Experten befürworten KapMuG-Reform: Streit um Entfristung, Aussetzung, Verjährung

Die Bundesregierung will das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) reformieren. Die in ihrem Gesetzentwurf gemachten Vorschläge, etwa zur Entfristung, Verjährung oder Aussetzung wurden bei einer Anhörung im Rechtsausschuss am Mittwoch kontrovers diskutiert.

Mit dem KapMuG wurde 2005 erstmalig ein Verfahren zur gebündelten gerichtlichen Handhabung von Massenklagen mit kapitalmarktrechtlichem Bezug eingeführt. Es soll geschädigten Anlegern die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen erleichtern. 2012 wurde das KapMuG von Grund auf neu gefasst.

Im März hatte die Regierung den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Muster-Verfahrensgesetzes (BT-Drs. 20/10942, 20/11307) vorgelegt. Ziel der jetzigen Reform ist es, die als immer noch kompliziert und langwierig bewerteten Musterverfahren effektiver zu machen. Zudem soll das bisher nur befristet geltende Gesetz, dessen Verlängerung auch von Experten begrüßt wurde, nach dem Willen der Bundesregierung nunmehr entfristet werden.

Entfristung, Aussetzung, Verjährung

Gegen eine solche Entfristung sprach sich bei der Anhörung Sven Kalisz vom Dachverband der Deutschen Kreditwirtschaft aus. Er wies darauf hin, dass der Reformvorschlag diesbezüglich erhebliche Änderungen aufweise, die zu gegebener Zeit auf ihre Wirksamkeit hin evaluiert werden sollten. Außerdem gebe es eine gewisse Inkonsistenz zwischen dem KapMuG und dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG), welches das Verbandsklagerecht in Sammelverfahren regelt. Für letzteres stehe ohnehin eine Evaluierung an, so dass es sinnvoll sei, diese für beide Gesetze gemeinsam durchzuführen, so Kalisz. Mehrere Sachverständige teilten das Anliegen von Kalisz, perspektivisch einen einheitlichen Rechtsrahmen für Massenverfahren zu schaffen, der dann sowohl KapMuG als auch VDuG ablösen würde. Allerdings sahen sie das als langfristiges Projekt, dem eine Entfristung nicht im Weg stünde.

Unterschiedlich bewertet wurde im Rechtsausschuss die Frage, ob Verfahren vor Landgerichten so lange ausgesetzt werden sollten, bis ein Musterverfahren beim Oberlandesgericht zum selben Sachverhalt abgeschlossen ist. Der Reformvorschlag der Bundesregierung will die bisherige Pflicht zur Aussetzung abschaffen. Dagegen wandte sich neben anderen Sachverständigen der Rechtsanwalt Peter A. Gundermann. Die Gefahr, dass dann unterschiedliche Gerichte unterschiedlich urteilen, die durch das KapMuG eigentlich verhindert werden solle, steige damit erheblich. Dem widersprach Axel Halfmeier, Professor an der Universität Lüneburg. Die "Zwangsbeteiligung" an Musterverfahren sei eine "deutsche Spezialität", während im Ausland Freiwilligkeit herrsche. Dass es dort deshalb zu vielen Einzelverfahren komme, dafür gebe es keinen empirischen Beleg.

Auch die Regelung zu Verjährungsfristen wurde bei der Anhörung thematisiert. Fabian Richter Reuschle, Richter am LG Stuttgart und Jens Rathmann, Vorsitzender Richter am OLG Frankfurt am Main, halten diese Regelung für problematisch. Denn viele Geschädigte, die lieber ein Musterverfahren abwarten würden, reichten notgedrungen eigene Klagen ein, weil sonst die Verjährung drohe, bevor das Oberlandesgericht über die Aufnahme eines solchen Musterverfahrens entschieden habe. Beide plädierten daher wie auch andere Sachverständige für das Aussetzen der Verjährung in solchen Fällen.

Zweifel an Wirksamheit der Reform und weitere Vorschläge

Ein Ziel der Reform ist es, die Verfahren zu beschleunigen. Nach dem geltenden Recht dauert es oft immer noch viele Jahre, bis geschädigte Anleger zu ihrem Recht kommen. Allerdings bezweifelten mehrere Praktiker die ausreichende Wirksamkeit der Reform und verwiesen unter anderem auf unzureichende personelle und technische Ausstattung der Justiz. Marc Liebscher von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, der derzeit Kläger im Wirecard-Verfahren vertritt, sieht in der langen Verfahrensdauer, unter der nicht zuletzt Kleinanleger litten, sogar "Treibstoff für Justiz- und Staatsverdrossenheit".

Einen Grund für solche Verdrossenheit sahen Sachverständige auch in Gerichtsurteilen, die Bewertungen durch Rating-Agenturen und Berichte von Wirtschaftsprüfern, auf die sich Anleger verlassen haben, nicht als Kapitalmarkt-Informationen bewertet und daher außer Acht gelassen hatten. Rechtsanwalt Olaf Methner forderte daher, im Gesetzestext ausdrücklich Ratings und Prüfberichte als relevante Informationen einzubeziehen.

Die angehörten Experten machten eine Reihe weiterer Vorschläge, wie aus ihrer Sicht derartige Verfahren weiter vereinfacht und beschleunigt werden könnten. So schlug Klaus Rotter vom Deutschen Anwaltverein vor, bei der Entscheidung eines Landgerichts, ein Musterverfahren zu beantragen oder abzulehnen, die sofortige Beschwerde ans Oberlandesgericht zu ermöglichen. Zudem sollten Oberlandesgerichte die Möglichkeit erhalten, während des laufenden Verfahrens den Musterkläger zu tauschen, wenn dies für den Fortgang dienlich erscheint.

Redaktion beck-aktuell, gk, 16. Mai 2024.