Cum-Ex-Prozess: Olearius-Anwälte fordern Freispruch
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© Thomas Banneyer/dpa

Im Cum-Ex-Prozess gegen den Hamburger Bankier Christian Olearius haben die Verteidiger den Vorwurf der besonders schweren Steuerhinterziehung zurückgewiesen. Insbesondere die Annahme der Staatsanwaltschaft, Olearius habe eine kriminelle Bande gebildet, sei ohne Realitätsbezug und absurd.

Der Prozess hatte Anfang der Woche mit der Verlesung der Anklageschrift begonnen, gestern bezogen die Verteidiger Rolf Hübner, Klaus Landry und Peter Gauweiler Stellung. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 81-Jährigen 14 Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung vor, von denen es in zwei Fällen beim Versuch geblieben sei. Die Taten sollen sich im Kern auf den Zeitraum 2006 bis 2011 beziehen - also auf die Hochphase der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte.

Laut Anklage betrug der Steuerschaden knapp 280 Millionen Euro. Es ist das erste Mal, dass sich ein Vertreter der obersten Chefetage eines Bankhauses in dem größten Steuerskandal der Bundesrepublik vor Gericht verantworten muss. Olearius ist persönlich haftender Gesellschafter der Privatbank M.M. Warburg, früher war er ihr Chef. 

In der Argumentation der Verteidigung spielt Unwissenheit eine wichtige Rolle. Olearius habe von dem Einsatz von Leerverkäufen nichts gewusst und er hätte deren Einsatz auch nicht gebilligt, sagte Anwalt Landry. Leerverkäufe sind ein zentrales Element der Cum-Ex-Geschäfte, bei denen gar nicht gezahlte Kapitalertragssteuern (KESt) erstattet wurden und der Staat dadurch um einen zweistelligen Milliardenbetrag geprellt wurde. "Er hat und hätte niemals die Anrechnung oder gar Erstattung von KESt beantragt, die zuvor nicht einbehalten und abgeführt worden war", sagte Landry. 

Verteidiger monieren irreparable Vorverurteilung 

Der Verteidiger monierte zudem, dass es bei seinem Mandanten in der Öffentlichkeit zu einer irreparablen Vorverurteilung gekommen sei. Dass Olearius in einem Bonner Gerichtsurteil gegen zwei britische Aktienhändler im Jahr 2020 und dessen Bestätigung durch den Bundesgerichtshof 2021 als gesondert Verfolgter genannt worden sei, sei eine gerichtliche Vorverurteilung gewesen. Der frühere CSU-Bundespolitiker und Rechtsanwalt Peter Gauweiler bezog sich auf Tagebucheinträge von Olearius aus den Jahren 2005 bis 2011, die alles in allem "evident entlastend" seien. Olearius habe darin notiert, dass die rechtliche Zulässigkeit der Geschäfte sorgfältig geprüft werden müsse. Außerdem habe er seine Rechtstreue betont. 

In späteren Tagebüchern hat der Bankier eingetragen, dass er sich 2016 und 2017 insgesamt drei Mal mit dem damaligen Hamburger Rathauschef und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hat. Dabei versuchte er zu verhindern, dass seine Bank viel Geld an den Fiskus zurückzahlen muss - dies wertet die Staatsanwaltschaft in dem Bonner Verfahren als versuchte Steuerhinterziehung, weil falsche Angaben gemacht worden seien.

Scholz hat eine politische Einflussnahme ausgeschlossen, aber Erinnerungslücken über den genauen Inhalt der Treffen geltend gemacht. Am kommenden Montag geht der Bonner Strafprozess weiter, dann will der vierte Verteidiger auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft eingehen. Am 16.10.2023 will sich Olearius selbst äußern. Insgesamt sind bisher 28 Verhandlungstage bis März 2024 geplant.

Redaktion beck-aktuell, ak, 21. September 2023 (dpa).