BGH: Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aufgrund Vermögensverfalls

InsO §§ 287a I, 290, 295, 297, 297a, 298

1. Erst wenn dem Rechtsanwalt entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan oder angenommener Schuldenbereinigungsplan vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird, ist die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls im Falle eines Insolvenzverfahrens widerlegt.

2. Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls ist nicht bereits durch einen Beschluss nach § 287a I InsO widerlegt, wonach das Insolvenzgericht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss festlegt, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner die Restschuldbefreiung erlangt.

3. Eine Überprüfung, ob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren zu Recht eröffnet hat, erfolgt im Rahmen der Prüfung des Vermögensverfalls iSv § 14 II Nr. 7 BRAO nicht. (Leitsätze des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 29.12.2016 - AnwZ (Brfg) 53/16 (AGH Rheinland-Pfalz), BeckRS 2016, 112795

Anmerkung von

Rechtsanwalt Dr. Dirk Pehl, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 03/2017 vom 10.02.2017

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Über das Vermögen des seit 1977 zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägers wurde am 1.12.2015 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschl. v. 2.12.2015 stellte das Insolvenzgericht fest, dass der Kläger Restschuldbefreiung erlangen wird, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen einer Versagung nach §§ 290, 297, 298 InsO nicht vorliegen.

Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 21.3.2016 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Die Klage gegen den Widerrufsbescheid wurde vom Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragte ohne Erfolg die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

Rechtliche Wertung

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sei allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen sei einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten. Nach stRspr des BGH sei die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls im Fall eines Insolvenzverfahrens erst dann widerlegt bzw. die Vermögensverhältnisse wieder als geordnet anzusehen, wenn dem Schuldner entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO aF) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan oder angenommener Schuldenbereinigungsplan vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit werde. Erst mit Aufhebung des Verfahrens und nach Ankündigung der Restschuldbefreiung gem. § 291 InsO aF verdichte sich die abstrakte Möglichkeit der Restschuldbefreiung zu einer konkreten Aussicht. Während der anschließenden Wohlverhaltensphase seien die Vermögensverhältnisse des Schuldners in ähnlicher Weise geordnet wie im Fall eines angenommenen Schuldenbereinigungsplans. Nach Ansicht des BGH sei der Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO aF als Ordnungsfaktor nicht geringer zu schätzen gewesen, als ein Schuldenbereinigungsplan oder eine außergerichtliche Tilgungsvereinbarung.

Durch den neu eingefügten § 287a I InsO stellt das Insolvenzgericht nunmehr bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297, 298 InsO nicht vorliegen. Nach Ansicht des BGH ist die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls (§ 14 II Nr. 7 BRAO) hierdurch nicht widerlegt, da der Beschluss gem. § 287a InsO nicht nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens, sondern als Eingangsentscheidung bereits mit oder unmittelbar nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Mit der Wertung des § 14 II Nr. 7 BRAO, wonach die Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ungeordnet sind, wäre es nicht vereinbar, wenn die gesetzliche Vermutung bereits durch die Eingangsentscheidung nach § 287a InsO widerlegt wäre.

Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass mit dem Beschluss nach § 287a InsO eine Prüfung von Versagungsgründen iSv § 290 InsO erfolge.

Zudem wies der BGH darauf hin, dass im Rahmen des Verfahrens des Antrags auf Zulassung der Berufung grundsätzlich nicht die Voraussetzungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu überprüfen seien. Diese Prüfung obliege vielmehr der Beurteilung des Insolvenzgerichts.

Die Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden folge nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls. Allerdings könne die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtssuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast treffe. Dies setze jedoch voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet habe, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern könne. Nach stRspr des BGH sei die Einhaltung vertraglich vereinbarter Sicherungsmaßnahmen nur in einer Sozietät, nicht aber in einer Einzelkanzlei sichergestellt. Eine vergleichbare Situation sei auch nicht dadurch gegeben, dass Zahlungen ausschließlich an den Insolvenzverwalter geleistet werden.

Die anzunehmende Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden rechtfertigt nach Auffassung des BGH auch den mit dem Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verbundenen Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers.

Praxishinweis

Vorliegend war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides der Beklagten das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers noch nicht aufgehoben. Insoweit bedurfte die Frage, ob auch ohne Ankündigung der Restschuldbefreiung gem. § 297 InsO aF allein bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) wieder von hinreichend geordneten Vermögensverhältnissen ausgegangen werden könne, keiner Entscheidung. In Anbetracht der Ausführungen des BGH zu § 297 InsO aF liegt jedoch der Schluss nahe, dass die Aufhebung des Insolvenzverfahrens zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls iSv § 14 II Nr. 7 BRAO führen wird.

Redaktion beck-aktuell, 15. Februar 2017.