Verhandlungsunfähig - Kein Prozess gegen mutmaßlichen KZ-Wachmann

Beihilfe zum Mord in über 3.300 Fällen – so lautete die Anklage gegen einen mutmaßlichen früheren KZ-Wachmann. Doch jetzt hat das LG Hanau die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt: Der 99-Jährige sei aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht verhandlungsfähig.

Die Staatsanwaltschaft Gießen hatte im vergangenen Jahr Anklage gegen den Mann erhoben, der als Heranwachsender Wachmann im KZ Sachsenhausen gewesen sein soll. Aus diesem Grund und weil im Jugendstrafrecht das Wohnortprinzip gilt, hatte die Jugendkammer des LG Hanau über die Zulassung der Anklage zu entscheiden.

Dem Mann aus dem Main-Kinzig-Kreis wurde zur Last gelegt, von Juli 1943 bis Februar 1945 in mehr als 3.300 Fällen Beihilfe zum Mord geleistet zu haben. Als Angehöriger der SS-Wachmannschaften soll der deutsche Staatsangehörige "die grausame und heimtückische Tötung Tausender Häftlinge unterstützt haben".

Als Angehöriger eines SS-Wachbataillons soll er unter anderem mit der Bewachung dort untergebrachter Häftlinge befasst gewesen sein. Zudem soll er mit der Überführung ankommender Häftlinge vom Bahnhof in das Hauptlager sowie mit der Bewachung von Häftlingstransporten beauftragt gewesen sein.

Während des Tatzeitraums sollen in dem Lager mindestens 3.318 Häftlinge an den Folgen der dort herrschenden Unterbringungs- und Lebensverhältnisse sowie durch Erschießungen und den Einsatz von Giftgas gestorben sein.

Ein psychiatrisches Sachverständigengutachten, das im Oktober 2023 eingeholt worden war, war von einer eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit des Mannes ausgegangen. Anfang Februar dieses Jahres sei dann ein weiteres Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der körperliche und psychische Zustands des Mannes verschlechtert habe und eine Besserung nicht zu erwarten sei. "Das Gericht ist den Ausführungen des Sachverständigen vollumfänglich gefolgt und hat die Anklage daher aus rechtlichen Gründen nicht zur Hauptverhandlung zugelassen", hieß es (Beschluss vom 06.05.2024 – 2 Ks 501 Js 33635/22, nicht rechtskräftig).

Noch 14 offene Ermittlungsverfahren gegen kZ-Wachmänner

Im KZ Sachsenhausen etwa 35 Kilometer nördlich von Berlin waren von 1936 an etwa 204.000 Menschen von den Nazis interniert worden. Zehntausende kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit und Misshandlungen um oder wurden Opfer von Vernichtungsaktionen der SS. Auf Todesmärschen nach der Evakuierung des Lagers Ende April 1945 starben weitere Tausende Häftlinge.

Mittlerweile leben nur noch wenige der ehemaligen KZ-Wachleute, 2021 standen noch 17 Verdächtige im Fokus der Justizbehörden. 2022 wurde eine ehemailge Sekretärin des KZ Stutt­hof 97-jährig zu einer Bewährungsstrafe sowie ein 101-Jähriger ehemaliger Wachmann im KZ Sachsenhausen zu einer Haftstrafe verurteilt. Mit 102 Jahren ist der Mann allerdings letztes Jahr verstorben

LG Hanau, Beschluss vom 06.03.2024 - 2 Ks 501 Js 33635/22

Redaktion beck-aktuell, gk, 27. Juni 2024 (dpa).