Im April 2024 fand in Hamburg die erste bundesweite Referendariatsversammlung statt. Organisiert wurde das Treffen vom Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF), dem Dachverband der Jurafachschaften. Gegründet wurde die sogenannte Referendariatskommission (RefKo) bereits im vergangenen Jahr. Doch bis die Interessenvertretung sich in die Arbeit stürzen konnte, musste zunächst einiges organisiert werden.
Zu tun gibt es viel, das ist allen Beteiligten klar. Im Mai wurde beispielsweise bekannt, dass in Nordrhein-Westfalen die Ausbildungsstellen für Rechtsreferendarinnen und -referendare gekürzt werden. Statt 4.500 Stellen sollen es in Zukunft nur noch 3.000 sein. Doch damit nicht genug. Der Vorbereitungsdienst wird außerdem um einen Monat gekürzt – die Prüflinge müssen künftig schon im 25. Monat zur "Mündlichen" antreten. Dadurch entfällt auch ein voller Monat Unterhaltsbeihilfe. In einer Stellungnahme hat sich die RefKo deutlich gegen diese Einsparungen in NRW ausgesprochen und eine Petition gestartet, die inzwischen über 6.000 Mal unterzeichnet wurde.
"Selbst eine noch so angespannte Haushaltslage darf nicht dazu führen, dass die bereits begrenzten Kapazitäten in der juristischen Ausbildung weiter sinken, wenn gleichzeitig die größte Pensionierungswelle seit jeher unmittelbar bevorsteht und bereits jetzt ein enormer Mangel an qualifiziertem juristischem Nachwuchs besteht", heißt es im Schreiben der RefKo.
Lose Strukturen und hohe Fluktuation
Schon jetzt ist deutlich zu spüren, dass die Mitglieder der RefKo ihre Arbeit ernst nehmen. Man habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Interessenvertretungen der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare bundesweit zu bündeln und gezielt auf Verbesserungen im juristischen Vorbereitungsdienst und der zweiten Staatsprüfung hinzuwirken. Im Hinblick auf das Verbesserungspotential der juristischen Ausbildung in ihrer Gesamtheit mit Sicherheit kein leichtes Ziel.
Das Problem: Zwar gibt es in den meisten Bundesländern Personalvertretungen der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare. Diese sind jedoch je nach Standort unterschiedlich stark ausgeprägt und aktiv. In einigen Bundesländern gibt es beispielsweise lediglich Vereine. Dies ist unter anderem in Thüringen, Sachsen und Bayern der Fall. In anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen gibt es hingegen feste Strukturen und per Landesgesetz verankerte (Bezirks-)Personalräte an den jeweiligen Gerichtsstandorten. Ein weiteres Problem bei der Organisation einer dauerhaften Vertretung ist die hohe Fluktuation im Referendariat, da spätestens alle zwei Jahre die Mitglieder der Vertretungen ausscheiden, wenn sie ihren Vorbereitungsdienst beenden. Die Referendariatskommission soll jetzt erstmals die Belange aller Betroffenen bündeln und bundeweit für Verbesserungen sorgen.
"Während die Personal- und Interessensvertretungen als direkte Ansprechpartnerinnen der Referendarinnen und Referendare an den Gerichten und / oder in den Bundesländern agieren und dort die Anliegen der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare vertreten, fungiert die RefKo auf Bundesebene als Ansprechpartnerin für die verschiedenen Akteurinnen und Akteure in der juristischen Ausbildung. Daneben unterstützt die RefKo die Personal- und Interessenvertretungen bei der Arbeit an politischen Forderungen, wie jüngst im Falle der Sparmaßnahmen zulasten des juristischen Vorbereitungsdienstes in Nordrhein-Westfalen", erklärt Justine Börngen, Vorsitzende der RefKo. Mittlerweile habe die RefKo in jedem Bundesland Ansprechpersonen in den Personalvertretungen oder Vereinen.
Absolventenbefragung und Projektgruppe psychischer Druck
Momentan besteht die RefKo aus sechs gewählten Mitgliedern und zehn Referentinnen und Referenten. Neben der Vorsitzenden Justine Börngen (Referendarin am LG Duisburg) hat Emilia De Rosa (Studentin der Rechtswissenschaft an der Universität Bremen) den stellvertretenden Vorsitz inne. "Damit die Zusammensetzung der RefKo nicht jedes Jahr einen kompletten Austausch erfährt, wird zweimal im Jahr gewählt: Zum 1. Juni zwei Referendarinnen oder Referendare und zwei Studierende, zum 1. Dezember zwei Referendarinnen oder Referendare. Auf diese Weise kann die Wissensweitergabe und kontinuierliche Arbeitsweise gewährleistet werden", erläutert Börngen die Organisation der RefKo.
Im ersten Jahr ihres Bestehens stand für die RefKo der Aufbau einer Datengrundlage und der Ausbau des Kontakts zu den Personalvertretungen und den Entscheidungsträgerinnen sowie Entscheidungsträgern ganz oben auf der Agenda. Die Referendariatsversammlung soll ab jetzt außerdem jährlich stattfinden und einen regelmäßigen Austausch gewährleisten.
Inzwischen beschäftigt sich die RefKo unter anderem in einer Projektgruppe mit dem psychischen Druck im Referendariat sowie der Erstellung einer Absolventenbefragung für den juristischen Vorbereitungsdienst und die zweite Staatsprüfung. Die RefKo will sich außerdem gezielt für eine Verbesserung des Vorbereitungsdienstes einsetzen, mit den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern hierzu in den Austausch gehen sowie Stellungnahmen verfassen. Zu den wichtigsten Punkten, welche die RefKo in den nächsten Jahren angehen will, gehört die Erhöhung der Unterhaltsbeihilfe, eine Verringerung des Workloads in den einzelnen Stationen sowie die Verbesserung der Qualität der Arbeitsgemeinschaften.
Eingefahrene Strukturen und Denkweisen
Börngen: "Den Arbeitsgemeinschaften in den einzelnen Stationen fehlen häufig ein didaktisches Konzept und gut ausgearbeitete und einheitliche Lehr- und Lernmaterialien. Hinzu kommt ein Mangel an gut ausgebildeten, motivierten und entsprechend bezahlten AG-Leiterinnen und AG-Leitern. Außerdem die Anwesenheitspflicht, die den Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren unter diesen Bedingungen wertvolle Zeit stiehlt und die Option nimmt, sich den nötigen Stoff selbstständig anzueignen."
Als größte Herausforderung beschreibt Börngen das aktuelle System der juristischen Ausbildung als solches sowie die eingefahrene Einstellung der Ausbilderinnen und Ausbilder. Argumente wie "Wir mussten da auch durch, also sollten die Generationen nach uns es nicht leichter haben" oder "Die Jugend ist nicht mehr belastbar" oder "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" müssen nach Ansicht der RefKo endlich der Vergangenheit angehören. "Die Notwendigkeit der Reform der juristischen Ausbildung muss nicht nur von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen, sondern insbesondere auch von den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern angegangen werden", so Börngen.
Die Autorin Dr. Jannina Schäffer ist Gründerin und Chefredakteurin des Online Magazins "JURios – kuriose Rechtsnachrichten". Die Volljuristin hat berufsbegleitend an der Deutschen Hochschule der Polizei promoviert und ist Lehrbeauftragte an der FernUni Hagen sowie Mitarbeiterin bei Alpmann Schmidt.