Gefälschte KI-Zitate vor US-Gericht: Auch die Gegenseite muss aufpassen
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Ein Berufungsgericht in Kalifornien hat einem Anwalt 10.000 US-Dollar Strafe auferlegt, weil er in seinem Schriftsatz falsche Zitate aus ChatGPT benutzt hatte. Das Gericht war aber noch eine andere spannende Frage auf: Welche Verantwortung hat die Gegenseite, solche Täuschungen zu erkennen und zu melden?

Fälle von Anwältinnen und Anwälten, die vor Gericht KI-generierte Schriftsätze präsentieren und damit auf die Nase fallen, häufen sich weltweit seit einiger Zeit. Mitunter kommen sie dabei ungeschoren davon, manche bekommen auch Sanktionen aufgebrummt. Doch ein Fall aus Kalifornien wirft nun ein neues Licht auf das Problem.

Der betroffene Anwalt hatte wohl seine Berufungsbegründungen mit Hilfe von KI-Tools wie ChatGPT "verbessern" wollen – ohne die erzeugten Zitate zu kontrollieren, wie Bob Ambrogi im LawSites Blog berichtet. Das Gericht habe anschließend festgestellt, dass 21 von 23 Zitaten im ersten Schriftsatz frei erfunden gewesen seien, auch in einer Erwiderung hätten sich Fälschungen gefunden. Manche Entscheidungen hätten gar nicht existiert, andere seien in einem falschen Zusammenhang zitiert worden. Das Gericht habe deshalb eine Geldstrafe von 10.000 Dollar verhängt und den Anwalt zusätzlich an die Anwaltskammer verwiesen, heißt es im Bericht. Die Begründung: Man habe übermäßig viel Zeit investieren müssen, um die falschen Quellen zu überprüfen und die tatsächliche Rechtslage eigenständig zu recherchieren.

Muss ein Anwalt die Zitate der Gegenseite prüfen?

Für Aufsehen hat nach Angaben von LawSites jedoch vor allem ein anderer Punkt gesorgt. Trotz der wohl aussichtslosen Berufung habe das Gericht der Gegenseite keine Anwaltskosten zugesprochen, obwohl sie diese beantragt habe. Zur Begründung habe es erklärt, die Beklagten hätten das Gericht nicht auf die gefälschten Zitate hingewiesen und seien erst durch eine spätere Anordnung zur Stellungnahme auf das Problem aufmerksam geworden. Das Gericht habe zudem angedeutet , dass die Gegenseite möglicherweise Anspruch auf einen Schadensersatz gehabt hätte, wenn sie die Fälschungen erkannt und das Gericht informiert hätte:

"Wir lehnen es ab, Sanktionen gegen den gegnerischen Anwalt zu verhängen. Obwohl wir keinen Zweifel daran haben, dass solche Sanktionen in manchen Fällen angemessen wären, haben die Beklagten im vorliegenden Fall das Gericht nicht auf die gefälschten Zitate aufmerksam gemacht und scheinen sich der Angelegenheit erst bewusst geworden zu sein, als das Gericht seine Anordnung zur Darlegung der Gründe erlassen hat", zitiert der Blog aus der Entscheidung.

Nach Einschätzung von Ambrogi stecke darin mehr als eine Einzelfallentscheidung. Anwältinnen und Anwälte hätten sich bislang weitgehend darauf verlassen können, dass Zitate der Gegenseite existierten. Zwar habe es schon immer zur soliden Arbeit gehört, Zitate zu prüfen, so Ambrogi, doch generative KI habe die Lage verändert: Heute ließen sich falsche Quellen auf Knopfdruck erzeugen. Das Urteil könne daher auf einen neuen Standard beruflicher Kompetenz hinweisen – wer KI-Fälschungen erkenne und melde, habe Vorteile, während die Untätigen leer ausgingen.

Sanktionen mit Lerneffekt in Nevada

Auch andere US-Bundesstaaten stehen vor der Frage, wie mit erfundenen KI-Zitaten umzugehen ist. In Nevada hatte ein Richter zwei Anwälten, die ChatGPT-Zitate in ein Verfahren um ein gescheitertes Glasfaserprojekt eingebracht hatten, ein alternatives Modell vorgestellt: Statt sofortiger Strafen wie Geldbußen oder Kammermeldungen sollten sie ihre Fehler öffentlich aufarbeiten, sich in Gremien und Fortbildungen engagieren und gegenüber ihren Universitäten Stellung beziehen. Erst wenn sie dies verweigerten, drohten Sanktionen. Ziel sei es weniger, zu bestrafen, als die Anwaltschaft für die Gefahren der KI zu sensibilisieren.

Redaktion beck-aktuell, cil, 17. September 2025.

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