Thadäus König (CDU) ist neuer Präsident des Thüringer Landtags. In der Plenarsitzung am Samstag erhielt er im ersten Wahlgang mit 54 Ja-Stimmen die erforderliche Mehrheit, während die AfD-Kandidatin Wiebke Muhsal nur auf 32 Stimmen kam. Zuvor hatte der Landtag mit gleichem Stimmenverhältnis das in der Geschäftsordnung verankerte Verfahren zur Präsidentschaftswahl geändert, um allen Fraktionen zu ermöglichen, von Anfang an Kandidatinnen und Kandidaten vorzuschlagen.
Zuvor hatte das Vorschlagsrecht ausschließlich bei der AfD als stärkster Fraktion gelegen. Die Partei hatte bis dato auf der Besetzung des zweithöchsten Staatsamts in Thüringen bestanden und sich gegen einen Antrag von CDU und BSW gestellt, wonach alle Fraktionen Personalvorschläge bereits im ersten Wahlgang unterbreiten könnten. Die konstituierende Sitzung des Thüringer Parlaments war daraufhin zum Debakel geraten, da Alterspräsident Jürgen Treutler (AfD), der die erste Sitzung leitete, Anträge anderer Abgeordneter ignorierte, versuchte, ihnen das Wort zu entziehen, und schließlich nicht einmal die Beschlussfähigkeit des Plenums feststellen wollte. Daraufhin rief die CDU schließlich den Thüringer VerfGH an, ihrem Eilantrag schlossen sich auch BSW, Linke und SPD an.
VerfGH verpflichtet AfD-Alterspräsidenten, über Geschäftsordnung abstimmen zu lassen
Am Freitagabend folgten dann die Thüringer Verfassungsrichterinnen und -richter im Wesentlichen dem Eilantrag und verpflichteten Treutler, das Parlament über eine neue Tagesordnung abstimmen zu lassen. So dürfe der Landtag - entgegen der AfD-Rechtsauffassung, noch vor der Wahl der Landtagsspitze seine Geschäftsordnung ändern. Der Beschluss des Gerichts erging einstimmig (Beschluss vom 27.09.2024 - VerfGH 36/24).
Das Gericht stellte dabei klar, dass die Thüringer Verfassung keine Regelung zur Reihenfolge der einzelnen Konstituierungshandlungen in der ersten Landtagssitzung treffe. Die Geschäftsautonomie des Parlaments gewähren den Abgeordneten das Recht, auch vorab über die Tagesordnung zu bestimmen. "Damit ist auch eine Debatte und Beschlussfassung über eine Änderung der Geschäftsordnung bereits vor der Wahl des Landtagspräsidenten zulässig" hieß es in der Mitteilung des VerfGH. Die Richterinnen und Richter erklärten weiter: "Die beabsichtigte Regelung, die vorsieht, dass sämtliche Fraktionen - und nicht allein die stärkste Fraktion - bereits für den 1. Wahlgang Wahlvorschläge für die Wahl des Landtagspräsidenten unterbreiten dürfen, verletzt Verfassungsrecht nicht."
In ihrem Beschluss machten die Verfassungsrichterinnen und -richter AfD-Alterspräsident Treutler detaillierte Vorgaben zum Ablauf der Sitzung: Danach musste er die vorläufigen Schriftführer ernennen, die Beschlussfähigkeit des Landtags feststellen und die von der bisherigen Landtagspräsidentin vorgelegte Tagesordnung von Mitte September zur Abstimmung stellen.
Vorwürfe gegen AfD: "Demokratie vorführen, Grenzen austesten"
Der parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer CDU-Fraktion, Andreas Bühl, hatte in einer Rede gesagt: "Es geht uns darum, ein sicheres Verfahren zu etablieren, das verhindert, dass der Landtagspräsident durch parteipolitische Taktiken instrumentalisiert wird." Es gebe kein Recht auf eine Wahl, "es gibt ein Recht, einen Vorschlag zu machen, und danach entscheidet die Mehrheit des Hauses".
Der chaotische Verlauf der Landtagssitzung und das Agieren der AfD hatten bundesweit für Aufsehen und Kritik gesorgt. Der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner warf der AfD vor, die Sitzung instrumentalisiert zu haben, "um ein bisschen die Demokratie, die Geschäftsordnung und vielleicht auch die Thüringer Verfassung vorzuführen und die Grenzen auszutesten".
Über den Wahlpassus in der Geschäftsordnung war bereits im Frühjahr im Thüringer Landtag auf Initiative der Grünen diskutiert worden, um Chaos bei der Wahl des Landtagspräsidenten zu verhindern. Allerdings hatte sich dafür keine Mehrheit im Parlament abgezeichnet. Stattdessen hatte es eine Einigung im Ältestenrat für ein Verfahren gegeben, an das sich die AfD nun aber nicht gebunden fühlt. Die AfD hatte sich damals nach eigenen Angaben enthalten.
Der Landtagspräsident repräsentiert in Thüringen das Parlament, er kann den Landtag jederzeit einberufen und leitet die Landtagsverwaltung. Bei einer Ministerpräsidentenwahl ist der Präsident oder die Präsidentin für den formal reibungslosen Ablauf zuständig.