Obwohl Zeugen wie Kohls Sohn Walter in dem vorangegangenen Gerichtsverfahren bestätigt hatten, dass Kohl mit Schwan keine schriftliche Vertraulichkeitsvereinbarung getroffen hatte, geht das Gericht doch davon aus, dass Vertraulichkeit hier als vertragliche Nebenpflicht impliziert war.
Der Journalist und Historiker Schwan hatte Anfang der 2000er Jahre als Ghostwriter gemeinsam mit Kohl dessen Memoiren verfasst. Schwan nahm dafür lange Schilderungen Kohls aus seinem politischen Leben auf Kassette auf. Vor dem Verfassen des letzten Bandes der Erinnerungen, der Kohls Abwahl und die CDU-Spendenaffäre behandeln sollte, zerstritten sich die beiden jedoch. Daraufhin veröffentlichte Schwan ohne Absprache mit Kohl das Buch "Vermächtnis Die Kohl-Protokolle", in dem er nicht autorisierte Aussagen des Altkanzlers veröffentlichte, insbesondere drastische Werturteile über andere Politiker. Kohl verklagte Schwan daraufhin. Er argumentierte, dass die von Schwan publik gemachten Kommentare niemals für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien. Seit seinem Tod 2017 wird das Verfahren von seiner Witwe Maike Kohl-Richter weitergeführt.
Das OLG stellte nun fest, dass die vertragliche Verschwiegenheitspflicht sich inhaltlich nicht nur auf die Wiedergabe etwaiger Äußerungen Kohls in Form einer wörtlichen oder sinngemäßen Wiedergabe von Zitaten bezieht. Vielmehr umfasse sie auch alle anderen Informationen und Umstände aus der gesamten Memoirenarbeit sowie alle hieran anknüpfenden Wertungen Schwans, welche einen Rückschluss auf Äußerungen des Erblassers oder sonstige Vorkommnisse während der Arbeiten an den Memoiren zuließen. Eine Ausnahme gelte nur für die Wiedergabe öffentlich vorbekannter Tatsachen und Umstände.
Schwan hält Zitatverbote für "unfassbar"
Nach umfassender Prüfung hat der Senat für die von ihm als unzulässig erkannten Passagen des Buchs das Verbot der Veröffentlichung und Verbreitung ausgesprochen. Es traf aber nicht alle in der Klage benannten Passagen, einige ließen die Richterinnen und Richter auch unbeanstandet. Die Voraussetzungen für ein Gesamtverbot des Buches sah der Senat nicht als gegeben an.
Schließlich bejahte das OLG einen Auskunftsanspruch zur Vorbereitung eines der Witwe Maike Kohl-Richter zustehenden unstreitig vererblichen deliktischen Schadensersatzanspruchs wegen eines Eingriffs (auch) in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Kohls. Einen Anspruch auf Auskehr des mit dem Buchverkauf erzielten Gewinns verneinte es wie schon die Vorinstanz.
Schwan zeigte sich am Dienstag von der Entscheidung enttäuscht. "Wenn man mir eine Verschwiegenheit angetragen hätte, wäre ich weggelaufen", sagte er gegenüber der Presse. Vom journalistischen Standpunkt aus betrachtet sei es "unfassbar", dass nun sogar Zitate verboten worden seien, die gar keine Aussagen Helmut Kohls beträfen, sondern Bewertungen von ihm, Schwan. Dabei geht es unter anderem um Schilderungen, wie die Gespräche abliefen und warum es aus Schwans Sicht zum Bruch kam. Schwan macht dafür Maike Kohl-Richter verantwortlich.