Der Journalist und Aktivist Arne Semsrott ist nach der Veröffentlichung von Gerichtsdokumenten verwarnt worden. Das LG Berlin I hat den Chefredakteur des Internetportals FragDenStaat wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen nach § 353d Nr. 3 StGB schuldig gesprochen, es jedoch in diesem Fall bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt belassen (Urteil vom 18.10.2024 - 536 Kls 1/24).
Der Tatbestand stellt pauschal die Veröffentlichung von Gerichtsdokumenten vor dem eigentlichen Prozess unter Strafe. In der Verhandlung hatte das Gericht bereits angedeutet, dass es im Fall Semsrott gnädig sein könnte. Entsprechend mild fiel die Strafe nun aus: Semsrott muss eine Geldstrafe von 1.000 Euro (20 Tagessätze zu je 50 Euro) lediglich dann zahlen, wenn er innerhalb eines Jahres erneut straffällig wird (§ 59 ff. StGB). Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 2.000 Euro (40 Tagessätze zu je 50 Euro) beantragt, die Verteidigung auf Freispruch plädiert.
Semsrott will zum BVerfG
Semsrott hatte im Prozess eingeräumt, drei Beschlüsse des AG München zu einem laufenden Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Mitglieder der Letzten Generation ins Netz gestellt zu haben. Damit hatte er bewusst das Risiko einer Strafe auf sich genommen, da er § 353d Nr. 3 StGB für verfassungswidrig hält und über eine Anklage gegen sich selbst den Fall nach Karlsruhe vor das BVerfG bringen will. Ebenso wie die Organisation Gesellschaft für Freiheitsrechte, deren Juristinnen und Juristen seine Verteidigung vor dem LG übernommen hatten, meint Semsrott, das pauschale Verbot der Publikation von Original-Zitaten oder -Dokumenten aus Ermittlungsverfahren sei unverhältnismäßig und aus der Zeit gefallen.
Der Aktivist hatte zuvor erklärt, eine Entscheidung erwirken zu wollen, die ihm den Weg durch die Instanzen erlauben würde. Eine Verfahrenseinstellung, die das Gericht auch erwogen hatte, hätte ihm diesen Weg verbaut. Entsprechend kündigte er nun nach seiner Verwarnung an, Revision beim BGH einzulegen. Sollte dieser die Verurteilung halten, stünde eine Verfassungsbeschwerde offen.
Ob Semsrott am Ende in Karlsruhe die Norm zu Fall bringt, ist noch nicht abzusehen. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) möchte unterdessen auf anderem Weg die Berichterstattung über laufende Ermittlungen rechtlich absichern und fordert die Bundesregierung mit einer Mitteilung vom Freitag dazu auf, die Norm zu reformieren. Die stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende Mariana Friedrich erklärt darin: "Wir fordern den Gesetzgeber dazu auf, den Paragrafen endlich zu reformieren. Er ist längst nicht mehr zeitgemäß und kriminalisiert Journalistinnen und Journalisten, die einfach nur ihrer Arbeit nachgehen." Die Pressefreiheit sei schließlich ein hohes Gut und Berichterstattung zu laufenden Gerichtsverfahren von öffentlichem Interesse müsse möglich sein. Das beinhalte auch die Veröffentlichung relevanter Gerichtsdokumente, so Friedrich.