Wegen "ausufernder" Datenspeicherung: Karlsruhe soll erweitertes Ausländerzentralregister prüfen

Das BVerfG muss sich mit der Speicherung der Daten von Geflüchteten – und deren verfassungsrechtlichen Grenzen – beschäftigen. Elf Betroffene haben, unterstützt durch mehrere Organisationen, Verfassungsbeschwerde gegen das novellierte Gesetz zum Ausländerzentralregister (AZR) eingelegt. 

Gerügt wird, dass Asylbescheide und Gerichtsentscheidungen im AZR im Volltext gespeichert werden. Diese Dokumente enthielten häufig hochsensible Informationen etwa zur individuellen Verfolgung, politischen Überzeugung oder sexuellen Orientierung, erläutert die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Verfassungsbeschwerde gemeinsam mit PRO ASYL und dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) unterstützt.

Darüber hinaus wenden sich die Organisationen dagegen, dass Polizei und Geheimdienste uneingeschränkt auf die Daten im AZR zugreifen können. Parallel zur Verfassungsbeschwerde klagt das Bündnis mit zwei Geflüchteten vor dem Verwaltungsgericht Ansbach auf Unterlassung der Weitergabe ihrer Daten an Polizei und Geheimdienste. Das erweiterte AZR verletze Grundrechte und gefährde Asylsuchende.

"Geflüchtete suchen in Deutschland Schutz vor Verfolgung. Mit ihren persönlichen Daten müssen wir besonders vorsichtig umgehen", meint Sarah Lincoln, Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. "Stattdessen präsentieren wir sie möglichen Verfolgern auf dem Silbertablett." Bei hunderttausenden Zugriffsberechtigten sei es für Geheimdienste aus den Verfolgerstaaten oder für rassistische Straftäter mit Verbindungen in deutsche Behörden ein Leichtes, an das Profil eines Geflüchteten samt Adresse zu gelangen, kritisiert Lincoln.

16.000 öffentliche Stellen können auf Daten zugreifen

2021 hatte sich die damalige Bundesregierung für eine Ausweitung der Datenspeicherung entschieden. Im AZR werden alle Menschen erfasst, die ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland leben. Insgesamt können laut einer GFF-Studie zum Ausländerzentralregister etwa 16.000 öffentliche Stellen und mehr als 150.000 Behördenmitarbeiter auf das Register zugreifen – neben den Ausländerbehörden unter anderem auch Jobcenter, Jugendämter, Bundes- und Landespolizei, der Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst.

"Ich wurde in der Türkei wegen meines prokurdischen Engagements verfolgt und gehe auch in Deutschland auf prokurdische Demonstrationen und Veranstaltungen. Ich möchte nicht, dass sich Sicherheitsbehörden im Ausländerzentralregister über meine politischen Überzeugungen informieren können", erklärt einer der elf Beschwerdeführer.

BVerfG soll Grenzen der Datenspeicherung "klarziehen"

"Queere Geflüchtete müssen fürchten, dass künftig zahlreiche Behördenmitarbeitende ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität und intimste Details ihrer Lebens- und Verfolgungsgeschichte nachlesen können", so Philipp Braun vom LSDV-Bundesvorstand.

Für Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL, reiht sich der "fährlässige Umgang mit den Daten Geflüchteter in die derzeitige Tendenz der Bundesregierung ein, die Grundrechte von geflüchteten und migrierten Menschen zu beschneiden, um in der aufgeheizten Stimmung vermeintlich zu punkten".

Vom Bundesverfassungsgericht erwarten die Beschwerdeführer, dass es die grundrechtlichen Grenzen für die Speicherung von Daten geflüchteter Menschen klarzieht.

Redaktion beck-aktuell, gk, 31. Oktober 2023.