Stuttgarter Erklärung: Innenminister wollen gegen digitale Gewalt vorgehen
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© Marijan Murat / dpa

Die Innenministerinnen und -minister der Länder haben sich auf ihrer Konferenz in Stuttgart letzte Woche dafür ausgesprochen, digitaler Gewalt gemeinsam die Stirn zu bieten. Neben Präventionsprogrammen sollen demnach effiziente Möglichkeiten der Anzeigenerstattung und zentrale Meldestellen für Hasskriminalität im Internet geschaffen werden. Laut einer aktuellen Studie der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. zum Thema wurde jeder Fünfte im Netz schon Mal beleidigt, bei Frauen ist es sogar jede zweite.

Fast alle Internetnutzer haben Erfahrung mit digitaler Gewalt

Die Zahlen der aktuellen Studie der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) zu Erfahrungen mit digitaler Gewalt sind alarmierend. Demnach hat mehr als jeder Zweite im Netz bereits Beleidigungen beobachtet, jeder Dritte hat Trans- & Homofeindlichkeit und/oder Rassismus erlebt. Bei Frauen sind die Zahlen noch dramatischer: Jede vierte junge Frau ist laut der Studie von digitaler Gewalt selbst betroffen und jede Dritte hat Angst davor, dass intime Bilder online veröffentlicht werden. Gleichzeitig sind die allermeisten Nutzerinnen und Nutzer mit den Plattformbetreiben hinsichtlich deren Engagement bei der Bekämpfung von digitaler Gewalt unzufrieden. Acht von zehn Personen sind dafür, dass statt den Plattformen Gerichte über die Sperrung von Accounts entscheiden.

GFF will Entwurf für ein digitales Gewaltschutzgesetz vorlegen

Als rechtliche Grundlage für die geforderte gerichtliche Sperrung von Accounts, die strafrechtlich relevante Inhalte verbreiten, stellt die GFF den Entwurf eines digitalen Gewaltschutzgesetzes in Aussicht. Dieser soll von der im Dezember gestarteten "Marie-Munk-Initiative" erarbeitet werden und insbesondere vorsehen, dass Gerichte anders als bisher Accounts sperren können, ohne die Person dahinter identifizieren zu müssen. Diese Strategie komme ganz ohne Klarnamenpflicht und Datenspeicherung aus und habe zum Ziel, auch die Meinungsfreiheit von Nutzerinnen und Nutzern zu bewahren. Außerdem spricht sich die Initiative dafür aus, Beratungsangebote für Betroffene weiter auszubauen. Der Gesetzentwurf soll der neuen Bundesregierung als Blaupause dienen. Diese stellt die von der GFF geforderten richterlich angeordnete Accountsperren in ihrem Koalitionsvertrag ebenfalls in Aussicht und will für Betroffenen rechtliche Hürden bei der Geltendmachung von Auskunftsrechten abbauen und umfassende Beratungsangebote aufsetzen. Geplant sei auch ein elektronisches Verfahren zur Anzeigenerstattung und für private Verfahren. Die Einrichtung einer Bundeszentrale für digitale Bildung soll geprüft werden.

Stuttgarter Erklärung: Innenminister wollen "Hass und Hetze die Stirn bieten"

Die Innenministerinnen und -minister der Länder stellten sich letzte Woche in Stuttgart in einer gemeinsamen Erklärung ebenfalls gegen digitale Gewalt. Sie sprachen sich dafür aus, "Hass und Hetze gemeinsam die Stirn zu bieten – online und offline". Die Innenminister verweisen in ihrer Erklärung auf Beispiele wie die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie die fremdenfeindlichen Anschläge von Halle und Hanau. "Das sind furchtbare Beispiele dafür, wie verbale Anfeindungen zu grausamen Taten führen können. Wir müssen solchen Auswüchsen den Nährboden entziehen", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Vertreter Christian Pegel.

Innenminister fordern Meldepflicht für Messengerdienste

Konkret sprechen sich die Innenministerinnen und -minister für gesetzliche Regelungen aus, die eine eindeutige Identifizierbarkeit von Straftäterinnen und Straftätern im Internet ermöglichen. Außerdem sollen bestehende und neue Regelungen für Anbieter sozialer Netzwerke auf Messengerdienste wie etwa Telegram ausgeweitet werden. Dies betrifft insbesondere die ab dem 01.02.2022 für soziale Netzwerke geltende Meldepflicht hinsichtlich bestimmter strafbarer Inhalte an das Bundeskriminalamt. Meldestrukturen sollen eingerichtet bzw. gefördert werden. Dazu gehören effiziente Möglichkeiten der Anzeigenerstattung und zentrale Meldestellen für Hasskriminalität im Internet. Gleichzeitig sollen bestehende Präventionsprogramme zum couragierten Verhalten im Internet weiterentwickelt und unter den verschiedenen Akteuren der Länder und des Bundes besser vernetzt werden.

Internetnutzer haben kein Vertrauen in die Politik

Dass der Gesetzgeber beim Schutz vor digitaler Gewalt nachbessern muss, machen die Ergebnisse der GFF-Studie deutlich. Das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer, dass die Politik erfolgreich gegen digitale Gewalt vorgehen kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt gering. Jeder Dritte traut keiner politischen Partei eine erfolgreiche Bekämpfung von Hasskommentaren und Hassreden im Internet zu. Von den Ampel-Parteien schneiden SPD und Grüne noch am besten ab: Der SPD trauen immerhin 13% und den Grünen 9% eine erfolgreiche Politik in diesem Bereich zu. Bei der AfD sind es 7%, bei FDP und CDU 6% und bei CSU und der Linken 4%.

Redaktion beck-aktuell, 6. Dezember 2021.