"Das Völkerstrafrecht hat seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dramatische Aktualität erlangt", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), der die Neuregelung vorgelegt hatte. Jetzt gelte es umso mehr, das internationale und deutsche Völkerstrafrecht mit Leben zu füllen.
Zentrales Element des Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts ist die Nebenklagefähigkeit für Straftatbestände des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB). Auch für Strafverfahren zum Völkerstrafrecht gelten in Deutschland die Vorschriften der StPO. § 395 Abs. 1 StPO regelt, wann ein Anschluss als Nebenkläger möglich ist. Betroffene von Straftaten nach dem VStGB sind bislang nicht erfasst. Eine Nebenklage der Opfer ist nur wegen anderer im StGB genannter Straftaten möglich, die zumeist in Tateinheit mit Delikten des VStGB stehen.
Das soll sich jetzt ändern: Opfern von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen Personen, gegen Eigentum und sonstige Rechte sowie gegen humanitäre Operationen und Embleme soll die Nebenklagebefugnis künftig eingeräumt werden. Das soll auch für Angehörige von durch diese Straftaten Getöteten gelten.
Betroffene bekommen Anspruch auf anwaltliche Vertretung
Parallel dazu sollen die Regeln über die anwaltliche Vertretung angepasst werden. Wenn Opfer von VStGB-Straftaten als Nebenklägerinnen oder Nebenkläger zugelassen wurden, sollen sie künftig berechtigt sein, ohne weitere Voraussetzungen einen Opferanwalt oder eine Opferanwältin beigeordnet zu bekommen. Insbesondere soll es dafür nicht auf die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe ankommen. Auch die psychosoziale Begleitung der Betroffenen im Prozess soll verbessert werden.
Damit es bei Hauptverhandlungen mit zahlreichen Nebenklägern und Nebenklägerinnen keine Probleme gibt, soll § 397b Absatz 1 StPO um ein weiteres Regelbeispiel ergänzt werden. Die Regelung ermöglicht eine gemeinschaftliche Nebenklagevertretung bei gleichgelagerten Interessen.
Tatbestand des Verschwindenlassens wird angepasst
Strafbarkeitslücken im VStGB sollen geschlossen und die dortigen Straftatbestände fortentwickelt werden. § 7 VStGB (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) und § 8 VStGB (Kriegsverbrechen gegen Personen) sollen laut dem Entwurf so angepasst werden, dass sie auch die Tatbestandsalternativen der sexuellen Sklaverei, des sexuellen Übergriffs sowie des erzwungenen Schwangerschaftsabbruchs umfassen. Die Tatbestandsalternative des Gefangenhaltens eines unter Anwendung von Zwang geschwängerten Menschen soll um eine weitere Absichtsalternative ergänzt werden.
Mit den Änderungen will der Bundesjustizminister dem erheblichen Unrechtsgehalt der damit bezeichneten Handlungen und der zunehmenden Bedeutung dieser Tatbestandsalternativen in der Rechtsprechung des IStGH Rechnung tragen. Sie sollten Strafbarkeitslücken schließen und für einen Gleichlauf mit den entsprechenden Normen des Römischen Statuts des IStGH sorgen. Im Tatbestand der Verfolgung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ( § 7 VStGB) soll als unzulässiger Grund der Verfolgung die sexuelle Orientierung ergänzt werden.
Neu aufgenommen werden sollen in das VStGB außerdem die Tatbestände der Verwendung von Waffen, deren Splitter mit Röntgenstrahlen nicht erkennbar sind, sowie der Verwendung von dauerhaft blindmachenden Laserwaffen. Diese Tatbestände wurden in das Statut des IStGH bereits integriert; die Übernahme in das nationale Recht soll zur Bildung entsprechenden Völkergewohnheitsrechts beitragen.
Schließlich wird nach der geplanten Reform im Tatbestand des Verschwindenlassens als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) das Nachfrageerfordernis gestrichen, die Strafbarkeit soll also nicht mehr davon abhängen, dass keine Auskunft darüber erteilt wird, wo der verschwundene Mensch sich aufhält. Zudem soll künftig auch das Strafgesetzbuch in § 234b einen eigenen Straftatbestand des Verschwindenlassens von Personen enthalten.
Erleichterung von Prozessen nach dem VStGB
Mit der Neuregelung soll außerdem die Rezeption und Verbreitung deutscher Völkerstrafrechtsprozesse gefördert werden. Hierzu will der Entwurf klarstellen, dass Medienvertreterinnen oder Medienvertreter in Gerichtsverfahren Verdolmetschungen nutzen können, wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Das Bundesministerium der Justiz will darüber hinaus Übersetzungen wegweisender Urteile zum Völkerstrafrecht in die englische Sprache in Auftrag geben, damit weltweit auch die nicht-deutschsprachige Öffentlichkeit Zugang hierzu bekommt.
Schließlich soll die wissenschaftliche und historische Rezeption von völkerstrafrechtlichen Verfahren erleichtert werden. Dafür soll es auch die Möglichkeit von Filmaufnahmen geben, sofern es sich um ein in diesem Sinne bedeutsames völkerstrafrechtliches Verfahren handelt. Zudem will der Gesetzentwurf regeln, dass die Aufzeichnung auch für wissenschaftliche und historische Zwecke verwendet werden kann.