BAG: Befristeter Arbeitsvertrag eines Schauspielers in einer Krimiserie

TzBfG § 14 I 2 Nr. 4; GG Art. 5 I, III, 12 I

Der Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 I 2 Nr. 4 TzBfG trägt vor allem verfassungsrechtlichen, sich u.a. aus der Freiheit der Kunst (Art. 5 III GG) ergebenden Besonderheiten Rechnung. Allein die Kunstfreiheit des Arbeitgebers rechtfertigt die Befristung des Arbeitsvertrags eines künstlerisch tätigen Arbeitnehmers allerdings nicht. Der durch Art. 12 I GG gewährleistete Mindestbestandsschutz verlangt vielmehr im Einzelfall eine Abwägung der beiderseitigen Belange.

BAG, Urteil vom 30.08.2017 - 7 AZR 864/15 (LAG München), BeckRS 2017, 140404

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 07/2018 vom 22.02.2018

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Sachverhalt

Die Bekl. ist eine Filmproduktionsgesellschaft. Sie produziert im Auftrag des ZDF die Krimiserie „Der Alte“. Der Kläger stellte als Schauspieler fast 18 Jahre lang den Kommissar „Axel Richter“ dar, der als Mitglied einer Mordkommission um den leitenden Hauptkommissar („Der Alte“) ermittelte. Die Parteien schlossen bis zum Jahr 2013 jeweils Rahmenverträge für die Dauer eines Jahres sowie Einzelverträge über einzelne Folgen. Seit 2014 vereinbarten sie Schauspielerverträge über jeweils zwei Folgen. Der letzte Vertrag datiert vom 13./16.10.2014, in dem der 18.11.2014 als letzter Drehtag angegeben war. Der Kläger war im Jahr 2014 für die Bekl. an 47 Drehtagen tätig und erhielt pro Drehtag eine Vergütung von 2.500 EUR brutto. Mit Schreiben vom 21.11.2014 teilte die Bekl. dem Kläger mit, sein Vertragsverhältnis habe aufgrund der zeitlichen Befristung des Vertrags vom 13./16.10.2014 am 18.11.2014, dem letzten Drehtag, geendet. Mit seiner am 09.10.2014 beim ArbG eingegangenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe nicht am 18.11.2014 geendet, weil der Schauspielervertrag ein Arbeitsvertrag sei und den Bestimmungen des TzBfG unterfalle. Die Klage war beim ArbG und beim LAG erfolglos.

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Zu seinen Gunsten könne – so der 7. Senat – unterstellt werden, dass es sich bei dem letzten Vertrag vom 13./16.10.2014 um einen Arbeitsvertrag handele und er in den Anwendungsbereich des TzBfG falle. Die Befristung sei durch die Eigenart der Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt. Der Sachgrund des § 14 I 2 Nr. 2 TzBfG trage vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit (Art. 5 I GG) und der Freiheit der Kunst (Art. 5 III GG) ergebenden Besonderheiten Rechnung. Auf die Rundfunkfreiheit könne sich die Bekl. nicht berufen, weil die Programmgestaltung ausschließlich beim ZDF als Fernsehanstalt liege. Dagegen könne sich die Bekl. auf die Kunstfreiheit nach Art. 5 III GG berufen. So sei die Befristung von Arbeitsverträgen des künstlerisch tätigen Bühnenpersonals sachlich gerechtfertigt, weil der Arbeitgeber auf diese Weise die künstlerischen Vorstellungen des Intendanten mit dem von ihm dafür als geeignet angesehenen künstlerischen Bühnenpersonal verwirklichen und dem Abwechslungsbedürfnis des Publikums Rechnung tragen könne (BAG, FD-ArbR 2018, 400575). Diese Grundsätze würden auch für Fernsehanstalten gelten und erstreckten sich auch auf Produktionsgesellschaften, soweit diese in einem arbeitsteiligen Produktionsprozess die zuvor von den Fernsehanstalten im Rahmen der Kunstfreiheit getroffenen Entscheidungen bei der Produktion von Fernsehserien umsetzten. Allerdings erfordere der Sachgrund auch die Berücksichtigung des durch Art. 12 I GG gewährleisteten Mindestbestandsschutzes des befristet beschäftigten Arbeitnehmers. Deshalb sei eine Güterabwägung nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz nötig, um einen Ausgleich der widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen. Dabei überwiege i.d.R. das durch Art. 5 III GG geschützte Interesse des Arbeitgebers an der Befristung des Arbeitsvertrags das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers, wenn dieser in verantwortlicher Weise bei der Umsetzung der künstlerischen Konzeption eines Werks unmittelbar mitzuwirken habe. Das sei vorliegend der Fall. Die Rolle des Klägers liege nach den Feststellungen des LAG im Kernbereich des künstlerischen Konzepts der Krimiserie.

Praxishinweis

Die Entscheidung verdient Zustimmung. Die Beklagte war auch nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs gehindert, sich auf § 14 I 2 Nr. 4 TzBfG zu berufen. Eine derartige Missbrauchsprüfung ist nicht veranlasst, wenn bereits der Sachgrund selbst eine umfassende Interessenabwägung verlangt. In diese Richtung geht auch der Koalitionsvertrag vom 07.02.2018 (Zeilen 2352 ff.), wonach nicht länger unendlich lange Ketten von befristeten Arbeitsverhältnissen hingenommen werden sollen. Dabei sind sich die Koalitionäre allerdings einig, dass es Ausnahmeregelungen für den Sachgrund nach § 14 I Nr. 4 TzBfG wegen der Eigenart des Arbeitsverhältnisses (wie z.B. bei Künstlern und Lizenzspielern der Fußballbundesliga (vgl. BAG, FD-ArbR 2018, 400730 m. Anm. Stark) geben muss.

Redaktion beck-aktuell, 27. Februar 2018.