Stuttgart 21: Die Bahn bleibt auf 6,5 Milliarden Euro Mehrkosten sitzen

Seit Jahren versucht die Bahn mit Klagen, ihre Projektpartner zu einer Beteiligung an den milliardenschweren Mehrkosten von Stuttgart 21 zu bringen. Nun hat der VGH Baden-Württemberg entschieden: Daraus wird nichts.

Die Deutsche Bahn muss die milliardenschweren Mehrkosten des Bahnprojekts Stuttgart 21 alleine tragen. Der VGH Baden-Württemberg in Mannheim lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung der Bahn gegen ein entsprechendes Urteil des VG Stuttgart ab (Beschluss vom 05.08.2025 - 14 S 1737/24).

Das VG Stuttgart hatte im Mai 2024 entschieden, dass die Bahn keinen Anspruch darauf hat, dass sich die Partner des Projektes, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und der Flughafen Stuttgart, an den Mehrkosten beteiligen müssen (Beschluss vom 07.05.2024 - 13 K 9542/16). Die Bahn wollte die Zulassung der Berufung beantragen - vergebens.

Die Bahn habe keine Gründe vorgelegt, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigten, so der VGH. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, Verfahrensfehler lägen nicht vor. Das Stuttgarter Urteil sei damit rechtskräftig. Theoretisch sei es noch möglich, dass die Bahn vor das BVerfG ziehe, so eine Gerichtssprecherin.

Der Konzern, der offiziell Bauherr von Stuttgart 21 ist, beziffert die Gesamtkosten für das Projekt derzeit auf gut 11 Milliarden Euro und hat zusätzlich einen Puffer von 500 Millionen Euro einkalkuliert. In einem Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 ist jedoch nur die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt. Die Mehrkosten von derzeit mindestens 6,5 Milliarden Euro dürften nach der Entscheidung bei der Bahn hängen bleiben.

Wie ist die sogenannte Sprechklausel zu verstehen? War ein Abbruch möglich?

Im Zentrum des Rechtsstreits zwischen Bahn und Projektpartnern stand die Auslegung einer sogenannten Sprechklausel im 2009 geschlossenen Finanzierungsvertrag, die den Umgang mit möglichen Kostensteigerungen regeln sollte. Darin heißt es: "Im Falle weiterer Kostensteigerungen nehmen die EIU (Eisenbahninfrastrukturunternehmen) und das Land Gespräche auf."

Was mit der Klausel genau gemeint ist, war zwischen den Partnern des Projekts aber höchst umstritten. Die Deutsche Bahn betonte immer wieder, dass sie von einer "gemeinsamen Finanzierungsverantwortung" ausgehe. Sie argumentierte, das VG hätte stärker die Gefahr in den Blick nehmen müssen, dass es zu einem dauerhaften Projektstillstand beziehungsweise einem ungeordneten Projektabbruch mit untragbaren Konsequenzen kommen könnte, sollte sich das Land nicht an der Finanzierung der Mehrkosten beteiligen. 

Die restlichen Partner sahen das anders und pochten darauf, dass Festbeträge vereinbart worden seien. Die Klausel verpflichtet ihrer Ansicht nach lediglich zu Gesprächen. Dieser Ansicht war auch das VG Stuttgart. Die Projektpartner hätten im Falle von Mehrkosten ausdrücklich die Aufnahme von Gesprächen verabredet, sagt der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung im Mai 2024. Daraus könne keine Verhandlungspflicht oder gar ein Anspruch auf Vertragsanpassung abgeleitet werden.

Auch sei es entgegen der Auffassung der Bahn dieser "rechtlich nicht verwehrt gewesen", die Verwirklichung des Projekts nach Ausschöpfung des Finanzierungsrahmens abzubrechen, so das Gericht. Bei einem frühzeitigen Abbruch hätte der Bahn laut VGH lediglich gedroht, zum Wohle der Allgemeinheit den früheren Zustand vor dem Bau wiederherzustellen. Faktisch habe gegen einen Abbruch schon früh gesprochen, dass sie den Abbruch und eine Wiederherstellung selbst hätte finanzieren müssen und dass sie wohl auch die ihr bereits gewährte Förderung hätte zurückzahlen müssen, so der VGH. Als Trägerin des Vorhabens sei die Bahn aber originär für die Finanzierung verantwortlich.

Neuer Tiefbahnhof, zahlreiche Tunnel

Das Projekt Stuttgart 21 steht nicht nur für den Bau des neuen Hauptbahnhofs in der Landeshauptstadt, sondern für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart. Gebaut werden neue Bahnhöfe, etwa ein neuer Fernbahnhof am Flughafen, Dutzende Kilometer Schienenwege und Tunnelröhren, Durchlässe sowie Brücken. Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm schließt neben Stuttgart 21 auch den Neubau der bereits 2022 eröffneten Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm ein. Herzstück von Stuttgart 21 ist der neue unterirdische Hauptbahnhof in der baden-württembergischen Hauptstadt, der im Gegensatz zum bisherigen Kopfbahnhof ein Durchgangsbahnhof sein wird.

Gebaut wird an dem Projekt bereits seit 2010. Die Inbetriebnahme war bereits mehrfach verschoben worden. Vor wenigen Wochen hatte die Bahn angekündigt, Stuttgart 21 Ende 2026 nur teilweise in Betrieb nehmen zu wollen. Der Fernverkehr und ein Teil des Regionalverkehrs sollen ab Dezember 2026 in den neuen Tiefbahnhof fahren, ein Teil des Regionalverkehrs endet dagegen bis Juli 2027 weiter im alten Kopfbahnhof. Als Grund für die schrittweise Inbetriebnahme nannte das Unternehmen die Entzerrung von Sperrungen, die wegen der Arbeiten für den Anschluss der neuen Infrastruktur an die bestehenden Strecken nötig seien.

VGH Mannheim, Beschluss vom 08.05.2025 - 14 S 1737/24

Redaktion beck-aktuell, js, 5. August 2025 (ergänzt durch Material der dpa).

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