Berufung von EY in Wirecard-Skandal weitgehend erfolglos

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young muss dem Wirecard-Insolenzverwalter Auskunft über Unterlagen sowie Einsicht in ihre Handakten gewähren, sofern sie Jahres- und Konzernabschlüsse von 2014 bis 2019 betreffen. Dies hat das OLG Stuttgart entschieden. Es wies damit eine Berufung von EY überwiegend zurück.

Der frühere Wirtschaftsprüfer von Wirecard hatte vor einem Jahr vor dem LG Stuttgart eine Niederlage kassiert und daraufhin das Urteil angefochten. Das OLG Stuttgart hat es Ernst & Young (EY) jetzt auch verboten, die entsprechenden Handakten zu vernichten. Nach dem Urteil muss EY "durch die Beantwortung ausformulierter Fragen" des Insolvenzverwalters zudem Auskunft darüber erteilen, warum der Konzernabschluss der Wirecard AG für das Jahr 2016 letztendlich uneingeschränkt bestätigt wurde (OLG Stuttgart, Urteil vom 12.12.2023 – 12 U 216/22).

Das OLG hebt hervor, dass Wirtschaftsprüfer nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch im Interesse der geprüften Gesellschaften tätig werden. Sie seien damit grundsätzlich im selben Umfang in Bezug auf ihre Handakten auskunfts- und herausgabepflichtig wie Rechtsanwälte und Steuerberater.

Noch Klärungsbedarf: Revision zugelassen

Erfolg hatte die Berufung von EY insoweit, als das OLG Stuttgart die vom LG ausgeurteilten Auskunfts- und Einsichtspflichten eingeschränkt hat. So seien etwa interne Arbeitspapiere, Aufzeichnungen über persönliche Eindrücke des Beraters, Sammlungen vertraulicher Hintergrundinformationen, Briefwechsel zwischen EY und den Insolvenzschuldnerinnen, Notizen über Gespräche mit den Mandanten und Schriftstücke, die ein Mandant bereits in Urschrift oder Abschrift besitzt, von den Auskunfts- und Einsichtspflichten ausgenommen.

Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen. Bislang sei höchstrichterlich nicht geklärt, inwieweit Wirtschaftsprüfer gegenüber ihren Auftraggebern auskunftspflichtig sind und ob von ihnen noch nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist verlangt werden kann, dass sie ihre Akten nicht vernichten.

Wirecard war im Sommer 2020 zusammengebrochen, nachdem der Vorstand eingeräumt hatte, dass 1,9 Milliarden angeblich auf Treuhandkonten verbuchte Euro nicht auffindbar waren. EY hatte die mutmaßlich gefälschten Bilanzen des früheren Dax-Konzerns über Jahre testiert.

OLG Stuttgart -

Redaktion beck-aktuell, gk, 13. Dezember 2023 (ergänzt durch Material der dpa).