Nach dem Lagebild, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gemeinsam mit Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) und BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer heute in Berlin vorstellte, sind immer mehr Frauen in Deutschland von Gewalt betroffen.
Das Lagebild stelle zum ersten Mal Zahlen aus unterschiedlichen Datenquellen zusammen und umfasse Daten zu Gewalttaten ebenso wie zu frauenfeindlichen Straftaten als Teil der politisch motivierten Kriminalität und Straftaten, die generell zum Nachteil von Frauen begangen werden, erläuterte Faeser. Dies sei insbesondere wichtig, um zu dokumentieren, dass viele Frauen Opfer von Straftaten und Gewalt werden, weil sie Frauen sind.
Alle drei Minuten häusliche Gewalt, mehr Tötungsdelikte
Faeser betonte bei der Vorstellung des Berichts, dass dieser Zustand "unerträglich" sei und "konsequentes Handeln" verlange. In Deutschland würden mehr als 140 Frauen und Mädchen täglich Opfer einer Sexualstraftat. Alle drei Minuten erlebe eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt, die Zahl der weiblichen Opfer sei im Vergleich zum Vorjahr um 5,6% auf 180.715 gestiegen.
Daher stelle man sich entschlossen gegen Gewalt gegen Frauen, so Faeser weiter. Es brauche mehr Härte gegen die Täter, mehr Aufmerksamkeit und Hilfe für die Opfer. Es bedürfe weiterhin verpflichtenden Anti-Gewalt-Trainings und elektronischer Fußfesseln, "damit die Täter ihr Verhalten tatsächlich ändern und sich betroffenen Frauen nicht mehr unbemerkt nähern können." Gewalt gegen Frauen gehe alle an, so die Bundesinnenministerin.
Das Lagebild ergebe, dass im Jahr 2023 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten geworden seien, 1% mehr als 2022. Dies entspreche 32,3% aller Opfer von Tötungsdelikten. Der Anteil an weiblichen Opfern, die im Zusammenhang einer Beziehung Opfer eines Tötungsdelikt wurden, liege bei 80,6%. Mit 360 Opfern vollendeter Tötungsdelikte an Frauen habe es 2023 demnach beinahe jeden Tag einen Femizid in Deutschland gegeben.
Paus betonte, die Zahlen des Lagebildes zeigten, dass Gewalt zum Alltag von Frauen gehöre. Wer sie regiere, sei den Opfern von Gewalt egal – sie benötigen niedrigschwelligen Schutz und Beratung, so die Ministerin. Paus führte aus, sie habe mit Ländern und Verbänden ein Gewalthilfegesetz entworfen, für dessen Annahme sie appelliere. Das Gewalthilfegesetz werde Leben retten und lasse sich nicht durch einzelne Maßnahmen ersetzen, so Paus. Der Rechtsanspruch von Frauen auf Schutz vor Gewalt müsse in einen Ausbau der Infrastruktur übergehen.
Auch in anderen Bereichen Anstieg
52.330 Frauen und Mädchen wurden laut Lagebericht 2023 Opfer von Sexualstraftaten. 2022 waren es noch 6,2% weniger. Über 17.193 Frauen und Mädchen seien im vergangenen Jahr Opfer Digitaler Gewalt geworden. Hier sei mit 25% ein noch deutlicherer Anstieg der weiblichen Opferzahlen zu verzeichnen.
BKA-Vizepräsident Michael Kretschmer zeigte sich besorgt: Man erkenne, dass Hass und Gewalt gegen Frauen ein zunehmendes gesellschaftliches Problem sei. Zudem müsse man von einem sehr großen Dunkelfeld ausgehen, im Bereich der häuslichen ebenso wie der digitalen Gewalt. Es gelte daher seitens der Sicherheitsbehörden, derartigen Straftaten "sensibel und aufmerksam zu begegnen" sowie die Tathintergründe zu erkennen und aufzuklären. "Für uns gilt: Null Toleranz für Gewalt und Hass gegenüber Frauen, egal ob im analogen oder digitalen Raum.", so Kretschmer.
Besonders hoch sei der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten als Teil der politisch motivierten Kriminalität. Mit 322 Straftaten im Berichtsjahr 2023 sei ein Anstieg um 56,3% zum Vorjahr zu verzeichnen.