beck-aktuell: Donald Trump setzt seinen Rachefeldzug fort und nimmt nach den Beamten, die gegen ihn ermittelt haben, jetzt auch zwei Anwaltskanzleien ins Visier. Um welche Kanzleien geht es und was hat Donald Trump angeordnet?
Griffiths: Ende Februar fing es an mit der Kanzlei Covington & Burling - eine ehrwürdige Washington-Kanzlei, die übrigens auch ein Büro in Frankfurt hat. Dieser Kanzlei hat Trump per Memorandum vorläufig die Sicherheitsgenehmigung entzogen.
Dabei sind diese Sicherheitsgenehmigungen sehr wichtig. Gerade für eine Kanzlei wie Covington, die sehr viel Regierungsarbeit macht, führt das dazu, dass man zu bestimmen Dingen keine Informationen mehr bekommt. Das heißt, dass man bestimmte Mandate nicht mehr bearbeiten kann, vor allem die Verteidigung von bestimmten Institutionen oder die Vertretung von Ministerien. Das ist natürlich ein harter Schlag.
"Völlig normale anwaltliche Arbeit"
beck-aktuell: Anlass für die Maßnahme von Trump war offenbar, dass die Kanzlei den unabhängigen Sonderermittler Jack Smith kostenlos beraten habe, der unter anderem wegen dessen Rolle beim Sturm aufs Kapitol gegen Donald Trump ermittelt hatte.
Griffiths: Covington hat also völlig normale anwaltliche Arbeit gemacht. Das war aber auch bei der zweiten Kanzlei der Fall, die ins Visier des US-Präsidenten geraten ist. Perkins Coie ist zwar eng verwoben mit den Demokraten, hat aber über die Jahre auch viel Arbeit für Republikaner gemacht.
Aber hauptsächlich ging es darum, dass Anwälte von Perkins, die mittlerweile gar nicht mehr dort beschäftigt sind, involviert waren in das – zu Recht sehr umstrittene - sogenannte Steele-Dossier, das schmutzige Informationen über Trump wegen angeblicher Immobiliengeschäfte in Russland sammelte. Sie waren damals mandatiert von Hillary Clinton, bevor sie 2016 gegen Trump verlor. Außerdem waren die Perkins-Coie-Anwälte auch beteiligt an den Klagen gegen das Trump-Verbot von transsexuellen Menschen in den Streitkräften.
"Wie geschäftsschädigend? Auf einer Skala von 1 bis 10 ist das eine 11"
beck-aktuell: Die Maßnahmen gegen Perkins Coie gehen viel weiter. Neben dem vorläufigen Entzug der Sicherheitsgenehmigungen wurden laut der executive order auch staatliche Vergabestellen angewiesen, Auftragsnehmer dazu aufzufordern, etwaige Geschäftsbeziehungen zu Perkins Coie offenzulegen. Staatliche Verträge mit der Kanzlei und mit Unternehmen, die mit ihr Geschäftsbeziehungen unterhalten, werden nun überprüft und, "soweit gesetzlich zulässig", gekündigt. Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie geschäftsschädigend ist das für eine Kanzlei?
Griffiths: Das ist eine 11. Der Angriff von Trump gegen Perkins ist ein Versuch, der Kanzlei ihre gesamte Geschäftsgrundlage zu entziehen - wenn man keine Sicherheitsgenehmigung hat, werden viele Mandanten sicherlich woanders schauen.
Das ist auch deswegen interessant, weil es sich nicht um eine "normale" Washington-Kanzlei handelt. Perkin Coie ist eine sehr große nordwestamerikanische Kanzlei mit Hauptquartier in Seattle. Sie vertritt sämtliche Seattle-Unternehmen, die man so kennt, berät also Boeing, aber auch Amazon, Microsoft und andere.
Niemand hat wirklich erwartet, dass die US-Regierung damit durchkommt – nun gab es recht schnell ein Urteil, das das Dekret vorläufig aufgehoben hat. Trotzdem ist der bereits eingetretene Schaden enorm, jeder Mandat weiß nun, dass die US-Regierung die Kanzlei Perkins auf dem Kieker hat.
beck-aktuell: Ein Bezirksgericht in den USA hat per einstweiliger Verfügung all diese Maßnahmen aufgehoben. Die Richterin ist der Argumentation von Perkins offenbar vollumfänglich gefolgt, sie hat die Anordnung als eine verfassungswidrige Verwendung von Steuergeldern und staatlichen Ressourcen für einen persönlichen Rachefeldzug bezeichnet und ihre Entscheidung mit dem wirtschaftlichen Schaden für die Kanzlei, aber auch mit der abschreckenden Wirkung für die ganze Rechtsbranche begründet.
Griffiths: Natürlich völlig zu Recht. Diese executive order ist die Untergrabung der Idee von einer unabhängigen Rechtsanwaltschaft und davon, dass jeder das Recht hat, vor Gericht vertreten zu werden. Wenn Kanzleien und Anwälte dafür bestraft werden, diese Idee zu vertreten, dann ist es mit der unabhängigen Rechtsanwaltschaft vorbei. Sehr merkwürdig war in dieser executive order auch die zweite Flanke, die die US-Administration aufmacht, der Angriff auf die Diversity-Politik von Perkins Coie.
"Die Diversity-Vorgaben sind den Kanzleien zugutegekommen"
beck-aktuell: Im Dekret heißt es, Perkins Coie untergrabe "nicht nur demokratische Wahlen, die Integrität unserer Gerichte und eine ehrliche Strafverfolgung", sondern diskriminiere auch seine eigenen Anwälte, Mitarbeiterinnen und Bewerber rassistisch - und zwar, weil die Kanzlei sogenannte DEI-Vorgaben hat, also Compliance-Vorgaben für Diversität, Gleichheit und Inklusion.
Griffiths: Das ist deswegen interessant, weil die Diversity-Politik von Perkins Coie nicht stärker oder schwächer ist als die fast aller Top-100-amerikanischen Anwaltskanzleien. Solche Vorgaben sind absolut gang und gäbe. Und natürlich ist es Unsinn, dass dadurch letztendlich weiße Männer diskriminiert würden.
Es ist vielmehr der Versuch, Bewerbungen von Anwältinnen und Anwälten von ethnischen Minderheiten und aus der LGBT-Gemeinschaft zu erhöhen – und der Versuch war ja erfolgreich, nicht nur bei Perkins Coie, sondern auch bei den anderen großen Anwaltskanzleien. Und was in der executive order stand, würde auch für 98% der größten US-Kanzleien stimmen.
beck-aktuell: Demnach will die Trump-Administration sich nun auch die DEI-Praktiken anderer führender Kanzleien ansehen. Das ist nicht branchenspezifisch, die Trump-Regierung will sämtliche Diversity-Equity-Inclusion-Vorgaben zurückdrängen, weil sie sie offensichtlich für diskriminierend hält. Und man sieht auch schon, wie weltweit Unternehmen, angefangen bei den Tech-Giganten, ihre eigenen Diversitätsvorgaben still und heimlich wieder einsammeln. Sehen Sie einen solchen Trend auch für die Wirtschaftskanzleien, womöglich sogar schon für den deutschen Markt?
Griffiths: Dafür ist es noch zu früh. Es hat sich auch gezeigt, dass die Diversity-Programme von Kanzleien auch in ihrem eigenen Interesse sind. Sie haben viel breiter aufgestellte Teams aufgebaut und können auf einen viel größeren Kreis möglicher Bewerber zurückgreifen. Und das ist ihnen letztlich zugutegekommen. Die Reaktion auf diese executive order ist deshalb ein Schock.
"Andere Kanzleien hoffen: ‚Uns wird es nicht betreffen‘"
beck-aktuell: Aber der Schock ist sehr leise. Es gibt keine Protestschreiben, keine öffentlichen Erklärungen aus den anderen Wirtschaftskanzleien. Dabei waren die Law Firms während Trumps erster Amtszeit durchaus sicht- und hörbar …
Griffiths: Ja, damals haben sie vor allem viel Pro Bono-Arbeit gemacht. Das ist in den Staaten ein sehr wichtiger Teil der Praxis der Großkanzleien. Sie ermutigen gerade ihre Associates, pro bono tätig zu werden. Auf diesem Wege haben sie zum Beispiel Betroffene der damaligen Migrationspolitik von Donald Trump vertreten – ich habe es aber nicht so wahrgenommen, als ob die Kanzleien damals offiziell gegen Trump Stellung bezogen hätten. Allerdings herrschte damals auch die Annahme, diese Amtszeit müsse man nur durchstehen, das gehe schon vorbei. Heute gibt es sicherlich eine Schockstarre, weil der Angriff so heftig ist.
beck-aktuell: Allerdings haben sich viele Unternehmen, die ja die Mandanten der großen Wirtschaftskanzleien sind, von denen wir hier sprechen, ihrerseits schon recht flexibel an die Trumpschen Vorgaben angepasst.
Griffiths: Das ist richtig. Ich glaube, bei den Kanzleien gibt es allgemein die Hoffnung: "Uns wird es nicht betreffen - wir haben ja nichts Ähnliches gemacht wie Perkins oder Covington." Hinzu kommt: Kanzleien sind riesige Organisationen. Eine Partnerschaft dazu zu bringen, eine einheitliche Stellungnahme abzugeben, ist schwierig, wenn man Tausende von Partnern hat. Schließlich meint man in den Kanzleien auch, es sei nicht ihre Aufgabe, sich derartig zu positionieren.
Das halte ich nicht unbedingt für eine besonders gute Entschuldigung, denn irgendwann muss das Management dieser Kanzleien aufstehen und zu verstehen geben, dass auch sie sehen, dass ihre eigene Geschäftsgrundlage untergraben wird. Wenn der Rechtsstaat angegriffen wird, dann gilt das natürlich auch für die anwaltliche und wirtschaftsanwaltliche Beratung.
"Die ABA steht sicherlich mit den Top-Kanzleien in Kontakt"
beck-aktuell: Sie kennen die Mentalität der Wirtschaftskanzleien sehr gut. Könnte es aus Ihrer Sicht noch ein Momentum geben, das ihre gegenwärtige Haltung ändert?
Griffiths: Man wartet sicherlich auf die American Bar Association, die ABA. Wenn diese unabhängige Anwaltsorganisation sich wirklich stark positioniert und sagt, wir, die Anwaltschaften, müssen etwas tun, wird das bestimmt einen Unterschied machen.
Die ABA hat sich bereits öffentlich positioniert, zumal sie ja selbst – unter anderem auch wegen ihrer Diversitätsvorgaben - schon von der Trump-Administration angegangen worden ist. Und ich gehe davon aus, dass sie sicherlich auch jetzt mit den Top-Wirtschaftskanzleien in Kontakt steht.
beck-aktuell: Herr Griffiths, vielen Dank für das Gespräch.
Aled Griffiths war 1997 einer der Gründer des Juve Verlags, einem Branchen-Magazin für Wirtschaftskanzleien. Bis Ende 2023 war er dort Chefredakteur und Geschäftsführer.
Die Fragen stellte Pia Lorenz.