Union bricht Gespräche über besseren Schutz des BVerfG ab

Ampel und Union gingen zuletzt in Gesprächen über den besseren Schutz des BVerfG aufeinander zu, doch dann lässt die Union die Gespräche platzen: Man sehe vorerst keinen Bedarf, das Gericht als Reaktion auf das Erstarken extremer Parteien stärker vor Einflussnahme zu schützen. Kritik aus der Regierung folgt prompt.

In Gesprächen mit Vertretern der Ampelfraktionen sei deutlich geworden, dass eine Umgestaltung der rechtlichen Grundlagen des Bundesverfassungsgerichts nicht nur Vorteile habe, erklärte Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) gegenüber der "Rheinischen Post»". Solche Änderungen des Grundgesetzes müssten sehr gut überlegt sein. "Die Unionsfraktion sieht derzeit keine zwingende Notwendigkeit, die Regelungen zum Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz zu ändern", so Lindholz.

Aus Sorge vor dem Erstarken extremer Parteien hatte die Ampel-Koalition erwogen, Einzelheiten zur Wahl und zur Amtszeit von Verfassungsrichtern nicht nur in einem einfachen Gesetz, sondern im Grundgesetz festzuschreiben. Diese könnten dann nicht mehr mit einfacher Mehrheit, sondern nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden. Das könnte zum Beispiel verhindern, dass bei einem Regierungswechsel Richterinnen und Richter vergleichsweise einfach aus dem Amt entfernt werden könnten.

Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte der dpa, er bedauere, dass die Union nicht mehr für Gespräche in der Sache bereitstehe. "Gerade im Jahr des 75. Geburtstages des Grundgesetzes wäre es ein wichtiges Zeichen gewesen, die Abwehrkräfte unserer Demokratie und des Rechtsstaats zu stärken", sagte der FDP-Politiker. Weitere Gespräche blieben auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schrieb auf der Plattform X: "In diesen Zeiten braucht es staatspolitische Verantwortung statt Fundamentalopposition."

Von Notz: "Millionen Menschen gehen auf die Straße, aber Merz kriegt es nicht hin"

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz nannte die Entscheidung der Union fahrlässig und kritisierte CDU-Chef Friedrich Merz. "Während Millionen Menschen in unserem Land für unseren Rechtsstaat und seine Wehrhaftigkeit auf die Straße gehen und eine klare Erwartungshaltung in Richtung Politik adressieren, kriegt es Friedrich Merz noch immer nicht hin, über seinen Schatten zu springen, so dass wir als Demokratinnen und Demokraten gemeinsam und überfraktionell an einem besseren Schutz unserer höchsten Verfassungsorgane arbeiten können", sagte er. Die jüngste Positionierung dürfe nicht das Ende der überfraktionellen Gespräche sein. "In einer sicherheitspolitisch extrem angespannten Situation das Schutzniveau für das Bundesverfassungsgericht nicht zu erhöhen, ist politisch entweder naiv oder in höchstem Maße fahrlässig."

Auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese griff die Union für die Entscheidung an. "In einer der schwierigsten Zeiten für unsere Demokratie seit Jahrzehnten wird die Union ihrer Rolle als verantwortungsvolle Opposition in keinster Weise gerecht", sagte Wiese der "Rheinischen Post". Er hoffe, dass sich dies noch ändere.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) drückte ebenfalls seine Besorgnis über das Ende der Gespräche aus. Der Handlungsbedarf sei unter allen Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern unbestritten und in der Justizministerkonferenz seien sehr gute Lösungsmöglichkeiten erarbeitet worden. Das letzte Wort dürfe hier noch nicht gesprochen sein, erklärte Ulrich Karpenstein, Vizepräsident des DAV. "Unsere Verfassungsgerichtsbarkeit ist weder gegen Blockaden parlamentarischer Minderheiten noch gegen zielgerichtete Eingriffe einfacher Mehrheiten geschützt!", so der Anwalt. Die Justizministerkonferenz habe – auch mit den Stimmen von CDU und CSU – sehr zielführende Vorschläge vorgelegt, die eine hervorragende Grundlage für das weitere Vorgehen bilden könnten. Das Thema sei zu wichtig, um es in die Tages- und Parteipolitik hineinzuziehen. Der DAV und andere Berufsverbände wollen deshalb Kontakt mit den Fraktionsführungen aufnehmen, um den Handlungsbedarf zu verdeutlichen und auf konstruktive Gespräche zu drängen.

Redaktion beck-aktuell, mm, 23. Februar 2024 (dpa).