Nach Aufnahmestopp: Afghanischer Richter legt Verfassungsbeschwerde ein

Was mit den Afghanen passiert, die überwiegend in Pakistan auf ihre zugesagte Einreise warten, ist seit dem Aufnahmestopp der Bundesregierung ungewiss. Ein afghanischer Richter strengt nun eine Verfassungsbeschwerde an - und drängt auf Vertrauensschutz.

Der ehemalige afghanischer Richter, seine Frau und ihre vier Kinder haben mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Verfassungsbeschwerde und einen Eilantrag beim BVerfG eingereicht. Sie verlangen, dass Deutschland ihnen ein Visum erteilt, um endlich einreisen zu dürfen. Zuvor wurde die Aufnahmeerklärung für die Familie suspendiert - es handle sich bei der Erklärung um keinen Verwaltungsakt, so das OVG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung.

Die Familie erhielt bereits im Dezember 2022 eine Aufnahmezusage der Bundesregierung, ihre Sicherheitsprüfung fiel erfolgreich aus und alle benötigten Dokumente lagen vor. Seitdem wartet sie in Pakistan – untergebracht und betreut von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Rund 2.000 weitere Menschen aus Afghanistan teilen dieses Schicksal, in einem offenen Brief forderten mehrere Vereine die Umsetzung der Aufnahmezusagen und kritisieren die Regierung scharf. Doch seit die Bundesregierung im Mai 2025 die Aufnahmeprogramme ausgesetzt hat, liegt das Verfahren auf Eis.

Nun droht der Familie die Abschiebung nach Afghanistan, wo sie nach eigenen Angaben in akuter Lebensgefahr schweben würde. Der Familienvater hatte als Richter Taliban-Mitglieder verurteilt und musste nach deren Machtübernahme untertauchen. "Jahrelang habe ich als Richter die Menschenrechte in Afghanistan verteidigt. Auf die Zusage von Deutschland habe ich mich verlassen – doch jetzt werden meine Familie und ich nicht vor Folter und Tod geschützt", erklärt der Jurist. Sein eigener Vater wurde von einem ehemaligen Verurteilten ermordet.

Vertrauensschutz durch GIZ-Handeln?

Nach Auffassung der GFF verletzt die Bundesregierung durch den Stopp der Aufnahmeprogramme Grundrechte der Betroffenen. Die Familie beruft sich dabei auf den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Im Vertrauen auf die deutsche Zusage habe die Familie ihr Zuhause verkauft und sei den Anweisungen der GIZ gefolgt. "Wer Menschen Schutz verspricht, darf sie nicht im Stich lassen – erst recht nicht, wenn ihr Leben davon abhängt", sagte Mareile Dedekind, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF.

Zentraler Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist laut GFF die Frage, ob die Bundesregierung grundrechtlich verpflichtet ist, die erteilte Zusage einzuhalten. Die Bundesregierung habe mit Hilfe der GIZ selbst "Umstände und Fakten geschaffen, aufgrund derer die Beschwerdeführenden auf die Erteilung des Visums vertrauen durften". Unter anderem habe die GIZ die Familie auch zur Ausreise nach Pakistan und zum Verfolgen des Visumverfahrens angeleitet und sie jahrelang untergebracht. Daraus erwachse eine grundrechtliche Verpflichtung, diese Menschen zu schützen, so die GFF.

Das gelte "erst recht", weil die Familie infolge des Aufnahmeprogramms gefährdeter sei "denn je". Dadurch, dass sie ihr Haus verkauft habe und ein Visumverfahren anstrengte, habe sie sich "aus der Deckung begeben" und sei bei einer Abschiebung daher besonders von den Taliban bedroht, so die GFF.

Redaktion beck-aktuell, js, 30. September 2025.

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