Jeden dritten Tag…. In vielen Kreisen der Gesellschaft braucht man diesen Satz inzwischen gar nicht mehr weiterzuführen. Man weiß, wie er endet. Eine Begegnung zwischen Mann und Frau – und am Ende ist die Frau tot. In Italien finden Femizide regelmäßig ein großes mediales Echo, in Deutschland eher weniger. Obwohl hierzulande die Zahlen laut Bundesfrauenministerium noch deutlich höher sind. Nun haben die Fratelli d'Italia, die Partei von Regierungschefin Georgia Meloni, ein Gesetz eingebracht, das einen eigenen Straftatbestand für die geschlechtsspezifische Tötung von Frauen vorsieht. Auch die Opposition ist von dem Gesetz überzeugt.
Im Jahr 2024 wurden in Italien 113 Frauenmorde registriert, 99 davon im familiären oder partnerschaftlichen Kontext. 61 Frauen wurden von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet – der niedrigste Stand seit Jahren. In dem Gesetz, mit dem Melonis Partei dagegen vorgehen möchte, ist Femizid als Akt der Diskriminierung oder des Hasses gegen eine Frau aufgrund ihres Geschlechts definiert.
Femizide spielen für Rechtsprechung bislang keine große Rolle
Elisa Hoven ist Professorin für deutsches und ausländisches Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Leipzig. Ihr Lehrstuhl forscht zum Thema Partnerschafts- und Trennungstötung. In einer guten und praxistauglichen juristischen Definition sieht sie bereits die erste Herausforderung, die ein Gesetzgeber meistern müsse – jedenfalls wenn er beabsichtige, auch tatsächlich die Realität abzubilden. "Bei der Forschung an meinem Lehrstuhl zu dem Thema hat sich gezeigt, dass die deutschen Gerichte diese Taten aktuell noch nicht so adressieren. Der Begriff Femizid spielt keine Rolle." Um die Rechtsprechung um diese Taten handhabbarer zu machen, hätten die Forschenden sich daher auf den Aspekt der partnerschaftlichen Beziehung fokussiert, in der Täter und Opfer häufig zueinander stünden oder gestanden hätten.
Dieser Aspekt finde sich auch in den Tatbestandsmerkmalen, die in Italien bald das Gesetzbuch ergänzen sollen. Danach wird mit lebenslanger Haft bestraft, "wer den Tod einer Frau verursacht, wenn er die Tat als Akt der Diskriminierung oder des Hasses gegen die geschädigte Person als Frau oder um ihr die Ausübung ihrer Rechte oder ihrer Freiheit zu verwehren, verübt." Eine breite Formulierung.
"Der erste Teil beschreibt eigentlich ein klassisches Hassverbrechen", sagt Hoven. "Es klingt erst einmal, als würde es genau den Kern dessen treffen, was wir unter Femizid verstehen." Der wirklich interessante Teil sei jedoch der zweite, der sich auf die Rechte und Freiheiten der Frau bezieht: "Unter dieses Tatbestandsmerkmal fielen auch die Trennungs- und Partnerschaftstötungen. Denn hier liegt klassischerweise der Fall so: Wenn eine Frau sich getrennt hat oder trennen will, wird sie von ihrem Partner getötet, weil er ihr nicht die Freiheit eines selbstbestimmten Lebens zugesteht. Das sind genau die Fälle, die hier gemeint sind und die tatsächlich auch häufig stattfinden."
Tötungstatbestände in Deutschland und Italien unterschiedlich konzipiert
Angesichts der höheren Fallzahlen in Deutschland liegt die Überlegung nahe, ob nicht auch hierzulande eine ähnliche Regelung angezeigt wäre. Entsprechende Forderungen sind nicht neu und wurden durch den italienischen Vorstoß nur befeuert. Auch Hoven findet das grundsätzlich bedenkenswert. "Das Strafrecht muss eine vernünftige Antwort auf das Phänomen der Partnerschaftstötung und Trennungstötung haben", sagt sie. "Diese Antwort haben wir bisher nicht." Allerdings müsse man differenzieren: Ein Tatbestand wie der italienische hätte ihrer Ansicht nach in Deutschland nicht den gewünschten Effekt.
Das liegt zum einen an der unterschiedlichen Systematik. Aktuell werden Femizide in Italien zumeist als Mord behandelt. Anders als in Deutschland steht darauf aber nicht automatisch lebenslange Haft, sondern nur dann, wenn erschwerende Umstände hinzukommen, ähnlich den deutschen Mordmerkmalen. Diese sollen nach dem neuen Tatbestand entfallen. Diese Idee lässt sich schwerlich auf das deutsche System übertragen. "Ein eigener Femizid-Tatbestand wäre ein großer Bruch mit unseren aktuellen Tötungsdelikten", sagt Hoven. "Das würde sich systematisch kaum sinnvoll einfügen lassen."
"Oft wird die Beziehung strafmildernd berücksichtigt"
Dennoch findet sie die bestehende Rechtslage unbefriedigend. Eine Auswertung der Rechtsprechung zum Thema Partnerschafts- oder Trennungstötung an Hovens Lehrstuhl hat gezeigt, dass es in Deutschland aktuell keine einheitliche Behandlung solcher Taten gibt. Manche Richterinnen und Richter gehen von niedrigen Beweggründen aus, andere sehen dagegen kein Mordmerkmal erfüllt und nehmen Totschlag an.
Das eröffnet Spielräume beim Strafmaß: "Nicht selten wird die partnerschaftliche Beziehung zwischen Täter und Opfer sogar strafmildernd berücksichtigt", erzählt Hoven. Das sei besonders oft der Fall, wenn der Tat eine Trennung vorausgegangen sei. "Das Narrativ des verzweifelten Mannes, der verlassen wurde, ist in der Rechtsprechung immer noch präsent", sagt sie. "Hier ist es natürlich auch nicht hilfreich, dass der 1. Strafsenat des BGH der Meinung ist, es könne gegen das Vorliegen niedriger Beweggründe sprechen, wenn die Trennung von der Frau ausging. So etwas öffnet Tür und Tor für genau die problematischen Erwägungen, die die Debatte über einen eigenen Femizid-Tatbestand erst ausgelöst haben."
Wie beweist man Frauenhass?
Ein anderer Ansatz wäre es, § 211 StGB ein neues Mordmerkmal hinzuzufügen. Auch diese Idee ist nicht neu. Erst 2024 hatte die CDU einen Vorstoß gewagt und das Merkmal "unter Ausnutzung körperlicher Überlegenheit" vorgeschlagen. "Das trifft den Kern der Sache ja nun überhaupt nicht", kritisiert Hoven. Bei Femiziden ginge es gerade nicht pauschal um körperliche Überlegenheit, sondern um patriarchales Besitzdenken einzelner Männer. Der Vorschlag sei zurecht von allen Seiten scharf kritisiert worden.
Er zeigt aber auch, wo bei der Debatte um ein neues Mordmerkmal die Musik spielt: Nämlich bei der Beweisbarkeit subjektiver Kriterien. Die "körperliche Überlegenheit" war ein Versuch, an ein objektives Merkmal anzuknüpfen – im Prozess deutlich leichter zu belegen als Kriterien wie "aus Hass gegen Frauen", oder "um ihr die Ausübung ihrer Rechte zu verwehren".
"Jedes subjektive Tatbestandsmerkmal birgt das Risiko, dass man es im Prozess womöglich nicht wird nachweisen können – insbesondere, wenn der Täter sich nicht einlässt", so Hoven. Sehr häufig könnten Richterinnen und Richter über die Motive für eine Tat nur mutmaßen. Auch ein neues Mordmerkmal könne nicht viel mehr leisten als andere subjektive Kriterien wie die niedrigen Beweggründe, glaubt Hoven. Die massiven Beweisprobleme werde man damit nicht lösen.
"Auch Symbolpolitik hat ihren Wert"
Wäre demnach jeder Versuch, Femizide ausdrücklich ins Gesetz zu schreiben, reine Symbolpolitik? Ja und nein, meint Hoven: "Auch Symbolik hat ihren Wert. Gesetze sind auch Kommunikation gesellschaftlicher Werte-Entscheidungen. Damit sagt der Gesetzgeber ganz klar: Die Tötung einer Frau aus den genannten Gründen ist schwerstes Unrecht. Das ist auch als Botschaft an die Gerichte wichtig."
Vor allem aber habe es in den vergangenen Jahren eine massive gesellschaftliche Veränderung gegeben. "Die Menschen sind – auch angesichts der enormen Fallzahlen – nicht mehr bereit, hinzunehmen, dass diese Tötungsdelikte als Verzweiflungstaten dargestellt werden. Dieses Bild hat sich verändert. Solche Taten werden nun viel stärker als Ausdruck patriarchaler Strukturen gewertet", so Hoven. Es sei an der Zeit, dass die Justiz diesen Bewusstseinswandel ebenfalls vollziehe. "Wir müssen wegkommen von Aussagen wie: Der arme Mann hat aus enttäuschter Liebe gehandelt."
In Italien sind auch Schulungen für angehende Richter und Staatsanwältinnen geplant, um sie für den Umgang mit derartigen Delikten auszubilden. "Ob bei niedrigen Beweggründen oder einem neuen Mordmerkmal: Es braucht viel mehr Sensibilität für die patriarchalen Strukturen, die hinter diesen Taten stecken", sagt Hoven. "Und zwar in der Gesellschaft wie auch im Gerichtssaal."