Eine Statue vor einer Mauer, mit gefalteten Händen im Halbschatten fotografiert. Ein Blick aufs Meer, der genau die Weite und den Wind suggeriert, der der durchschnittlichen Bürojobberin unweigerlich einen leisen Seufzer entlocken könnte, wenn sie ihn wahrnähme, während sie sich auf die davorstehenden Massageliegen bettet. Die beiden Fotografien im Hintergrund der abgebildeten Wellness-Räume, mit denen die beklagte Hotelière ihr Hotel und ihr Wellness-Angebot im Internet bewarb, sind klar als Fototapete zu erkennen. Aufgeklebt an jeweils einer Wand der gepflegten SPA-Räumlichkeiten, die mit Massageliegen bei indirektem Licht, hinter Kerzen und vor beruhigend weißen Wänden dazu einladen, sich verwöhnen zu lassen, sind sie nicht mehr als ein kleiner Teil des ansprechenden Arrangements, das potenzielle Kundinnen und Kunden zur Buchung animieren sollte.
Und doch waren Fototapeten wie diese der Grund für mehrere Abmahnungen eines Unternehmens mit Sitz in Richmond, Kanada, dessen CEO ein deutscher Fotograf ist, vor allem an Hotelbetreiberinnen und -betreiber in Deutschland, die ihre Hotels mit schönen Bildern aus ihren Räumen im Internet bewarben.
Publik waren die Abmahnungen in urheberrechtlichen Kreisen vor allem durch ein Urteil des LG Köln geworden, das Anfang 2023 die Runde machte: Die Anbieterin einer Ferienwohnung, die u.a. das Schlafzimmer im Netz abbildete, in dem eine Fototapete verklebt war, habe die Fotos unberechtigt vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht, so das LG Köln, das sich auf die berühmte BGH-Leitentscheidung Möbelkatalog bezog und in der Tapete auch kein "unwesentliches Beiwerk" im Sinne von § 57 UrhG sehen wollte. Schon im Oktober 2022 sah das OLG Stuttgart das anders. Nun verneint auch das OLG Düsseldorf die Haftung einer Hotelbetreibenden mit bestechend lebensnaher Argumentation. Die beklagte Hotelière dürfe die Innenaufnahmen aus ihrem Hotel auf ihrer Webseite und in Hotelbuchungsportalen nutzen, entschied der 20. Senat.
Tapeten-Kauf umfasst ein Recht auf Fotos
Die beklagte Hotelbetreiberin habe mit den Werbebildern zwar die als Lichtbild geschützten Fotografien vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht, damit aber weder Urheberrechte des Unternehmens des Fotografen noch dessen Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt, urteilt das OLG Düsseldorf (Urteil vom 08.02.2024 – 20 U 56/23). Letzteres scheide schon aus, weil der Fotograf auf die Nennung als Urheber stillschweigend verzichtet habe: Die Tapeten sei ohne Urheberbezeichnung auf den Markt gekommen.
Das OLG Düsseldorf stellt auch nicht darauf ab, ob die Fototapeten als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG mit abgebildet werden durften. Die Hotelière habe vielmehr mit dem Kauf der Fototapete konkludent auch das einfache Nutzungsrecht erworben, den Raum mit der an der Wand angebrachten Fototapete zu fotografieren und die Bilder im Internet zu veröffentlichen. Es sei heutzutage gewerblich wie auch privat üblich, von Räumen Fotos zu machen - auch wenn diese Fototapeten enthalten. "Bei lebensnaher Betrachtung kann von dem Erwerber einer Fototapete im Rahmen einer vertragsgemäßen Nutzung nicht erwartet werden sicherzustellen, dass keine Lichtbilder in dem mit der Fototapete ausgestatteten Raum gefertigt werden oder die Fototapete abgedeckt oder auf den gefertigten Lichtbildern nachträglich retuschiert wird", heißt es im Urteil wörtlich.
Hätte der Erwerber um diese gravierende Einschränkung gewusst, hätte er die Fototapete niemals gekauft, argumentiert der Senat. "Die Fototapeten wären schlicht unverkäuflich", und daran hätte wohl auch der Fotograf kaum ein wirtschaftliches Interesse. Eine Vertragsauslegung, die faktisch zu einer Unverkäuflichkeit der Fototapeten führt, widerspräche den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen.
"Vorgehen im Digitalzeitalter üblich"
Schließlich sei das klagende kanadische Unternehmen auch nach Treu und Glauben daran gehindert, die Ansprüche geltend zu machen. Wer Bilder für die Herstellung und den Vertrieb von Fototapeten nutze und diese in Verkehr bringe, schaffe einen Vertrauenstatbestand bei den Käuferinnen und Käufern. Die dürften vernünftigerweise davon ausgehen, dass sie die Tapeten nicht nur anbringen, sondern auch Bilder von den Räumlichkeiten machen und veröffentlichen dürfen, "weil dieses Vorgehen im Digitalzeitalter üblich ist", so das OLG Düsseldorf.
Wer das verhindern wolle, müsste eben einen Hinweis auf eine eingeschränkte Nutzung aufnehmen oder eine gesonderte Lizenz vereinbaren. Da beides nicht geschehen war, setze das klagende Unternehmen sich zu diesem geschaffenen Vertrauenstatbestand mit der späteren Abmahnung und Geltendmachung von Ansprüchen in Widerspruch (venire contra factum proprium).
Mit der der Treu-und-Glauben-Argumentation schließt das OLG Düsseldorf sich dem zitierten Urteil aus Stuttgart an. Die Richterinnen und Richter haben die Revision gegen ihr Urteil zugelassen.