Innerhalb des AfD-Landesverbands war nach dem Landesparteitag im Mai 2022 ein Streit um die Gültigkeit der Vorstandswahlen entbrannt. Im Oktober erklärte das Landesschiedsgericht der AfD für das Land Bremen die Wahlen und Abstimmungen des Landesparteitags für nichtig und setzte einen Notvorstand ein. Dieser sollte im Hinblick auf die anstehenden Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft die Aufstellungsversammlung rechtssicher vorbereiten und durchführen. Diese Entscheidung wurde später durch das Bundesschiedsgericht der AfD bestätigt.
Gleichzeitig wies der Vorstand des AfD-Bundesverbandes darauf hin, dass sich der Notvorstand nicht ordnungsgemäß im Amt befinde und der aus den Wahlen auf dem Landesparteitag hervorgegangene Vorstand (sogenannter Rumpfvorstand) den Landesverband vertrete. Für den Wahlbereich Bremen reichten sowohl der Not- als auch der Rumpfvorstand einen Wahlvorschlag für die Bürgerschaftswahl ein. Für den Wahlbereich Bremerhaven reichte nur der Rumpfvorstand einen Wahlvorschlag ein. Sämtliche Wahlvorschläge der AfD wurden durch den Landeswahlausschuss zurückgewiesen. Der Landeswahlausschuss begründetet das hinsichtlich der Wahlvorschläge des Rumpfvorstandes damit, dass letzterer nicht legitimiert gewesen sei. Schließlich sei ein Notvorstand eingesetzt gewesen.
Daraufhin erhoben einzelne in den Wahlvorschlägen benannte Bewerberinnen und Bewerber sowie der Landesverband Bremen der AfD Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl. Diese hatten weder vor dem Wahlprüfungsgericht noch vor dem Staatsgerichtshof Erfolg.
Fokus auf Parteienfreiheit und Wahlfreiheit
Der Staatsgerichtshof Bremen sieht in der Nichtzulassung der für die Wahlbereiche Bremen und Bremerhaven eingereichten Wahlvorschläge keinen Wahlfehler, der Anlass gegeben hätte, die Wahl für ungültig zu erklären (Urteile vom 16.08.2024 –St 12/23 und St 15/23). Die Zulassungsbedürftigkeit von Wahlvorschlägen stehe mit der Parteien- und der Wahlfreiheit im Einklang. Das Erfordernis der Zulassung der Landesliste einer Partei zur Wahl solle unter anderem gewährleisten, dass die Wahl ordnungsgemäß durchgeführt wird und die Wahlvorschläge eine gewisse Ernsthaftigkeit aufweisen. Auch die Vorschrift, dass Wahlvorschläge von Parteien nur gültig seien, wenn sie von deren Landesvorstand unterzeichnet seien, diene legitimen Zielen. Damit die Parteien die ihnen zukommende zentrale Rolle für die politische Willensbildung in Volk und staatlichen Institutionen wahrnehmen könnten, sei es unerlässlich, dass jede Partei nur einen Wahlvorschlag einreiche.
Auch wenn die zugrunde liegenden Normen grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich seien, seien sie im Lichte der Parteienfreiheit und der Wahlfreiheit auszulegen. Denn wenn ein Wahlvorschlag nicht zugelassen werde, greife dies schwerwiegend in die Wahl- und Parteienfreiheit ein. Vor diesem Hintergrund habe das Wahlprüfungsgericht nicht vertieft prüfen müssen, inwieweit die Vorstandswahlen auf dem Landesparteitag der AfD und das Verhalten des Landes- und Bundesschiedsgerichts der AfD der parteiinternen Satzung entsprachen oder welche Personen nach dem innerparteilichen Recht als Vorstand zu gelten hatten: Selbst bei der Kandidatenaufstellung beschränke sich die Kontrolle der Wahlprüfungsorgane auf elementare Verstöße gegen das Satzungs- und parteiinterne Wahlrecht. Dies muss laut Staatsgerichtshof erst recht bei Satzungsverstößen gelten, die – wie hier – nicht unmittelbar bei der Kandidatenaufstellung erfolgten.
Der Landeswahlausschuss und das Wahlprüfungsgericht hätten bei ihrer Entscheidung die verfassungsrechtlich gebotene Kontrolldichte beachtet. Um die Wahlvorschläge zu legitimieren, hätte zum Ablauf der Einreichungsfrist am 6. März 2023 die Eigenschaft der unterzeichnenden Mitglieder des Rumpfvorstands als Vorstand des Landesverbands der AfD vorliegen müssen. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen, da ein entgegenstehender Beschluss des Bundesschiedsgerichts der AfD vorgelegen habe, der die Einsetzung des Notvorstands durch das Landesschiedsgericht der Partei und seine Beauftragung, die Wahlen vorzubereiten, bestätigt hatte. Die Entscheidungen der Parteischiedsgerichte seien auch nicht als willkürlich anzusehen, weil sie sich bei der Einsetzung des Notvorstandes auf eine vertretbare analoge Anwendung einer Vorschrift der Bundessatzung der AfD stützen konnten.
Stimmen durften elektronisch ausgewertet werden
Aber nicht nur die Wahlprüfungsverfahren der AfD scheiterten – auch die Wahlbeschwerde einer Privatperson blieb erfolglos. Ein Bürger hatte den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verletzt gesehen, weil beim Auszählvorgang ein elektronisches Datenverarbeitungsprogramm eingesetzt worden war. Nach Übertragung der Stimmzettelinhalte in den Computer sei nicht hinreichend nachvollziehbar, wie das Wahlergebnis ermittelt wurde.
Der Staatsgerichtshof teilt die Bedenken nicht (Urteil vom 16.08.2024 – St 8/23). Zwar müssten alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlich überprüfbar sein, also jede Bürgerin und jeder Bürger sie ohne besondere technische Vorkenntnisse nachvollziehen und verstehen können. Daraus folge jedoch nicht, dass die Öffentlichkeit in sämtliche Handlungen bei der Ermittlung des Wahlergebnisses einzubeziehen sei. Vielmehr dürfe der Gesetzgeber für Wahlen elektronische Wahlgeräte zulassen, wenn eine zuverlässige Richtigkeitskontrolle gegeben sei.
Hier sei das der Fall gewesen. Die interessierte Öffentlichkeit habe die einzelnen Schritte der Stimmauszählung in den Auszählungszentren beobachten können: Die Nummerierung der Stimmzettel und ihre elektronischen Erfassung, die laute Ansage der abgegebenen Stimmen und die Eingabe der angesagten Stimmen in den Computer. Auch die elektronische Summenbildung habe ausreichend überprüft werden können. Die korrekte Erfassung der Stimmzettel werde nach der Auszählung eines Wahlbezirks stichprobenartig überprüft. Auch werde eine Prüfliste aller erfassten Stimmzettel eines abgeschlossenen Wahlbezirks durch den Wahlvorstand ausgedruckt. Zusätzlich sei jederzeit eine nachträgliche Ergebniskontrolle möglich. Das zur Stimmauszählung eingesetzte Datenverarbeitungsprogramm sei durch den Landeswahlleiter zugelassen und vor seinem Einsatz anhand fiktiver Stimmzetteln überprüft worden.