Das Bundessozialgericht hatte am Dienstag über den Versichertenstatus eines Zahnarztes entschieden, der als sogenannter Poolarzt immer wieder Notdienste in einem von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung gestellten Notdienstzentrum übernahm. Das Gericht urteilte, dass der Arzt sozialversichert werden müsse, da er eine "von dritter Seite organisierte Struktur" vorgefunden habe, "in der er sich fremdbestimmt einfügte" .
Die Entscheidung sei wegen der ähnlichen Organisationsstruktur auch auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst übertragbar, hieß es nach dem Urteil von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). Im Südwesten haben demnach bislang rund 3.000 Poolärzte etwa 40% der Bereitschaftshausbesuche und Dienste in Notfallpraxen übernommen. Die KVBW teilte mit, mit "sofortiger Wirkung die Tätigkeit der Poolärztinnen und Poolärzte" zu beenden.
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband warnte davor, dass nun die niedergelassenen Ärzte in mehr Notdienstschichten eingeteilt werden könnten. "Das wäre schlichtweg nicht mehr zu stemmen. Die Folge wäre, dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen frühzeitig die hausärztliche Versorgung verlassen oder ihre Sprechstundenzeiten reduzieren."
Kassenärzte und Patientenschützer sehen Bundesregierung gefragt
Ein Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sagte der "Augsburger Allgemeinen", unabhängig von einer Prüfung des Urteils werde man auf das Bundessozialministerium "zugehen mit der dringenden Bitte, eine gesetzliche Regelung zu erarbeiten, die eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht zum Ziel hat". Nachdem in Baden-Württemberg wegen der Entscheidung Notfallpraxen schließen müssen, bestehe politischer Handlungsbedarf, sagte der Sprecher.
Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, äußerte sich gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland kritisch. "Das Modell des ärztlichen Notdienstes, der Praxis- und Hausbesuche rund um die Uhr ermöglicht, steht mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts auf tönernen Füßen", sagte er. Er forderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf, als Dienstaufsicht der Kassenärztlichen Vereinigungen den Sicherstellungsauftrag unverzüglich herstellen zu lassen. "Gerade immobile oft pflegebedürftige Menschen sind auf eine häusliche Erreichbarkeit im Notfall angewiesen", betonte Brysch.