Union offen für besseren Schutz des BVerfG

Die Union zeigt sich offen für die Überlegungen der Ampel-Koalition, als Reaktion auf das Erstarken extremer Parteien das BVerfG besser vor möglicher Einflussnahme zu schützen. Man sei aber gegen "Schnellschüsse", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsabgeordneten, Thorsten Frei (CDU).

Unter der Überschrift "Mehr Widerstandskraft" hatten die ehemaligen Verfassungsrichter Gabriele Britz und Michael Eichberger in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vor ein paar Wochen Änderungen gefordert: Dem einfachen Zugriff des Gesetzgebers sollten jene Strukturen des höchsten deutschen Gerichts entzogen werden, die für dessen Funktionsfähigkeit, Unabhängigkeit und zur Verhinderung einseitiger Besetzung wesentlich sind. "Das entspricht seiner Stellung als Verfassungsorgan und stärkt seine Widerstandsfähigkeit gegen unwägbare politische Entwicklungen." In den vergangenen Tagen nahm die Debatte Fahrt auf.

Die Ampel-Parteien hatten vorgelegt: Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, hatte angeregt, dass eine Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht künftig eine Zweidrittel- statt eine einfache Mehrheit erfordern sollte. Er hatte unter anderem auf Polen verwiesen, wo man erlebt habe, wie schnell ein Verfassungsgericht lahmgelegt werden könne. Für eine Grundgesetzänderung wäre jedoch eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig - die Regierungsfraktionen bräuchten aktuell also die Zustimmung von CDU/CSU. 

Diese hat sich jetzt wohlwollend reagiert. "Wir teilen die Sorge der parteipolitischen Einflussnahme auf die Justiz und insbesondere das Bundesverfassungsgericht. Dieses wichtige Thema sollte auf breiter Basis diskutiert werden", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Gleichzeitig wird aber auch Zurückhaltung angemahnt: "Ich warne einfach vor wie auch immer gearteten Schnellschüssen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei (CDU). Man könne in die Stärke des Verfassungsorgans Bundesverfassungsgericht vertrauen. "Ich glaube, dass für eine hysterische Debatte in dem Zusammenhang kein Anlass besteht."

"Es spricht viel dafür, das Gericht zu härten. Man muss aber aufpassen, dass es nicht verhärtet", warnte Frei. Man dürfe nicht das Gute wollen und das Gegenteil verursachen. So seien etwa die Regeln zur Wahl der Verfassungsrichter im Bundestag und Bundesrat nichts, was man mit Zweidrittelmehrheit im Grundgesetz verankern müsse. Die Richter am Bundesverfassungsgericht werden je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat jeweils mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Das Verfahren sorge auch dafür, dass ausgleichende Kandidaten gewählt würden, die nicht extreme Minderheitenpositionen verträten.

Richterbund und DAV begrüßen Diskussion zum Schutz der Justiz 

Der Deutsche Anwaltverein begrüßte die aktuellen Überlegungen zur Resilienz der Justiz. Die Justiz müsse geschützt werden – nicht nur vor gezielter Entmachtung, sondern auch vor passiver Blockade. Besonders zielführend sei der Vorschlag, wesentliche Verfahrens- und Funktionsvorschriften der Verfassungsgerichte nur mit deren Einvernehmen zu ändern. Denkbar sei es aber auch, für derartige Regelungen eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages vorzusehen.

Gefahren für das ordnungsgemäße Funktionieren der Verfassungsgerichtsbarkeit sieht der DAV derzeit vor allem bei den Richterwahlen. Es müsse sichergestellt werden, dass radikale Sperrminoritäten die Besetzung von Richterstellen nicht langfristig blockieren könnten. Hier gebe es mehrere Ansätze. Es sei denkbar, dass der Bundesrat die Richterstellen besetze, sofern der Bundestag dieser Aufgabe über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen könne. Oder es könnten Richterwahlausschüsse errichtet werden, unter Beteiligung der anwaltlichen Berufsverbände, wie der DAV anfügt.

Der Deutsche Richterbund (DRB) hat sich für gründlich überlegte Änderungen ausgesprochen, um die Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts auch in politisch schwierigen Zeiten zu sichern. Es spreche viel dafür, zumindest die wesentlichen Strukturen des Gerichts wie die Aufteilung in zwei Senate, die zwölfjährige Amtszeit der Richterinnen und Richter und die Zweidrittelmehrheit für ihre Wahl im Grundgesetz zu verankern. Es gelte "rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Unabhängigkeit der Gerichte wirksam gegen Angriffe von Extremisten zu schützen".

Redaktion beck-aktuell, ak, 30. Januar 2024 (dpa).