Sexualisierte Gewalt am Lehrstuhl: Strafe für Professor verschärft

Seine Machtstellung als Doktorvater soll ein Hochschullehrer ausgenutzt haben, um Frauen zu schlagen und zu demütigen. Das LG Göttingen verhängte eine anderthalbjährige Bewährungsstrafe. Dem 60-Jährigen droht nun auch die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

Laut Anklage soll der Hochschullehrer zwei Doktorandinnen und eine Mitarbeiterin mit einem Bambusstock oder der flachen Hand auf den Po beziehungsweise die Brüste geschlagen haben. Zuvor schloss er meist die Bürotür ab und steckte den Schlüssel in die Hosentasche.

Der heute 60-Jährige war bereits im März 2022 zu einer elfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden, doch der BGH hob das Urteil teilweise auf. Jetzt wurden zwei weitere Taten aus dem Sommer 2015 auch als Nötigung bewertet. Das LG Göttingen sprach den Wissenschaftler wegen Körperverletzung im Amt, Nötigung im besonders schweren Fall und Freiheitsberaubung schuldig und erhöhte die Bewährungsstrafe auf 18 Monate.

Der Mann habe beide Male die Zeugin aufgefordert, für die Schläge die Hose und Unterhose herunterzulassen, sagte der Vorsitzende Richter David Küttler. Nach mindestens zehn schmerzhaften Schlägen habe er die Frau umarmt und sie aufgefordert, sich zu bedanken. "Es war eine Demütigung ersten Ranges", sagte der Richter. Der Professor habe sich darüber hinweggesetzt, dass die Doktorandin die körperliche Züchtigung ablehnte und ihr bei ähnlichen Taten zuvor damit gedroht, die Betreuung ihrer Doktorarbeit zu beenden, sollte sie sich widersetzen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung äußerte sich zunächst nicht dazu, ob sie das Urteil anfechten wird.

Professor noch im Amt

Sollte das nun ergangene Urteil rechtskräftig werden, würde der Hochschullehrer automatisch seinen Beamtenstatus verlieren. Die Uni hatte dem Mann nach Bekanntwerden der Vorfälle seit 2017 die Führung der Dienstgeschäfte verboten und auf Entfernung aus dem Amt geklagt. Das Verfahren vor dem VG Göttingen führte zu einer Zurückstufung des Professors um zwei Besoldungsgruppen. Er durfte jedoch im Dienst bleiben.

Die drei betroffenen Frauen waren schon im ersten Prozess als Nebenklägerinnen aufgetreten. "Ich freue mich sehr für meine Mandantin", sagte Steffen Hörning nach der Verhandlung. "Sie hat einen jahrelangen Leidensweg hinter sich mit vielen psychischen Belastungen." Hörning kritisierte die Verteidigungsstrategie als "sexistisch und rassistisch".

Auch der Vorsitzende Richter wies in seiner Urteilsbegründung die Behauptung der Verteidigung zurück, die junge Frau habe mit dem Professor eine "Bestrafungsvereinbarung" getroffen, weil sie dies angeblich aus ihrer Schulzeit in Vietnam gekannt habe. Vielmehr habe der Angeklagte die Zeugin massiv unter Druck gesetzt und genötigt, sich der Erniedrigung auszusetzen, sagte Küttler.

Der Professor hatte sexuelle Motive bei den Schlägen auf den nackten Hintern abgestritten und gesagt, er habe die Doktorandin vielmehr zu besseren Leistungen motivieren und auf künftige Jobs vorbereiten wollen. Die Schläge habe er eher als "Patscher" empfunden.

LG Göttingen

Christina Sticht, 22. Februar 2024 (dpa).