Trotz Klage in eigener Sache: 71-jähriger Notar darf als Notarvertreter tätig sein
Dietrich Hülsemann während der Verhandlung am BVerfG am 25.03.2025 / © dpa | Uwe Anspach

Dietrich Hülsemann kämpft derzeit vor dem BVerfG gegen sein Ausscheiden aus dem Notaramt aufgrund der Altersgrenze. Trotzdem darf er weiterhin Vertretungen übernehmen, sagt nun das OLG Köln. Sein Auftritt im eigenen Verfahren ändere nichts an seiner persönlichen Eignung. Über das Urteil berichtet Martin W. Huff.

Der Rechtsanwalt und ehemalige Notar Dietrich Hülsemann aus Dinslaken kämpft derzeit intensiv für die Abschaffung der Altersgrenze für Notare von 70 Jahren. Hülsemann war über 30 Jahre lang Anwaltsnotar und musste 2023 seine Notartätigkeit beenden. Gegen die Altersgrenze kämpft er durchaus verbissen, weil er deren Notwendigkeit, insbesondere begründet mit der Nachwuchsförderung, nicht einsieht. Eine Entscheidung des BVerfG in dieser Sache steht noch aus, doch im März hatte der 1. Senat mehrere Stunden lang mündlich über seine Verfassungsbeschwerde verhandelt. Das zeigt, dass das BVerfG sein Anliegen ernst nimmt.

Der Kampf um die Altersgrenze wird dabei auch an vermeintlichen Nebenkriegsschauplätzen mit harten Bandagen geführt: In einem sehr deutlichen Urteil, das beck-aktuell vorliegt, hat nun der Notarsenat des OLG Köln das LG Duisburg dazu verpflichtet, Hülsemann weiterhin zu gestatten, als Notarvertreter für seine Nichte tätig zu sein (Urteil vom 27.5.2025 – 36 Not 7/24). Er sei für diese Tätigkeit nicht persönlich ungeeignet, nur weil die Art und Weise, wie er sein eigenes Verfahren führe, dem Gericht nicht zusagt.

Keine Altersgrenze für Vertretungen

Auch ein Notar braucht immer einmal einen Vertreter. Dafür gibt es in § 39 BNotO eine ausdrückliche Regelung. Danach kann zum Vertreter bestellt werden, wer gemäß § 5 BNotO persönlich und fachlich geeignet ist. Und dem Vorschlag des Notars soll in der Regel gefolgt werden. In der Praxis bereitet dies normalerweise keine Probleme, es ist durchaus auch üblich, dass ehemalige Notare, die die Altersgrenze von 70 Jahren überschritten haben, noch als Notarvertreter tätig sind. Für diese Tätigkeit gilt die Altersgrenze nach einem Urteil des Notarsenats nämlich nicht.

So war es auch im Fall der Nichte Hülsemanns: Ebenfalls Anwaltsnotarin und seit 2022 mit Hülsemann in einer Sozietät tätig, wollte sie ihren Onkel zu ihrem Notarvertreter bestellen lassen. Ende 2023 war sie Mutter geworden und wollte sich der Erziehung ihrer Tochter widmen – nach den einschlägigen Vorschriften ein ausdrücklicher Grund für eine Vertreterbestellung.

OLG: "Keine Zweifel" an persönlicher Eignung

Doch das zuständige LG Duisburg lehnte dies ab. Hülsemann sei aufgrund von Vorgängen rund um die Verfahren zur Altersgrenze nicht mehr persönlich geeignet, Notarvertreter zu werden. Dabei argumentierte das Gericht mit dem Verhalten des Notars a.D. im Rahmen seines eigenen Verfahrens: Er habe dort Aussagen getätigt und Anträge gestellt, die streitig oder abwegig seien.

Dagegen erwirkte die Nichte zunächst eine einstweilige Anordnung vor dem Notarsenat in Köln. Das OLG sah keinen Grund für eine Unzuverlässigkeit und verpflichtete das LG Duisburg zur Vertreterbestellung. Jetzt hat der Notarsenat des OLG Köln in der Hauptsache entschieden und festgestellt, dass Hülsemann für die im Gesetz vorgesehene Dauer von einem Jahr als Vertreter zu bestellen ist.

Der Senat in Köln findet mehr als deutliche Worte zur Eignung von Hülsemann als Notarvertreter gemäß § 5 BNotO: "An der grundsätzlichen persönlichen Eignung … können keine Zweifel bestehen. Er hat über drei Jahrzehnte ein umfangreiches Notariat geführt, ohne je disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten zu sein. Ebenso beanstandungsfrei hat er bald über zwei Jahre das Amt des ständigen Notarvertreters ausgeübt", schreibt der Senat. Und weiter: "Er hat über Jahrzehnte das Vertrauen der Rechtssuchenden in die Rechtspflegeorgane und die unbedingte Integrität von Amtspersonen bei der Ausübung der notariellen Amtsgeschäfte durchgängig erfüllt". Viel klarer kann man es nicht formulieren.

Harsche Worte im Gericht ändern nichts an der Eignung

Selbst wenn im Verfahren um die Altersgrenze manche deutliche Aussagen getätigt worden sein sollten, was der Senat auch als durchaus streitig ansieht, ändere dies nichts an der Wertung. Denn das Recht der Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Gehör erfordert es, dass Parteien in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten. Das gelte auch, wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt werde, betont der Senat.

So habe Hülsemann sehr wohl Befangenheitsanträge stellen dürfen. Dafür, dass diese abwegig gewesen seien, gebe es keine Anhaltspunkte. Auch, dass er angeprangert habe, er sei als Besucher der Verhandlung vor dem Notarsenat anders behandelt worden als andere Besucher, habe er vortragen dürfen. Allein, dass manchen Aussagen streitig seien, mache den Notar a.D. nicht persönlich ungeeignet.

Persönliche Motive der Notarkammern?

Daher habe seine Nichte einen Anspruch darauf, dass ihr Onkel für ein Jahr zu ihrem Vertreter bestellt wird, wie in § 39 BNotO vorgesehen. Da bei der Kinderbetreuung eine Vertretungszeit von drei Jahren üblich ist, dürfte sie wohl auch einen Anspruch darauf haben, dass es nach dem Jahr mit der Vertreterbestellung weitergehen kann.

Aus dem Urteil der Kölner Richter, die ausdrücklich die Berufung zum BGH nicht zugelassen haben, ist herauszulesen, dass hier auf Seiten der Gerichte und der Notarkammern persönliche Motive im Vordergrund standen, die Vertreterbestellung abzulehnen.

Es ist gut, dass das OLG Köln dem entgegengetreten ist. Denn den Kampf um das Recht darf auch ein Notar a.D. in eigenen Angelegenheiten führen, dadurch wird er nicht ungeeignet. Es ist zu hoffen, dass Gericht und Notarkammer jetzt das Urteil akzeptieren. Die Frage der Altersgrenze wird vom BVerfG entschieden – auf Nebenkriegsschauplätze kann verzichtet werden.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in Singen (Hohentwiel) und ehemaliger Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Er veröffentlicht regelmäßig Fachbeiträge u.a. zu berufsrechtlichen Themen.

OLG Köln, Urteil vom 27.05.2025 - 36 Not 7/24

Martin W. Huff, 12. Juni 2025.

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