Eine Kündigung während der Schwangerschaft ist grundsätzlich unzulässig. Das folgt aus dem in Art. 6 Abs. 4 GG verankerten Anspruch der (werdenden) Mutter auf Schutz und Fürsorge durch die Gemeinschaft und ist explizit geregelt in § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MuSchG. Denn eine Kündigung kann sich schädlich auf die Verfassung der Schwangeren auswirken und sie möglicherweise durch den sonst drohenden Arbeitsplatzverlust zum Abbruch ihrer Schwangerschaft drängen. Als Folge ist ihre Kündigung nach § 134 BGB unwirksam und die Schwangere hat einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Trotzdem wirksam ist eine Kündigung nach § 17 Abs. 2 MuSchG nur dann, wenn sie nicht mit der Schwangerschaft in Zusammenhang steht und die Aufsichtsbehörde sie für zulässig erklärt etwa bei Massenentlassungen, (insolvenzbedingten) Betriebsschließungen oder bei nachgewiesenen Straftaten der Schwangeren gegenüber dem Arbeitgeber.
Damit das Kündigungsverbot greift, müssen zwei Voraussetzungen vorliegen: die zu kündigende Person muss im Moment des Zugangs der Kündigung schwanger gewesen sein und der Arbeitgeber davon gewusst haben bzw. hierüber später informiert worden sein.
Arbeitsrecht trifft Biologie: Es kann um Minuten gehen
War die Arbeitnehmerin bei Zugang der Kündigung schwanger? Was banal klingt, ist tatsächlich schwer zu beantworten: Nach der Humanmedizin beginnt eine Schwangerschaft bei natürlicher Empfängnis mit der Vereinigung von Eizelle und Samenspende (Konzeption). Dieser Moment lässt sich auch mit neuesten medizinischen Erkenntnissen und Methoden nicht ermitteln. Selbst wenn der Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs exakt bestimmbar ist, bleibt unklar, an welchem Tag sich Samen- und Eizelle vereinigt haben. Eizellen überleben 12-24 Stunden nach dem Eisprung und die Lebensdauer von Spermien im weiblichen Körper beträgt bis zu fünf Tage. Die Gynäkologie bestimmt daher nur die Schwangerschaftswoche.
Außer im Arbeitsrecht ist der Entstehungsmoment auch nicht relevant, vielmehr fokussiert sich alles auf die Geburt des Kindes. Aber arbeitsrechtlich kann es auf Minuten ankommen – etwa genügt bei persönlicher Übergabe der Kündigung nach der Betriebsfeier am 2. Mai um 23:47 Uhr für § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MuSchG keine Zeugung am 3. Mai um 0:01 Uhr.
Die Rechtsprechung behilft sich seit den 60er Jahren ständig mit einer Pauschalisierung und rechnet vom attestierten voraussichtlichen Geburtstermin 280 Tage zurück (ohne den Entbindungstag selbst); zehn Monatszyklen mit einem durchschnittlichen Menstruationszyklus von 28 Tagen. Der neu aufgeflammte Meinungsstreit, ob nicht nur 266 Tage zurückzurechnen sind, wurde 2022 vom BAG im Sinne seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden: Zwar fände der Eisprung in 95% der Fälle nach dem 12. Zyklustag statt, so dass eine Konzeption in den ersten beiden Wochen unwahrscheinlich sei (280 Tage – 14 Tage = 266 Tage), aber nicht ausgeschlossen.
Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft
War die Arbeitnehmerin schwanger, muss der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung auch positiv davon gewusst haben. War dies nicht der Fall, kann das Kündigungsverbot grundsätzlich nur noch greifen, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft innerhalb von zwei Wochen nach Kündigungszugang mitgeteilt wird.
Eine Verpflichtung, den Arbeitgeber über die Schwangerschaft zu informieren, besteht nicht (Art. 2 Abs. 1 GG). Jede Person kann frei entscheiden ob, wann und wem sie von der Schwangerschaft berichtet.
Zwei-Wochen-Frist für Mitteilung an Arbeitgeber gilt nicht immer
Doch auch, wenn die Schwangerschaft dem Arbeitgeber erst nach mehr als zwei Wochen offenbart wird, kann gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG noch das Kündigungsverbot greifen, nämlich dann, wenn die Überschreitung nicht von der Schwangeren zu vertreten ist und sie die Mitteilung unverzüglich nachholt.
Unverschuldet ist die Verspätung, wenn die Frau selbst vorher nichts von ihrer Schwangerschaft wusste und auch nicht hätte wissen müssen. Letzteres ist der Fall, sofern eine Schwangerschaft praktisch unabweisbar war, die Arbeitnehmerin dem aber nicht nachgegangen ist. Dabei hat das BAG 2022 offengelassen, ob Schwangerschaftsselbsttests solche zwingenden Anhaltspunkte sein können. Kenntnis besteht aber spätestens ab der ärztlichen Bestätigung der Schwangerschaft. Unverschuldet ist die Fristüberschreitung auch, wenn die Frau urlaubsbedingt abwesend oder erkrankt war oder wenn die Schwangerschaftsbescheinigung mit normaler Post an den Arbeitgeber versandt wurde, aber der Brief ungeklärt verloren ging.
Das BAG beurteilt Einzelfälle als unverzüglich, die auf den ersten Blick nicht unter § 121 Abs. 1 S. 1 BGB fallen. Etwa werden der Schwangeren sechs Tage Bedenkzeit eingeräumt, um ihre Prozessvertretung im Kündigungsschutzprozess über die Schwangerschaft zu informieren. Der Arbeitgeber erfährt hiervon nochmal später über das Gericht.
Das Kündigungsvorbereitungsverbot
Das Kündigungsverbot wurde mit der Novellierung des MuSchG 2018 um ein Kündigungsvorbereitungsverbot in § 17 Abs. 1 S. 3 MuSchG ergänzt und so der zeitliche Rahmen des Kündigungsschutzes von Schwangeren erheblich ausgedehnt. Denn nun ist eine Kündigung auch unzulässig, wenn sie zwar zuging, als der Schutz des § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG nicht mehr griff, aber bereits während der Schwangerschaft vorbereitet wurde. Was unter dem Begriff der Vorbereitungshandlung zu verstehen ist, wurde bislang von der deutschen Rechtsprechung noch nicht geklärt. Der EuGH subsumierte hierunter 2007 die Ausschreibung einer Stelle, die mit einer Schwangeren besetzt war.
Abstrakt dient eine Maßnahme der Kündigungsvorbereitung, wenn der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bereits zur Kündigung entschlossen ist und diese unmittelbar bevorsteht. Dies dürfte etwa bei der Anhörung des Betriebsrates, anderer Gremien oder Behörden der Fall sein, aber nicht bei Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung oder Abmahnungen. Um § 17 Abs. 2 MuSchG nicht zu konterkarieren, muss die Vorbereitung einer danach zulässigen Kündigung möglich sein.
Der Weg zum Sonderkündigungsschutz
Doch auch, wenn eine Kündigung materiell unzulässig war, kann sie später als wirksam gelten, wenn die Schwangere nicht innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage einreicht. Dass diese Frist verstreichen kann, weil der Frau ihre Schwangerschaft bis dato noch unbekannt war, hat der Gesetzgeber bedacht: Nach § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG ist die Kündigungsschutzklage verspätet zuzulassen, sofern auch hier die Frau nicht von der Schwangerschaft hätte wissen müssen.
So weit, so gut – doch der Rechtsweg für eine gekündigte Frau, die gerade von ihrer Schwangerschaft erfahren hat, ist kompliziert. So muss die verspätete Zulassung ausdrücklich beantragt werden; bloß eine Kündigungsschutzklage einzureichen, genügt nicht. Zudem hat der Antrag die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 KSchG zu erfüllen, ist insbesondere gleichzeitig mit der Kündigungsschutzklage zu erheben und nur innerhalb von zwei Wochen zulässig, nachdem die Betroffene von der Schwangerschaft weiß. Viele Vorgaben, deren Erfüllung juristisches Sonderwissen bedarf, obwohl in erster Instanz kein Anwaltszwang besteht.
Das ArbG Mainz fragte daher richtigerweise den EuGH, ob den deutschen Regelungen nicht Art. 12 der Richtlinie 92/85/EWG entgegenstehe, wonach für die Schwangere ein tatsächlicher und wirksamer Rechtsschutz sicherzustellen ist. Der EuGH antwortete einerseits, dass eine relativ kurze Ausschlussfrist aus Gründen der Rechtssicherheit zwar grundsätzlich möglich sei. Mit Blick auf die Situation einer Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft seien 14 Tage jedoch eine besonders kurze Frist, um sich sachgerecht beraten zu lassen und ggf. Antrag und Klage abzufassen und einzureichen. Die zweiwöchige Frist nach § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG sei zudem gegenüber der dreiwöchigen Frist nach § 4 S. 1 KSchG erheblich verkürzt und beschränke daher den Rechtsschutz für Schwangere im Vergleich zu Kündigungsschutzklagen in anderen Fällen. Dies bewerteten die Luxemburger Richterinnen und Richter als europarechtswidrig. Gleiches gelte für die unklare Formulierung in § 5 Abs. 3 KSchG: "die Behebung des Hindernisses" (Kenntnis von der Schwangerschaft).
Andererseits betont der EuGH, dass neben der Mitteilung an den Arbeitgeber grundsätzlich ein Antrag auf verspätete Zulassung gefordert werden könne – nur nicht unter den aktuellen deutschen Vorgaben. Der EuGH spielt den Ball also zum Gesetzgeber und lässt diesem Spielraum. Insgesamt sei das deutsche Schutzkonzept durch die unterschiedlichen konkurrierenden Pflichten der Schwangeren gegenüber Arbeitgeber und Gericht, die an verschiedene sich überschneidende Fristen gekoppelt seien, sehr komplex, so der Gerichtshof. In der Tat: Sie ist zu komplex. Der Gesetzgeber muss die Rechtslage hier möglichst schnell vereinfachen.
Wie das ArbG Mainz die für den konkreten Einzelfall kryptische Entscheidung des EuGH umsetzt, bleibt abzuwarten. Die Rechtssache ist auf den 15. August 2024 terminiert.
Dr. Katharina Dahm ist Professorin für Arbeitsrecht, Sozialrecht und Wirtschaftsprivatrecht an der Hochschule Mainz.