Eingriffe in die Versammlungsfreiheit seien nur dann zulässig, "wenn von der Versammlung selbst eine unmittelbare Gefährdung für die öffentliche Ordnung, für die öffentliche Sicherheit, ausgeht", sagte Wrase in einem Online-Pressegespräch des Mediendienstes Integration. Dies sei nur dann der Fall, wenn strafbare Handlungen zu erwarten seien, "aber nicht nur von Einzelnen auf der Versammlung, sondern eben meinetwegen von einer Mehrheit oder auch ausgehend von den Veranstaltern".
Momentan werde damit argumentiert, dass die Konfliktlage so aufgeladen sei, dass quasi bei jeder dieser Versammlung erst einmal davon ausgegangen werden müsse, dass es dort zu strafbaren Handlungen wie der Billigung von Terrorangriffen auf Israel komme, sagte Wrase. "Ob in dieser Pauschalität tatsächlich solche weitreichenden Verbote gerechtfertigt erscheinen, das würde ich mal mit einem großen Fragezeichen versehen", fügte er hinzu.
Anders als Rechtsextremisten, die gegen Versammlungsverbote häufig vor Gericht zögen, sei dies bei den Veranstaltern der Pro-Palästina-Kundgebungen bislang eher nicht der Fall, weshalb es hierzu bislang noch keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebe, so Wrase. In Frankfurt am Main hatte der VGH Kassel allerdings kürzlich eine Pro- Palästina-Versammlung im Eilverfahren verboten.
Zweifel an Verbot des Palästinensertuchs an Schulen
Mit ihrem Rundschreiben an die Schulleitungen habe sich Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch in einer "Grauzone" bewegt, sagte der Jurist. Die CDU-Politikerin hatte darin am 13. Oktober festgehalten, auch das Mitführen nicht strafrechtlich relevanter Symbole – wie etwa Aufkleber mit Aufschriften wie "Free Palestine" oder das sogenannte Palästinensertuch – solle zur Wahrung des Schulfriedens in Berliner Schulen untersagt werden. Einschränkend schrieb sie: "Welche Maßnahmen im Einzelnen innerhalb des in diesem Schreiben aufgezeigten Rahmens für Ihre Schule verhältnismäßig und effektiv sind, können nur Sie als die Verantwortlichen vor Ort einschätzen."
"Da kann man juristisch durchaus Zweifel haben, auch in der konkreten Einordnung", sagte Wrase, beispielsweise, ob das Tragen des sogenannten Palästinensertuchs im Einzelfall als "Unterstützung der Hamas gewertet werden kann oder der Terrorangriffe auf Israel" oder ob dies lediglich "eine allgemeine Solidaritätsbekundung" sei.
Wie mit Pro-Palästina-Äußerungen umzugehen ist, beschäftigt nicht nur die Behörden, sondern auch die Politik. Aus der Union kamen angesichts anti-israelischer und antisemitischer Demonstrationen Forderungen, die Strafe für Volksverhetzung zu verschärfen.