Die Auswertung basiert auf einer Sonderanalyse der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für den Zeitraum 2014 bis 2023 sowie auf qualitativen Interviews mit Fachkräften aus Polizei, Justiz, Wissenschaft und Opferschutz. Ziel der Studie war es, geschlechtsspezifisch motivierte Tötungen zu identifizieren, Tatmuster zu erkennen und präventive Maßnahmen abzuleiten.
Laut dem Ergebnisbericht registrierte die Polizei im Untersuchungszeitraum insgesamt 1.666 versuchte oder vollendete Tötungsdelikte zum Nachteil von Frauen, 908 Opfer starben. In 522 Fällen lag ein Femizid vor (31%), 452 dieser Taten (87%) ereigneten sich im Kontext bestehender oder beendeter Partnerschaften. In nahezu allen Fällen (99%) waren die Tatverdächtigen männlich, 26% hatten eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. Häufig lagen den Taten patriarchale Geschlechterbilder, Kontrollverhalten und Besitzansprüche zugrunde. Ein häufiger Auslöser war die (angekündigte) Trennung der Frau von ihrem Partner.
Der Begriff "Femizid" ist bislang kein eigenständiger Straftatbestand im deutschen Strafrecht. Die Studie verwendete deswegen die Definition von Europarat, Istanbul-Konvention und Vereinten Nationen. Ein Femizid liegt demnach bei der Tötung oder versuchten Tötung von Mädchen und Frauen vor, sofern diese durch geschlechtsspezifische Motive oder Erwartungen begründet ist.
"Jede dieser Taten ist eine Tragödie"
Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnete die Ergebnisse als alarmierend: "Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Jede dieser Taten ist eine Tragödie." Er verwies auf die Rolle häuslicher Gewalt als möglichem Vorboten solcher Taten und betonte die Bedeutung frühzeitiger Intervention sowie eines breiten gesellschaftlichen Bewusstseins. Zudem müsse die Politik die Schutzstrukturen stärken und einfacher zugänglich machen.
Auch Gleichstellungsministerin Josefine Paul (Grüne) mahnte Handlungsbedarf an: "Die Zahlen zeigen, dass fast jeden Tag eine Frau Opfer eines Femizids wird. Leider ist diese Gewalt von Männern gegen Frauen auch in Nordrhein-Westfalen alltäglich." Die Landesregierung habe daher seit Beginn der Legislaturperiode den Gewaltschutz priorisiert. Das neue Gewalthilfegesetz, das einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe gewährt, sei ein echter Meilenstein.
Die Polizei Nordrhein-Westfalen kündigte an, die Erkenntnisse des Forschungsberichts in ihre Arbeit aufzunehmen. Sie will hierfür Ermittlerinnen und Ermittler künftig noch stärker sensibilisieren. Seit März 2025 komme bereits die sogenannte "Domestic-Violence-Technik" (elektronische Fußfessel) zum Einsatz. Neue Techniken könnten die Polizei dabei unterstützen, die Betroffenen zusätzlich zu schützen.
Präventionsarbeit, Sensibilisierung und niedrigschwellige Unterstützung
Um Femizide zu verhindern, empfehlen die interviewten Expertinnen und Experten, Kinder bereits frühzeitig gleichstellungsorientiert zu erziehen. Zudem müsse die Gesellschaft für Themen wie häusliche Gewalt, Femizide und bestehende Hilfsangebote sensibilisiert werden. Die Studie betont, wie wichtig niedrigschwellige und flächendeckende Unterstützungsangebote für Frauen seien.
Zum landesweiten Unterstützungsnetz gehören in Nordrhein-Westfalen unter anderem 62 allgemeine Frauenberatungsstellen, 57 Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt und 70 Frauenhäuser. In jeder Kreispolizeibehörde gibt es bereits speziell geschulte Opferschutzbeauftragte. Die Polizei NRW will außerdem ihre Präventionsarbeit weiter ausbauen, insbesondere in Schulen.