Vertrauen endgültig verloren: Justizbeamter wegen Nazi-Chats aus Dienst entfernt
© Adobe Stock / Sara Michilin

Eine Menge volksverhetzender, menschenverachtender und zum Teil "unsäglicher" WhatsApp-Nachrichten reichten aus, um einen Justizbeamten endgültig aus dem Dienst zu nehmen. Ob guter Mensch oder nicht – dem OVG Münster kam es bei diesem Disziplinarverfahren nicht auf die Gesinnung an.

Über 100 menschenfeindliche und teils NS-verherrlichende Nachrichten in einem WhatsApp-Chat genügen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in Staatsbedienstete zu erschüttern und eine Dienstenthebung zu rechtfertigen, meint das OVG Münster (Urteil vom 25.06.2025 – 31 A 1775/23.O). Anders gesehen hatte dies in einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung noch der VGH München, der in seiner Auslegung des § 33 BeamtStG eine zweifelsfreie verfassungsfeindliche Gesinnung gefordert und einen Polizeibeamten nach zahlreichen rechtsextremen Ausfällen nur um einen Dienstgrad zurückgestuft hatte. Eine solche sei gerade nicht unbedingt erforderlich, so das nordrhein-westfälische Obergericht – es genüge schon der böse Schein.

Der Justizbeamte, um den es im hiesigen Fall ging, war ausgebildeter Industriekeramiker, wurde dann Justizaushelfer und schließlich Beamter auf Lebenszeit – diese erfolgreiche Karriere wurde nun aufgrund digitaler Fehltritte beendet. Ein anonymer Tippgeber hatte Screenshots an die Vorgesetzten des Mannes geschickt, die Strafermittlungen nach sich zogen. Auf dem beschlagnahmten Mobiltelefon wurde ein WhatsApp-Gruppenchat mit 14 anderen Justizbeamtinnen und -beamten aus Nordrhein-Westfalen sowie 32 Einzelchats gefunden, in denen der Beamte über 100 "ausländerfeindliche, rassistische, menschenverachtende, rechtsextreme" und NS-verherrlichende Beiträge geteilt hatte, wie das OVG feststellte. Darunter Bilder, Videos und "Ketten-SMS". 

Bilder mit dunkelhäutigen Menschen als Reittiere

Das Amtsgericht verurteilte ihn wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB) in 22 Fällen zu einer Geldstrafe von insgesamt 8.000 Euro. Unter den zahlreichen Beiträgen war etwa ein Bild, auf dem ein Fahrradfahrer mit einer Pistole auf ein fliehendes Kind mit dunkler Hautfarbe zielte – mit der Überschrift: "wenn beim grillen die Kohle abhaut". Auf anderen Bildern wurden dunkelhäutige Menschen beispielsweise als Reittiere, mit Landminen im Mund oder ertrinkend über einer Yacht dargestellt. Neben den ausländerfeindlichen Beiträgen fanden sich auch antisemitische Witze und NS-verherrlichende Beiträge wie Darstellungen eines Skeletts in SS-Uniform ("Ich scheiß auf deinen Allah, du dreckiger Parasit"), oder von Adolf Hitler als denjenigen, der die "Einwanderung in den Griff bekommt" – gespickt mit Hakenkreuzen oder verherrlichenden Konterfeis. Neben dem Strafverfahren wurde zwischenzeitlich auch ein Disziplinarverfahren angestrengt, um den Beamten aus dem Dienst zu entfernen. Das VG Düsseldorf gab dem statt und der Beamte wurde des Amtes enthoben, wogegen er sich nun vor dem OVG Münster wehrte.

Er gab an, die Beiträge zu bereuen, betonte aber, dass diese nicht indikativ für seinen Charakter seien. Sie seien gedankenlos und unanständig gewesen, das Gericht habe aber seine persönlichen Hintergründe in keiner Weise ausreichend gewürdigt, insbesondere besitze er keine verfassungsfeindliche Gesinnung. Von den 610 Posts der Gruppe habe er schließlich "nur" ca. 43 mit strafrechtlich relevantem Inhalt versendet und diese außerdem immer "im Block" mit anderen humoristischen und vor allem pornographischen Inhalten geteilt. Die rassistischen und ausländerfeindlichen Inhalte seien dabei nicht besonders akzentuiert worden. Er habe mit den Beiträgen zwar seiner Frustration über die Einwanderungspolitik der "Flüchtlingskrise 2015" Luft machen wollen, seiner Ansicht nach sei das Vertrauen in seine Person aber nicht zerstört. Das OVG Münster sah das nun anders.

Oberste Beamtenpflichten verletzt

Der 31. Senat betonte, dass die Pflicht der Verfassungstreue der Beamtinnen und Beamten aus § 33 BeamtStG zweierlei beinhalte: Einerseits ein Bekennen zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und andererseits ein Eintreten für deren Erhaltung. Zwar genüge eine bloße verfassungsfeindliche Gesinnung in der Tat noch nicht für einen Verstoß (so auch das BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 – 2 C 25.17). Wenn aber tatsächlich verfassungsfeindlich gehandelt worden sei, müsse das dann nicht zusätzlich auf einer solchen Gesinnung beruhen. Im Gegenteil erfordere die Verfassungstreuepflicht von jeder Beamtin bzw. jedem Beamten auch ein aktives Tun. So sei zu erwarten, dass Beamtinnen und Beamte Veranstaltungen aus Protest verließen, in denen Angriffe auf die Grundwerte der Verfassung erfolgten. Unter Umständen müssten sie auch Worte zur Verteidigung Diskriminierter ergreifen.

Daher dürften innerlich verfassungstreue Beamtinnen und Beamte auch nicht etwa aus Freundschaft, Übermut oder Provokationsabsicht nach außen hin als verfassungsfeindlich auftreten. Schon wenn ein Beamter oder eine Beamtin nur den Anschein erwecke, nicht mehr hinter den Werten des Grundgesetzes zu stehen, sich für sie einzusetzen und sich von verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu distanzieren, liege darin ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht, so das OVG. Die inneren Motive seien daher im Ergebnis nicht von Belang, auch nicht ein etwaiger "Überbietungswettbewerb" schlechten Geschmacks, wie ihn der VGH München noch berücksichtigt hatte.

"Böser Schein" genügt

Eben jenen "bösen Schein" habe der Beamte hier erweckt. Die Beiträge seien mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und der freiheitlich demokratischen Grundordnung unvereinbar gewesen, hätten das NS-Unrechtsregime bagatellisiert und bestimmten Bevölkerungsgruppen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit abgesprochen, stellte das OVG klar. Gerade in Anbetracht der Menge an Beiträgen liege es auf der Hand, dass sich der Beamte nicht ausreichend von den dargestellten Bestrebungen distanziert habe. Der verstörende Inhalt springe dermaßen ins Auge, dass sich der Beamte auch als "notorischer Vielschicker" nicht damit entlasten könne, die Posts zeitgleich mit humoristischen oder pornographischen Inhalten geteilt zu haben. 

Das Gericht untermauerte diese Einordnung mit der Eigendynamik solcher Gruppenchats: Eine aktive Teilnahme an diesem digitalen, kontextlosen Meinungsaustausch vermittele ein stilles Einverständnis mit den verschickten Inhalten – wie etwa auch bei der wortlosen Weiterleitung von Urlaubsbildern. Versende jemand Inhalte ohne Kontext, gehe er grundsätzlich davon aus, auf Interesse oder Zustimmung zu stoßen, andernfalls würde man den Kontext aktiv herstellen – etwa indem man frage, wie der Empfänger oder die Empfängerin zu den Inhalten stehe. Hinzu kam für das Gericht, dass der Mann ein Jahr lang im fraglichen Gruppenchat aktiv war. In dieser Zeit hätte er protestieren, einzelne Nachrichten löschen oder ganz aus der Gruppe austreten müssen.

Privatsphäre steht nicht entgegen

Die vermeintliche Vertraulichkeit der Chats ändere daran ebenso nichts, so das OVG. Zwar müsse das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bzw. disziplinarischen Ahndung durchaus zurücktreten, wenn Beleidigungen ohne echten Kundgabewillen nur im engsten Familien- oder Freundeskreis fielen (so BVerfG, Beschluss vom 17.03.2021 – 2 BvR 194/20). Der Beamte habe den anderen Mitgliedern der Gruppe allerdings nicht derartig nahegestanden. Im Gegenteil seien ihm nur drei andere Mitglieder persönlich bekannt gewesen. Auch im Bezug auf die Einzelchats habe er nicht mit einer Vertraulichkeit der Beiträge rechnen können. Die Verbreitung sei gerade auf eine größere, nicht mehr kontrollierbare Zahl von Personen angelegt gewesen. 

Vor diesem Hintergrund hielt auch das OVG Münster das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit für endgültig verloren, was nach dem Landesdisziplinargesetz eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis rechtfertige. Die Revision wurde nicht zugelassen.

OVG Münster, Urteil vom 25.06.2025 - 31 A 1775/23.O

Redaktion beck-aktuell, tbh, 15. Juli 2025.

Mehr zum Thema