Nach Abhöraktion gegen Letzte Generation: Beschwerden in Karlsruhe eingegangen

Mehr als 170 Telefonate mit Journalisten wurden von Ermittlern bei der Überwachung eines Pressekontakts der Letzten Generation mitgehört. Nun wird die Aktion zum Fall für das BVerfG. Mehrere Verbände und zwei betroffene Journalisten haben Verfassungsbeschwerde gegen die Mitschnitte eingelegt.

Die von der Abhöraktion betroffenen Journalisten Jörg Poppendieck (rbb) und Jan Heidtmann (SZ) treten, unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Reporter ohne Grenzen (RSF), den Gang nach Karlsruhe an. Gleiches tut der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) mit einem seiner Mitglieder, vertreten von der Kanzlei Jun. Ein Sprecher des Gerichts bestätigte den Eingang von zunächst zwei Verfassungsbeschwerden.

Die Ermittlungen gegen Mitglieder der Letzten Generation laufen unterdessen weiter. Die Generalstaatsanwaltschaft München hatte das Pressetelefon der Letzten Generation von Oktober 2022 bis April 2023 heimlich überwacht. Anlass waren die Ermittlungen gegen mehrere Aktivisten wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB. Dieser Straftatbestand steht in der Kritik, viel zu vage formuliert zu sein und vor allem als "Türöffner" für sehr weitreichende, invasive Eingriffe genutzt zu werden.

Auch auf die Maßnahmen gegen die Letzte Generation treffe diese Kritik zu, so die GFF in einer Mitteilung: Denn die den Aktivistinnen und Aktivisten vorgeworfenen strafbaren Nötigungen im Straßenverkehr rechtfertigten kein monatelanges heimliches Abhören vertraulicher Pressegespräche mit der Gruppe.

AG und LG hatten Abhöraktion für rechtens erklärt

Die Beschwerden sind eine Reaktion auf eine Entscheidung des LG München, das - wie zuvor schon das AG München - die umstrittene Abhöraktion bayerischer Ermittler für rechtmäßig erklärt hatte. Die Abhöraktion der Ermittler habe sich "nicht direkt gegen Medienvertreter gerichtet", so das LG damals. Zudem sei der abgehörte Anschluss, der von der Letzten Generation als Pressekontakt ausgewiesen worden war, nicht nur für Telefonate mit Journalisten genutzt worden.

Dieses Argument wiesen Vertreter der Verbände mit dem Hinweis zurück, dass eben nicht nur einzelne Journalisten abgehört worden seien - sondern 171. Auch angesichts dieser hohen Zahl hätten die Ermittler ihr Tun viel früher kritisch hinterfragen müssen, argumentiert die GFF.

Nach Ansicht der drei Organisationen wurde der Pressefreiheit bei den Entscheidungen nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Heidtmann hält die Abhöraktion für völlig überzogen, sie verletze die Pressefreiheit. "Da die Gerichte in München dieses Vorgehen trotzdem legitimiert haben, bleibt uns nur der Weg vors Bundesverfassungsgericht".

Grundrechtliche Abwägungen bereits bei der Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen

Die Verfassungsbeschwerde von RSF und der GFF zielt darauf ab, die grundrechtlichen Grenzen für das Abhören von Pressetelefonen durch das Bundesverfassungsgericht klären zu lassen und Rechtssicherheit für Journalistinnen und Journalisten zu schaffen. Es geht den Beschwerdeführern außerdem um die Frage, ob Ermittlungsrichter grundrechtliche Abwägungen bereits bei der Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen ausdrücklich in den Beschluss aufnehmen müssen oder ob sie die Gründe erst nachträglich nennen können.

Die Verfassungsbeschwerde von GFF und RSF kritisiert, dass das AG München in der Überwachungsanordnung keinerlei grundrechtliche Abwägung festgehalten und die Pressefreiheit mit keinem Wort erwähnt hatte, obwohl absehbar gewesen sei, dass auf dem abgehörten Anschluss eine Vielzahl von Journalisten anrufen würde. "Ermittlungsrichter müssen die betroffenen Grundrechte direkt bei ihren Entscheidungen berücksichtigen und das Abwägungsergebnis sofort dokumentieren", schreiben die Verbände.

Redaktion beck-aktuell, gk, 11. September 2024 (ergänzt durch Material der dpa).