbenen Anwartschaften wurden als Startgutschriften in das neue System eingebracht. Übergangsregeln sahen vor, dass bei Mitarbeitern, die bereits das 45./55. Lebensjahr vollendet hatten, die Gesamt-Versorgungsansprüche auf bestimmte Höchstbeträge gedeckelt wurden.

Die Klägerin machte geltend, die altersabhängigen Versorgungsobergrenzen seien altersdiskriminierend und unwirksam, so dass ihr eine höhere Rente zustehe.

Rechtliche Würdigung

Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Das BAG bestätigte zunächst seine Rechtsprechung, wonach trotz § 2 II 2 AGG das Gesetz voll umfänglich auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung gilt.

Sodann stellte das BAG fest, dass grundsätzlich § 10 AGG Altersgrenzen in betrieblichen Zusatzversorgungssystemen rechtfertigen könne (§ 10 S. 3 Nr. 4 AGG). Allerdings seien solche Altersgrenzen nicht per se diskriminierungsfrei, sondern sie müssten im Einzelfall objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein (§ 10 S. 1 AGG). Das war im entschiedenen Fall ersichtlich nicht der Fall. Zwar sei das Ziel einer Begrenzung und Kalkulierbarkeit der Versorgungsaufwendungen legitim. Die Anknüpfung an die zum Stichtag der Umstellung auf das neue System erreichten Lebensalter sei jedoch weder angemessen noch erforderlich. Zu beanstanden sei schon, dass die Kappung nicht bei einer gewissen Höhe der Versorgung ansetze, sondern nur ältere Arbeitnehmer betreffe, so dass Mitarbeiter, die zum Umstellungsstichtag die Altersgrenzen noch nicht erreicht hatten, eine höhere Versorgung erreichen konnten.

Keine Gnade fand bei BAG auch das Argument, man habe hohe Rentenansprüche aufgrund der früher großzügigen Anrechnung von Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes verhindern wollen. Das BAG stützte sich auf das naheliegende Argument, dass man dieses – an sich durchaus legitime – Ziel auch hätte erreichen können, indem man die aus Vordienstzeiten erworbenen Ansprüche summenmäßig begrenzt hätte. Es gehe aber nicht an, pauschal eine Anspruchskappung auch für solche Arbeitnehmer vorzusehen, die – wie die Klägerin – keine Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes hatten.

Praxishinweis

Gegen das Urteil gibt es nichts einzuwenden. Ergebnis und Begründung überzeugen.

Wer die Rechtsprechung des BAG zum Diskriminierungsrecht in der betrieblichen Altersversorgung verfolgt, ist ein ums andere Mal erstaunt über die Naivität, mit der die Tarifparteien gerade im Bereich des öffentlichen Dienstes vorgehen. Es hätte jedem klar sein müssen, dass die streitigen Regelungen nicht „halten“ konnten. Und da passt ins Bild, dass die maßgeblichen tariflichen Versorgungsregelungen, über die im vorliegenden Fall gestritten wurde, an vielen Stellen so unklar waren, dass sich der Senat zunächst einmal durch zahllose Auslegungsfragen des tariflichen Versorgungswerks hindurcharbeiten musste, bis er überhaupt zu dem – hier besprochenen – AGG-Problem vorstieß. Ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie man Versorgungsregelungen nicht machen darf.

Redaktion beck-aktuell, 23. April 2018.