Keine er­neu­te Ent­schei­dung über Rück­über­tra­gung des Hotel Adlon

Das Ver­fah­ren um die Ent­eig­nung der letz­ten Ei­gen­tü­me­rin des Ho­tels Adlon vor 1949 muss laut Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin nicht neu auf­ge­rollt wer­den. Die 1997 be­an­trag­te Rück­über­tra­gung sei wegen der auf be­sat­zungs­ho­heit­li­cher Grund­la­ge er­folg­ten Ent­eig­nung zu­recht ab­ge­lehnt wor­den. Die Er­ben­ge­mein­schaft drang auch nicht mit dem Ar­gu­ment durch, ihre Rechts­vor­gän­ger seien selbst Opfer na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ver­fol­gung ge­we­sen.

Rück­über­tra­gungs­an­trag 1997 ab­ge­lehnt

Die Klä­ge­rin ist die Er­ben­ge­mein­schaft nach Hed­wig Adlon, der letz­ten Ei­gen­tü­me­rin vor 1949. Hed­wig Adlon wurde im No­vem­ber 1949 in­fol­ge der Ein­tra­gung in die so­ge­nann­te Liste 3, mit der das "Ge­setz zur Ein­zie­hung von Ver­mö­gens­wer­ten der Kriegs­ver­bre­cher und Na­zi­ak­ti­vis­ten" um­ge­setzt wurde, ent­schä­di­gungs­los ent­eig­net. Ihr wurde ins­be­son­de­re an­ge­las­tet, dass sie und ihr Mann Louis Adlon im Jahr 1941 in die NSDAP ein­ge­tre­ten seien und das Hotel mit ihrem Ein­ver­ständ­nis unter der Füh­rung von Na­zi­ak­ti­vis­ten ge­stan­den habe. Einen nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung ge­stell­ten Rück­über­tra­gungs­an­trag lehn­te das Lan­des­amt zur Re­ge­lung of­fe­ner Ver­mö­gens­fra­gen 1997 mit der Be­grün­dung ab, die Rück­über­tra­gung sei wegen einer Ent­eig­nung auf be­sat­zungs­ho­heit­li­cher Grund­la­ge aus­ge­schlos­sen.

Er­ben­ge­mein­schaft be­ruft sich auf neue Be­weis­mit­tel

Die Er­ben­ge­mein­schaft hat 2019 das Wie­der­auf­grei­fen des Ver­fah­rens be­an­tragt. Sie meint, aus neuen Be­weis­mit­teln er­ge­be sich, dass ihre Rechts­vor­gän­ger zu Un­recht als Na­zi­ak­ti­vis­ten in die "Liste 3" auf­ge­nom­men wor­den seien. Sie seien viel­mehr selbst Opfer na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ver­fol­gung ge­we­sen und schon vor 1945 "fak­tisch ent­eig­net" wor­den. Die Be­hör­de lehn­te den Wie­der­auf­grei­fen­san­trag ab, der nach der ge­setz­li­chen Re­ge­lung ins­be­son­de­re nur dann zu­läs­sig ist, wenn neue Be­weis­mit­tel vor­lie­gen, die eine dem Be­trof­fe­nen güns­ti­ge­re Ent­schei­dung her­bei­ge­führt haben wür­den.

BVerfG hat Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit des Rück­über­tra­gungs­aus­schlus­ses be­stä­tigt

Dies ist nach dem Ur­teil des VG zu Recht er­folgt. Es spre­che be­reits ei­ni­ges dafür, dass die von den Adlon-Erben be­nann­ten Be­weis­mit­tel nicht als "neu" an­zu­se­hen seien, weil sie teil­wei­se im ab­ge­schlos­se­nen Ver­wal­tungs­ver­fah­ren schon be­kannt ge­we­sen seien. Teil­wei­se seien sie zudem nach Kennt­nis davon nicht recht­zei­tig vor­ge­legt wor­den. Of­fen­sicht­lich hät­ten die Be­weis­mit­tel auch nicht zu einer an­de­ren Ent­schei­dung ge­führt, da es auf die Frage, ob Hed­wig Adlon 1949 zu Recht oder zu Un­recht in die "Liste 3" auf­ge­nom­men wor­den sei, wegen der auf be­sat­zungs­ho­heit­li­cher Grund­la­ge er­folg­ten Ent­eig­nung nicht an­kom­me. Das BVerfG habe mehr­fach be­stä­tigt, dass die­ser Rück­über­tra­gungs­aus­schluss nicht gegen das Grund­ge­setz ver­sto­ße.

Ad­lons nicht selbst po­li­tisch Ver­folg­te

Die Er­ben­ge­mein­schaft habe auch kei­nen An­spruch auf die Fest­stel­lung, dass sie schon vor 1945 ihr Ver­mö­gen aus ras­si­schen oder po­li­ti­schen Grün­den ver­lo­ren haben und des­halb be­rech­tigt sind, den Erlös für das 1994 ver­kauf­te Adlon-Grund­stück zu ver­lan­gen. Es sei schon nicht die er­for­der­li­che voll­stän­di­ge und end­gül­ti­ge Ver­drän­gung der Ad­lons aus der Ei­gen­tü­mer­stel­lung zu er­ken­nen. Al­len­falls seien sie durch die teil­wei­se Fremd­nut­zung des Ho­tels durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten in ihrem Ei­gen­tum be­schränkt wor­den. Au­ßer­dem seien die Ad­lons nicht po­li­tisch ver­folgt wor­den, weil ihre be­haup­te­te na­zi­feind­li­che Ge­sin­nung gänz­lich un­er­kannt ge­blie­ben sei. Eine ras­si­sche Ver­fol­gung lasse sich aus der Tat­sa­che, dass die erste Ehe­frau von Louis Adlon Jüdin ge­we­sen sei, nicht be­grün­den, nach­dem Louis schon in den 1920er Jah­ren seine zwei­te Ehe­frau Hed­wig ge­hei­ra­tet habe.

VG Berlin, Urteil vom 01.12.2022 - VG 14 K 631/20

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 9. Dezember 2022.