Elektronische Präsenzbeurkundung: Was steht im Gesetzentwurf?
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Der Gesetzgeber legt bei der Digitalisierung für Notarinnen und Notare nach. Nach der Online-Beurkundung soll nun die elektronische Präsenzbeurkundung kommen. Der Entwurf soll am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten werden. 

Kernstück des Gesetzentwurfs "zur Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung" (BT-Drs. 20/11849) ist die Möglichkeit für Notarinnen und Notare, in Zukunft auch bei Präsenzterminen ein elektronisches Dokument zu erstellen, zu beurkunden und digital zu signieren. Bisher ist das nur im Rahmen einer Online-Beurkundung möglich, die der Gesetzgeber im August 2022 eingeführt hat (§ 16b BeurkG). Nun sollen Änderungen vor allem im Beurkundungsgesetz die Digitalisierungslücke schließen.

"Die Beurkundung findet weiter in Präsenz statt, nur wird dabei die Urkunde direkt digital erstellt und mithilfe eines Signierpads oder der qualifizierten elektronischen Signatur unterschrieben", erklärt Dr. Patrick Meier. Er ist Notar in Bischofsheim i.d. Rhön und Privatdozent an der Uni Würzburg. "So wird eine originär elektronische Urkunde erzeugt." Das sorge für Erleichterungen im weiteren Bearbeitungsprozess, denn bisher ist das Verfahren eher umständlich:

Gemäß § 8 BeurkG in der aktuellen Fassung muss jede zu beurkundende Willenserklärung in Papierform abgefasst werden. Dasselbe gilt für die Abnahme von Eiden und die Aufnahme eidesstattlicher Versicherungen. Die Weiterverarbeitung der Urkunde erfolgt dann aber elektronisch. Gerichte haben – spätestens ab 2026 – eine elektronische Aktenführung und Notarinnen und Notare müssen Urkunden seit 2022 im elektronischen Urkundenarchiv aufbewahren. "Das heißt, bisher musste man die Papier-Urkunde zur weiteren Verarbeitung einscannen – mit allen Risiken für Verlust, die damit einhergehen", sagt Meier. "Dieser Medienbruch – oder eigentlich doppelte Medienbruch – soll zukünftig vermieden werden."

Nicht nur Notarinnen und Notare sollen profitieren

Präsenztermine beim Notar oder der Notarin seien weiterhin der Normalfall, betont Meier, insbesondere für Privatpersonen, da so die Beratung und Identifizierung optimal sichergestellt werden könne. Anwendungsfälle für die digitale Präsenzbeurkundung sieht er besonders im geschäftlichen Bereich. Neben der Gründung einer GmbH oder UG – die inzwischen auch online vollzogen werden kann – biete sich etwa auch eine Geschäftsanteilabtretung an. "Es kann aber auch mal ein Grundstückskauf im geschäftlichen Verkehr sein", sagt Meier. "Gerade bei jüngeren Beteiligten, die etwa ihre erste GmbH gründen, ist die elektronische Variante sicher praktisch." In der Geschäftswelt seien heute ohnehin die meisten Abläufe und Dokumente elektronisch. Auf eine Papier-Urkunde lege man dort keinen Wert. "Gerade im privaten Bereich und für ältere Beteiligte, die zum Beispiel eine Überlassung beurkunden lassen wollen, ist es meines Erachtens aber gut, dass auch die analoge Variante bleibt", so Meier.

Laut Begründung im Gesetzentwurf geht die Bundesnotarkammer (BNotK) davon aus, dass in absehbarer Zeit circa 5.300 der 6.658 Notarinnen und Notare die Möglichkeit der elektronischen Präsenzbeurkundung nutzen werden. Es sollen aber auch ausdrücklich andere Beurkundungsstellen profitieren, insbesondere die Nachlassgerichte und die Amtsgerichte bei der Beurkundung bestimmter familiengerichtlicher Erklärungen sowie die Jugendämter. Hier schätzt der Gesetzgeber, das von den bundesweit 559 Jugendämtern circa 80% die Möglichkeit der elektronischen Präsenzbeurkundung nutzen werden.

Das steckt im neuen Gesetz

Der Gesetzentwurf sieht Änderungen insbesondere im Beurkundungsgesetz vor. Daneben werden unter anderem aber auch das BGB, das Gerichts- und Notarkostengesetz sowie die Verordnung über die Führung notarieller Akten und Verzeichnisse angepasst. Ein geänderter § 34 S. 3 BNotO verpflichtet Notarinnen und Notare zudem dazu, unverzüglich die BNotK zu informieren, wenn die Sicherheit etwa des Zentralen Vorsorge- oder Testamentsregisters, des Elektronischen Urkundenarchivs, des besonderen elektronischen Notariatspostfachs oder ähnlicher Stellen gefährdet sein könnte.

Zentral ist aber der neue § 8 Abs. 2 BeurkG. Er legt fest, dass die Niederschrift bei der Beurkundung von Willenserklärungen als elektronisches Dokument aufgenommen werden kann. Eine Erweiterung des § 13 BeurkG regelt die Signatur, die entweder mithilfe eines Hilfsmittels oder durch Anbringen der qualifizierten elektronischen Signatur erfolgen kann. Für den Notar oder die Notarin ist die qualifizierte elektronische Signatur Pflicht. Außerdem werden die technischen Rahmenbedingungen für das Signatursystem geregelt. Durch einen neuen § 31 BeurkG wird die Errichtung eines Testaments von der elektronischen Niederschrift ausgenommen.

Schließlich regelt ein neuer § 40b BeurkG die Beglaubigung einer elektronischen Unterschrift. Sie soll nach dem Willen des Gesetzgebers in Zukunft ermöglicht werden, soweit die Unterschrift in Gegenwart des Notars vollzogen und in einem elektronischen Dokument bildlich wiedergegeben wird.

Keine Verpflichtung für Notarinnen und Notare

Notarinnen und Notare werden nicht verpflichtet, die digitale Präsenzbeurkundung anzubieten. Das stellt der Gesetzentwurf in der Begründung klar. Ein Wahlrecht der Beteiligten hinsichtlich der Errichtung einer elektronischen oder einer papierförmigen Niederschrift bestehe nicht.

"Das ist meines Erachtens auch richtig", betont Meier, "da der Notar die Herrschaft über das Verfahren und auch seine Amtspflichten, insbesondere die vollständige Beratung und Belehrung sicherzustellen hat." Gerade im Umgang mit älteren Beteiligten sei vermutlich das Vertrauen in die Urkunde bei einem Papierdokument höher. "Manche Beteiligte sind froh, wenn alles so läuft, wie es immer war. Denen sollte man nicht noch ein neues Medium zumuten. Der Notar wird aber praktisch regelmäßig die Wünsche und Präferenzen der Beteiligten im Blick haben und bei seiner Wahl für das Verfahren berücksichtigen."

BNotK stellt System zur Verfügung

Die Signatursoftware für die Durchführung der elektronische Präsenzbeurkundung durch die Notarinnen und Notare wird die BNotK entwickeln und betreuen, so regelt es § 78 Nr. 11 BNotO in der neuen Fassung. In einer Pressemitteilung hatte die BNotK den Vorstoß des Bundesjustizministeriums begrüßt. "Durch die Errichtung originär elektronischer Urkunden lassen sich Digitalisierungslücken schließen, Medienbrüche vermeiden und Notarkanzleien, Gerichte sowie weitere Urkundsstellen entlasten", so BNotK-Präsident Jens Bormann in der Mitteilung. Einen Prototyp, mit dem das elektronische Beurkundungsverfahren in Präsenz erprobt wird, habe die BNotK bereits erfolgreich entwickelt.

Notarinnen und Notare werden aber nicht dazu verpflichtet, das von der BNotK entwickelte Signatursoftwaresystem zu nutzen. Sie können auch andere Signatursoftwarelösungen einsetzen, wenn diese die gesetzlichen Vorgaben des neuen § 13b BeurkG erfüllen. Das offizielle System der BNotK wird allerdings aus dem Kammerhaushalt finanziert und damit durch die Kammerabgaben getragen.

Nächster Schritt in Richtung Digitalisierung

Mit dem Gesetz zur digitalen Präsenzbeurkundung geht der Gesetzgeber einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung des Notarwesens. Mit der Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (RL 2019/1151) können bereits seit August 2022 GmbHs und UGs online vor einer Notarin oder einem Notar gegründet werden. Auch Registeranmeldungen im Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister sind online möglich. Ein Jahr später hatte der Gesetzgeber noch einmal nachgelegt und auch die digitale Anmeldung zum Vereinsregister ermöglicht, ebenso wie die Sachgründung und einstimmige Beschlüsse zur Änderung des Gesellschaftsvertrags oder über Kapitalmaßnahmen.

Die ergänzende Einführung der digitalen Präsenzbeurkundung ist davon allerdings weitgehend unabhängig. Zwar sollen beide Neuerungen zur Digitalisierung im Notarwesen beitragen. Im Gegensatz zur Online-Beurkundung setzt der aktuelle Entwurf aber keine EU-Vorgaben um. Vielmehr soll er eine Digitalisierungslücke schließen, die sich insbesondere aus dem mittlerweile weitgehend elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehr ergibt.

Der Gesetzentwurf wird am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag besprochen und soll anschließend an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen werden.

Redaktion beck-aktuell, Denise Dahmen, 27. Juni 2024.