Nachdem im Juni 2020 bei einer Reihentestung mehr als 100 der 668 Bewohnerinnen und Bewohner in einem Wohnkomplex in Göttingen positiv auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet worden waren, hatte die Stadt per Absonderungsverfügung den Bewohnern untersagt, ihre Wohnung zu verlassen. Zur Durchsetzung der Maßnahme wurde das Gebäude zeitweise mit einem Bauzaun umstellt und durch die Polizei abgeriegelt. Im Dezember 2023 entschied das VG Göttingen, dass die Abriegelung des Wohnkomplexes rechtswidrig war. Grund genug für einige Bewohner, die Stadt auf Schmerzensgeld zu verklagen. Sie begründeten dies damit, dass sie aufgrund der rechtswidrigen Maßnahme in ihrer Fortbewegungsfreiheit beschränkt worden seien, Hunger und Schmerzen erlitten und sich wegen der Absperrung des Gebäudes gedemütigt und stigmatisiert gefühlt hätten.
Das LG Göttingen zeigte sich davon wenig überzeugt und lehnte - wegen fehlender Erfolgsaussichten - im Februar 2024 in 40 Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Die Klägerinnen und Kläger ließen nicht locker und legten Beschwerde zum OLG Braunschweig ein – ohne Erfolg.
Beeinträchtigungen nicht genügend dargelegt
Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig bestätigte die Vorinstanz und begründete dies damit, dass den Bewohnerinnen und Bewohnern weder aufgrund der Absonderungsverfügung noch aufgrund der Absperrung des Gebäudes ein Anspruch auf Schmerzensgeld zustehe. Die Stadt habe die Absonderungsverfügung aus damaliger Sicht rechtmäßig zum Schutz der Bevölkerung erlassen, um eine befürchtete exponentielle Ausbreitung des Virus in dem Gebäude zu verhindern. Die individuellen Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner hätte daher hinter dem Schutz der Bevölkerung für Leib und Leben zurücktreten müssen, so das OLG.
Das Gericht betonte zudem, dass die Absperrung des Wohnkomplexes, selbst wenn dies rechtswidrig erfolgt wäre, nicht zwangsläufig zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld führe. Denn die Bewohner hatten ihre konkret erlittenen Beeinträchtigungen oder Schäden nicht genügend dargelegt - weder in dem Verfahren vor dem Landgericht noch im Beschwerdeverfahren.
Insbesondere fehlte dem OLG ein Vortrag der Betroffenen dazu, inwieweit sie durch die Absperrung weitergehend beeinträchtigt worden seien und welche gesundheitlichen oder psychischen Beeinträchtigungen sie durch das Vorgehen der Stadt im jeweiligen konkreten Einzelfall erlitten hätten. Auch wies das OLG darauf hin, dass die Bewohner schon wegen der Absonderungsverfügung der Stadt den Wohnkomplex nicht hätten verlassen dürfen.