Die Kommission beklagt in dem Gesetz unter anderem Verstöße gegen Grundsätze der Demokratie, der freien Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit. Auch die Achtung des Privat- und Familienlebens und das Recht darauf, vertraulich mit Anwältinnen und Anwälten sprechen beziehungsweise schreiben zu können, gefährde das Regelwerk.
Mit dem im Dezember 2023 verabschiedeten Gesetz wurde ein neues "Amt für Souveränitätsschutz" eingerichtet, das eventuelle Bedrohungen Ungarns aus dem Ausland überwachen soll. Das bereits geltende Verbot der Parteienfinanzierung aus dem Ausland wurde damit auf Vereine und andere Organisationen ausgeweitet. Verantwortlichen dieser Organisationen, die versuchen, Finanzquellen aus dem Ausland zu verschleiern, drohen zudem drei Jahre Freiheitsentzug. "Das Gesetz verleiht dem Amt einen sehr weiten Ermessensspielraum für die Ermittlungen, insbesondere, was den Zugang zu Informationen betrifft, und gestattet es dem Amt, in die Ermittlungstätigkeit anderer Behörden einzugreifen", teilte die EU-Kommission mit. Sie ist der Ansicht, dass die Befugnisse und der große Ermessensspielraum Folgen etwa für Nichtregierungsorganisationen, Medien und Journalisten haben und wohl nicht verhältnismäßig sein werden.
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund sagte, das Gesetz "stammt aus dem Lehrbuch Wladimir Putins und kommt ganz konkret gegen die Zivilgesellschaft in Ungarn zum Einsatz". Auch seine SPD-Amtskollegin und ehemalige deutsche Justizministerin Katarina Barley begrüßte das Verfahren. "Das System Orban macht Ungarn zum Trojanischen Pferd von Russland und China in der EU", sagte sie mit Blick auf Ungarns Regierungschef Viktor Orban.
Bei Verurteilung droht Geldstrafe
Bereits im Februar hatte die Brüsseler Behörde wegen des neuen Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest eingeleitet. Ungarn hielt jedoch an dem Regelwerk fest. Sollte die Klage der Kommission nun erfolgreich sein und der EuGH Budapest verurteilen, droht bei einem weiteren Festhalten an dem Gesetz eine Geldstrafe.
Es wäre nicht die erste Geldstrafe gegen Ungarn. Der EuGH verhängte beispielsweise im Juni eine Strafe, weil Ungarn aus EuGH-Sicht gegen das EU-Asylrecht verstößt. Da Ungarn die 200-Millionen-Euro-Strafe nicht bezahlt hat, will die Europäische Kommission das Geld von künftigen EU-Zahlungen an Budapest abziehen.