Mut­ter­schutz greift künf­tig auch bei Fehl­ge­bur­ten

Frau­en, die ab der 13. Schwan­ger­schafts­wo­che eine Fehl­ge­burt er­lei­den, haben künf­tig An­spruch auf Mut­ter­schutz. Ein ent­spre­chen­des Ge­setz hat der Bun­des­tag am spä­ten Don­ners­tag­abend ein­stim­mig ver­ab­schie­det.

Das Mut­ter­schutz­ge­setz schützt die Frau ins­be­son­de­re in der Zeit un­mit­tel­bar vor und nach der Ent­bin­dung eines Kin­des. Die Schutz­fris­ten be­gin­nen grund­sätz­lich sechs Wo­chen vor der Ent­bin­dung und enden im Re­gel­fall acht Wo­chen da­nach. In die­ser Zeit las­sen Frau­en ihre Be­rufs­tä­tig­keit in aller Regel ruhen. Wäh­rend der Schutz­fris­ten haben Frau­en An­spruch auf Mut­ter­schafts­leis­tun­gen, die den vol­len Lohn vor der Schwan­ger­schaft er­set­zen.

Als Fehl­ge­burt gilt aus me­di­zi­ni­scher Sicht das vor­zei­ti­ge Ende einer Schwan­ger­schaft bis zur 24. Schwan­ger­schafts­wo­che. Frau­en, die eine Fehl­ge­burt er­lei­den, sind in der Regel dar­auf an­ge­wie­sen, dass sie ihr Arzt oder ihre Ärz­tin krank­schreibt, wenn sie das Be­dürf­nis haben, sich von die­sem Schick­sals­schlag zu er­ho­len. Denn bis­her sind für den Fall einer Fehl­ge­burt weder eine Mut­ter­schutz­frist noch Leis­tun­gen nach dem Mut­ter­schutz­ge­setz vor­ge­se­hen. Diese grei­fen ak­tu­ell nur für den Fall, dass eine Frau ihr Kind ab der 24. Schwan­ger­schafts­wo­che ver­liert.

Das soll sich mit dem neuen Ge­setz än­dern. Die fa­mi­li­en­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Uni­ons­frak­ti­on, Sil­via Bre­her, spricht von einem "wich­ti­gen frau­en­po­li­ti­schen Mei­len­stein". Eine Frau, die ihr Kind still ge­bo­ren hat, müsse sich künf­tig nicht mehr um eine Krank­schrei­bung be­mü­hen. Sie be­kom­me "einen Schutz­raum, um die­sen schwe­ren Ver­lust ver­ar­bei­ten zu kön­nen", er­klär­te Bre­her.

Was gilt bei Fehl­ge­bur­ten künf­tig?

Das neue Ge­setz sieht eine Staf­fe­lung vor – das heißt: Je wei­ter die Schwan­ger­schaft fort­ge­schrit­ten ist, desto län­ger ist die Mut­ter­schutz­frist im Fall einer Fehl­ge­burt. Bei einer Fehl­ge­burt ab der 13. Woche sind zwei Wo­chen Mut­ter­schutz vor­ge­se­hen, ab der 17. Schwan­ger­schafts­wo­che dann sechs Wo­chen. Kommt es erst ab der 20. Schwan­ger­schafts­wo­che, also in einem be­reits recht fort­ge­schrit­te­nen Schwan­ger­schafts­sta­di­um, zur Fehl­ge­burt, dann dür­fen Frau­en künf­tig acht Wo­chen lang be­ruf­lich pau­sie­ren. Auch der An­spruch auf Mut­ter­schafts­leis­tun­gen soll auf Fehl­ge­bur­ten ab der 13. Woche aus­ge­wei­tet wer­den. Die Be­zugs­dau­er rich­tet sich nach den ge­nann­ten Staf­fe­lungs­zeit­räu­men.

Die Neu­re­ge­lung gilt auch für Frau­en, die selbst­stän­dig tätig und ge­setz­lich kran­ken­ver­si­chert sind. Nach An­ga­ben aus der Uni­ons­frak­ti­on, die den Ent­wurf fe­der­füh­rend ins Par­la­ment ein­bringt, be­trifft dies 75 bis 80% aller selbst­stän­di­gen Frau­en. Auch Sol­da­tin­nen und Be­am­tin­nen wer­den sich künf­tig im Falle einer Fehl­ge­burt ab der 13. Schwan­ger­schafts­wo­che auf eine Mut­ter­schutz­frist be­ru­fen kön­nen. Selbst­stän­di­ge, die pri­vat ver­si­chert sind, sind je­doch aus­ge­nom­men.

In einem Ent­schlie­ßungs­an­trag von Union, SPD und Grü­nen, der der dpa vor­liegt, wird die kom­men­de Bun­des­re­gie­rung auf­ge­for­dert, eine Än­de­rung auch für diese Grup­pe auf den Weg zu brin­gen. Dort heißt es: "Auch selbst­stän­dig er­werbs­tä­ti­ge Frau­en, die pri­vat kran­ken­ver­si­chert sind, sol­len nach einer Fehl­ge­burt aus­rei­chend Zeit zur Ge­ne­sung be­kom­men. Für diese Frau­en muss zeit­nah in einem um­fas­sen­de­ren par­la­men­ta­ri­schen Be­ra­tungs­ver­fah­ren eine trag­fä­hi­ge und pra­xis­taug­li­che Lö­sung ge­fun­den wer­den."

Wenn sich eine Frau aus­drück­lich be­reit er­klärt, trotz Fehl­ge­burt ab der 13. Woche ar­bei­ten und die neue Mut­ter­schutz­frist nicht in An­spruch neh­men zu wol­len, dann ist dies laut Ge­setz­ent­wurf mög­lich. Fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin Lisa Paus (Grüne) be­ton­te, dass die Neu­re­ge­lung die Selbst­be­stim­mung von Frau­en stär­ke.

Un­klar, wie viele Frau­en be­trof­fen sind

Nach der abend­li­chen Zu­stim­mung des Bun­des­tags tre­ten die Re­ge­lun­gen am 1. Juni die­ses Jah­res in Kraft. Einer Zu­stim­mung des Bun­des­rats be­darf das Ge­setz nicht.

Wie viele Frau­en die Neu­re­ge­lung jähr­lich be­trifft, ist un­klar. Nach An­ga­ben des Fa­mi­li­en­mi­nis­te­ri­ums lie­gen weder zur Zahl der Frau­en, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren Mut­ter­schutz in An­spruch ge­nom­men haben, noch zur Zahl der Frau­en, die eine Fehl­ge­burt er­lei­den, amt­li­che Sta­tis­ti­ken vor. Die Grü­nen-Fa­mi­li­en­po­li­ti­ke­rin Fran­zis­ka Krum­wie­de-Stei­ner geht wie an­de­re Ex­per­tin­nen auf dem Ge­biet davon aus, dass in Deutsch­land jede drit­te Frau von einer Fehl­ge­burt be­trof­fen ist.

Unter Be­ru­fung auf Re­cher­chen des Fraun­ho­fer-In­sti­tuts für An­ge­wand­te In­for­ma­ti­ons­tech­nik (FIT) schätzt das Fa­mi­li­en­mi­nis­te­ri­um, dass jähr­lich etwa 90.000 Fehl­ge­bur­ten statt­fin­den. Etwa 6.000 Fehl­ge­bur­ten er­eig­ne­ten sich dem­nach zwi­schen der 13. und 24. Schwan­ger­schafts­wo­che. Den Gro­ß­teil der Fehl­ge­bur­ten, 84.000, er­lei­den Frau­en bis zur 12. Schwan­ger­schafts­wo­che. Für diese Fälle ist kein Mut­ter­schutz­an­spruch vor­ge­se­hen.

Der Bun­des­rat hatte die Bun­des­re­gie­rung im Juli mit einer Ent­schlie­ßung auf­ge­for­dert, einen ge­staf­fel­ten Mut­ter­schutz bei Fehl­ge­bur­ten ein­zu­füh­ren. Im Au­gust waren meh­re­re Frau­en mit ihrer Ver­fas­sungs­be­schwer­de zu Mut­ter­schutz nach einer Fehl­ge­burt ge­schei­tert. Das BVerfG hatte die Be­schwer­de nicht zur Ent­schei­dung an­ge­nom­men, weil die Frau­en es un­ter­las­sen hat­ten, ihre An­sprü­che vor den Fach­ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen.

Redaktion beck-aktuell, bw, 31. Januar 2025 (dpa).

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