Der einstige Chef der Privatbank M.M. Warburg steht derzeit vor dem LG Bonn: Er soll 14 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung mit einem Schaden von knapp 280 Millionen Euro für den Fiskus abgesegnet haben. Pikant ist, dass er den heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – damals Erster Bürgermeister von Hamburg – mehrmals getroffen haben soll, um eine Nachforderung von Steuern zu verhindern. Das geht aus Tagebucheinträgen von Olearius hervor, die die Kölner Strafverfolger beschlagnahmt haben; Scholz beruft sich hingegen auf Erinnerungslücken dazu.
Besonders unangenehm für den Angeklagten war, dass schließlich verschiedene Medien wörtlich daraus zitierten. Ermittlungen des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht (§ 353d Nr. 3 StGB – Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen – und 355 StGB – Verletzung des Steuergeheimnisses) blieben erfolglos. Die aus Neutralitätsgründen eingeschaltete Staatsanwaltschaft Bonn stellte das Verfahren ein, weil kein Täter zu finden war.
"Absolute Gewissheit nicht erforderlich"
Das Landgericht Köln (Urteil vom 24.10.2023 – 5 O 195/22) sprach Olearius jetzt eine Geldentschädigung von 10.000 Euro nebst Zinsen zu. Die Zivilkammer ging davon aus, dass der Inhalt der Tagebücher "aus der Sphäre des beklagten Landes" an die verschiedenen Journalisten gelangt sein müsse. Eine "absolute Gewissheit" darüber sei für die entsprechende Überzeugung des Gerichts nicht erforderlich. Doch sei davon auszugehen, dass den Reportern aus Behörden heraus ganze Bände – und damit auch private Inhalte aus dem höchstpersönlichen Bereich – überlassen worden seien und nicht nur einzelne Zitate. Letzteres liege "außerhalb der Lebenserfahrung", weil die Medien sonst den Gesamtkontext und die Echtheit nicht hätten überprüfen können.
Der Vorgang hat der Zivilkammer zufolge den Geschäftsmann in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. "Die Weitergabe beziehungsweise die Ermöglichung des Zugriffs auf Inhalte der Tagebücher stellt eine Amtspflichtverletzung dar", heißt es in dem Urteil, das der NJW vorliegt, mit Blick auf § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art 34 GG. Die Behörden seien verpflichtet gewesen, die äußerst sensiblen Daten so aufzubewahren, dass sie vor einem unbefugten Einblick geschützt seien. Die Bände waren zeitweise in einer Asservatenkammer gelagert und sind mehrfach digital kopiert worden. Auch die führende Cum/Ex-Strafverfolgerin, die Oberstaatsanwältin Anne Borhilker, hatte von einem Kriminalhauptkommissar eine ZIP-Datei auf einem USB-Stick erhalten.
"Vielzahl von Personen hatte Zugriff"
Ob die Weitergabe vorsätzlich geschehen sei, lasse sich zwar nicht feststellen, so das Urteil weiter. Wichtig war den Richtern auch nicht, wer konkret die Amtspflichtverletzung begangen hat: "Unstreitig haben eine Vielzahl von Personen Zugriff auf die Inhalte gehabt" – von Ermittlungsbeamten bis hin zu Systemadministratoren.
Olearius' Anwälte hatten allerdings sogar 50.000 Euro als Ausgleich verlangt. Dem hielt das LG entgegen, dass die Folgen für ihn insoweit nicht schwerwiegend gewesen seien, als die Presse lediglich Informationen mit einem geschäftlichen Bezug veröffentlicht hatte. Dementsprechend hat der BGH auch gerade erst eine entsprechende Veröffentlichung der Süddeutschen Zeitung dazu gebilligt, was in dem Kölner Richterspruch erwähnt wird. Überdies müsse der jetzt 81-Jährige damit rechnen, dass entsprechende Informationen auch in seinem eigenen Strafprozess öffentlich gemacht werden könnten, schreiben die Richter aus der Domstadt weiter. Die Vorwürfe gegen ihn hat er dort als "abenteuerlich" bezeichnet.