Wasseranschluss: Vertrauensschutz bei Wechsel von Beitrags- zu Gebührenfinanzierung zu beachten
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Wer aufgrund einer hypothetischen Festsetzungsverjährung nichts für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage bezahlen musste, darf laut BVerwG mit Blick auf den Vertrauensschutz später nicht über höhere Benutzungsgebühren doch noch für den Herstellungsaufwand herangezogen werden.

Ein Wasser- und Abwasserverband hatte zur Deckung des Aufwands für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage für alle Wasserkunden Anschlussbeiträge erhoben. 2015 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Erhebung von Anschlussbeiträgen in Fällen, in denen solche Beiträge nach der früheren Rechtslage in Brandenburg wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr erhoben werden konnten, gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt (Beschl. v. 12.11.2015 – 1 BvR 2961/141 BvR 3051/14).

Daraufhin hob der Wasser- und Abwasserverband noch nicht bestandskräftige Anschlussbeitragsbescheide auf und zahlte die entrichteten Beiträge zurück. Zugleich änderte er seine Schmutzwassergebührensatzung und führte "gespaltene" Gebührensätze ein. Diese betrugen 2017 und 2018 für Grundstücke, für die Anschlussbeiträge gezahlt worden waren, 3,30 Euro/m3  Schmutzwasser und für Grundstücke, für die keine Anschlussbeiträge gezahlt worden waren, 4,35 Euro/mSchmutzwasser.

Ein Grundstückeigentümer wandte sich mich einem Normenkontrollantrag gegen die neue Gebührensatzung. Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte er hiermit keinen Erfolg. Dieses entschied, dass sich der Schutz des Vertrauens, nicht mehr zu Anschlussbeiträgen herangezogen zu werden, nicht auf Benutzungsgebühren erstrecke (Beschl. v. 14.06.2022 – 9 A 2.17).

Finanzierung des Herstellungsaufwands über höhere Gebühren unzulässig

Anders das Bundesverwaltungsgericht: Das Grundgesetz schütze das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechtspositionen. Geschützt sei auch das Vertrauen, nach Eintritt der hypothetischen Festsetzungsverjährung nicht mehr zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen zu werden (Urt. v. 17.10.2023 – 9 CN 3.22).

Nach brandenburgischem Landesrecht dürfe ein und derselbe Herstellungsaufwand nicht durch Anschlussbeiträge und zusätzlich über Benutzungsgebühren auf die Grundstückseigentümer umgelegt werden. Wechselt der Einrichtungsträger sein Satzungsrecht und geht zu einer reinen Gebührenfinanzierung mit "gespaltenen" Gebührensätzen über, könnten die von der Festsetzungsverjährung Begünstigten darauf vertrauen, auch über Benutzungsgebühren nicht mehr zur Deckung des beitragsfinanzierten Herstellungsaufwands herangezogen zu werden. Dem stehe das Haushaltsinteresse des Einrichtungsträgers nicht entgegen.

Das BVerwG konnte in der Sache nicht selbst entscheiden, weil es noch an Feststellungen im Zusammenhang mit der hypothetischen Festsetzungsverjährung fehlte. Es hat den angefochtenen Beschluss deshalb nur aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen.

Übrigens: Im Mai 2022 hatte das BVerfG ähnlich argumentiert und eine Heranziehung zu Anschlussbeiträgen nach Wechsel des Aufgabenträgers bei hypothetischer Verjährung verneint.

BVerwG, Urteil vom 17.10.2023 - 9 CN 3.22

Redaktion beck-aktuell, gk, 18. Oktober 2023.