Die Nationale Telekommunikationsbehörde (Anatel) wies daraufhin die Internetbetreiber des südamerikanischen Landes an, den Zugang ihrer Nutzer zu dem sozialen Netzwerk zu sperren. Laut einem Bericht des Nachrichtenportals G1 hatten zahlreiche Nutzer der Mobilfunkanbieter Vivo, Claro und Oi bereits keinen Zugang zu ihren X-Konten mehr. Richter Alexandre de Moraes vom Obersten Bundesgericht wirft dem Twitter-Nachfolgedienst X vor, nicht entschlossen genug gegen die Verbreitung von Hassrede und Fake News vorzugehen.
Musk seinerseits verweist auf die Redefreiheit und bezeichnete den Richter als "bösen Diktator". Der Konflikt war zuletzt eskaliert. Der Richter verlangte von X die Sperrung von Konten rechtsgerichteter Aktivisten, die Verschwörungstheorien und Falschinformationen verbreiteten. Musk bezeichnete die Forderung als gesetzwidrig, die Online-Plattform kam der Aufforderung nicht nach – und zahlte auch die verhängte Geldstrafe nicht.
"X ist die am meisten genutzte Nachrichtenquelle in Brasilien. Es ist das, was die Leute wollen", schrieb X-Eigentümer Musk auf der Plattform. Und mit Bezug auf den Bösewicht aus der Harry-Potter-Reihe: "Jetzt zerstört der Tyrann Voldemort das Recht der Menschen auf freie Meinungsäußerung."
Musk ließ das Büro in Brasilien Mitte August mit der Begründung schließen, er befürchte eine Festnahme der damaligen Repräsentantin. Moraes stellte X diese Woche ein Ultimatum: Entweder wird innerhalb von 24 Stunden ein Rechtsvertreter ernannt – oder die Plattform wird gesperrt. Musk ließ die Frist verstreichen. Stattdessen machte er Stimmung gegen Moraes bei X, wo er 196 Millionen Follower hat. Er erstellte einen speziellen X-Account, auf dem die angeblichen Verstöße des Bundesrichters gegen brasilianisches Recht aufgelistet werden.
Der Zwist hat eine Vorgeschichte
Musk gilt vor allem dank der Beteiligung an dem von ihm geführten Elektroauto-Hersteller Tesla als reichster Mensch der Welt. Der Finanzdienst Bloomberg schätzt sein Vermögen auf 239 Milliarden US-Dollar (216 Milliarden Euro). Musk, der seit einiger Zeit ein lauter Unterstützer von Ex-Präsident Donald Trump ist, gibt sich stets als Verteidiger der Meinungsfreiheit. Er wirft dem Richter Zensur vor. "Alexandre de Moraes ist ein böser Diktator, der sich als Richter verkleidet", schrieb Musk auf X. Zugleich ging X unter seiner Regie zum Beispiel in Indien auf Forderungen der Regierung ein, einige Accounts und Inhalte zu blockieren.
Die US-Botschaft in Brasilien teilte mit, dass sie den Fall beobachtet. "Die US-Botschaft verfolgt die Situation zwischen dem Obersten Gerichtshof und Plattform X", hieß es in einer Mitteilung. "Wir betonen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung ein Grundpfeiler einer gesunden Demokratie ist."
X wurde zuletzt in Brasilien allerdings auch zur Mobilisierung für demokratiefeindliche Aktionen genutzt. Sogenannte digitale Milizen aus dem Umfeld des rechten Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro verbreiten in sozialen Netzwerken Fake News und Hassreden.
Wegen Behinderung der Justiz und Anstiftung zu Straftaten hatte Moraes im April bereits ein Ermittlungsverfahren gegen Musk selbst eingeleitet. "Die sozialen Netzwerke sind kein rechtsfreier Raum", schrieb der Bundesrichter damals in seiner Ermittlungsanordnung
Einnahmen aus dem Ausland für X von zunehmender Bedeutung
Da die Werbeerlöse im Heimatmarkt USA nach dem Rechtsruck der Plattform unter Musk sinken, sind Auslandsmärkte wie Brasilien mit mehr als 200 Millionen Einwohnern für die Finanzen von X wichtiger geworden. Medienberichten zufolge kommt X in dem lateinamerikanischen Land auf rund 20 Millionen Nutzer. Nach der Sperre von X in Brasilien gewann der Konkurrent Bluesky nach eigenen Angaben innerhalb von drei Tagen rund eine Million neuer Nutzer hinzu.