Im Jahr 2015 kündigte Christian Kaiser bei seinem damaligen Arbeitgeber Ulrich Weber & Partner. Insgesamt zwölf Jahre hatte der Rechtsanwalt zu dem Zeitpunkt bereits für die auf Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei gearbeitet – erst in Frankfurt und zuletzt im neu gegründeten Hamburger Büro. Der Standort wurde geschlossen. Kaiser gefiel es in der Hansestadt und er blieb. Mehrere Jahre war er dort für eine Wirtschafts- und Steuerkanzlei tätig. "Es war eine Entscheidung für Hamburg und nicht gegen meinen damaligen Arbeitgeber", erinnert sich der Arbeitsrechtler.
Doch im Jahr 2022 änderte sich die Lage: Aus familiären Gründen wollte der 49-Jährige zurück ins Rhein-Main-Gebiet. Er nutzte die Chance, klopfte bei Ulrich Weber & Partner an und konnte ohne Probezeit in der Kanzlei wieder einsteigen. Für die Arbeitsrechtsboutique mit 16 Anwälten an drei Standorten muss das ein echter Glücksfall gewesen sein. Denn in Zeiten des Fachkräftemangels ist es gerade auf dem juristischen Arbeitsmarkt nicht immer einfach, passende Talente zu finden. Wenn sich ein hochspezialisierter Kandidat selbst zurückmeldet und auch noch neue Erfahrungen mitbringt, ist das ziemlich praktisch.
Arbeitnehmer wie Kaiser werden auch "Bumerang-Mitarbeiter" genannt. Wie ein gut geworfener Bumerang kehren sie zu ihrem Arbeitgeber zurück. Das "Boomerang Hiring" oder auch "Rehiring" gilt unter Personalern mittlerweile als wichtiger Trend im Recruiting. Das Potenzial ist groß, wird aber von Unternehmen noch selten genutzt: Nach einer aktuellen Studie der Personalberatung Robert Walters würden 71% der befragten Fachkräfte im mittleren Management eine Rückkehr zu einem früheren Arbeitgeber in Betracht ziehen. Nur 15% haben sich laut Umfrage bei ihrem Ex-Chef gemeldet, um in Kontakt zu bleiben.
Für alle eine "Win-win-Situation"
Die Möglichkeit, offene Stellen mit Ehemaligen zu besetzen, wird auch auf dem juristischen Arbeitsmarkt unterschätzt. Häufig endet die Verbindung zwischen einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer und ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber am letzten Arbeitstag. So wurde auch bei Arbeitsrechtler Kaiser eine Rückkehr nur möglich, weil er von sich aus über viele Jahre mit den Ex-Kollegen in Verbindung blieb. Ein Alumninetzwerk oder dergleichen gibt es bei Ulrich Weber & Partner nicht
Besser machen es manche großen Wirtschaftskanzleien. "Rehiring ist bei uns auf jeden Fall ein Thema", sagt Paula Wernecke, Chief Human Resources Officer der Kanzlei CMS Deutschland. 748 Volljuristen und -juristinnen arbeiten bei CMS, davon sind 210 auf Partnerebene. Wernecke war zuvor für die Arbeitsrechtspraxis der Sozietät tätig. In ihren letzten drei Jahren als Counsel sind allein in ihrem Team zwei Anwälte gegangen und wieder zu CMS zurückgekehrt – einer von der Staatsanwaltschaft und einer aus einem Unternehmen.
Die HR-Chefin hält viel davon, ehemalige Mitarbeiter wieder einzustellen. Das sei für alle eine Win-win-Situation. Die Rückkehrer und die Kanzlei wissen, was sie erwartet. Die Juristinnen und Juristen kennen die Arbeitsabläufe. Es gibt keine lange Einarbeitungsphase, die gerade bei Junganwälten mehrere Monate dauern kann. Ein aufwändiges Recruiting-Verfahren ist nicht nötig und mögliche Kosten für Headhunter entfallen. Oft kehren Mitarbeiter mit neuen Erfahrungen zurück und bringen frischen Wind ins Team.
"Die Gründe, warum man eine Großkanzlei verlässt, sind vielfältig. Die Rückkehrgründe dann genauso", so Wernecke. Wenn Anwälte und Anwältinnen bei CMS kündigten, liege dies häufig daran, dass sie etwas Neues ausprobieren wollen. Einige sähen sich nach den ersten Berufsjahren doch eher in der Richterschaft oder bei der Staatsanwaltschaft. "Daran sollte man sich dann nicht abarbeiten. Das sind verschiedene Berufswege", sagt Wernecke. Andere wechselten in die Rechtsabteilung eines Unternehmens. Sie wollten neue Erfahrungen sammeln, ihnen sei der Druck in der Großkanzlei zu groß oder sie erhofften sich eine bessere Vereinbarkeit von Karriere und Familie.
Manchmal werde Ehemaligen aber mit etwas Abstand klar, dass der neue Arbeitsalltag doch nicht so spannend ist wie gedacht, dass die Work-Life-Balance nicht so ist wie erhofft oder dass bestimmte andere Erwartungen nicht erfüllt werden. "Sachen, über die man sich bei seinem alten Arbeitgeber geärgert hat, werden mit einer gewissen Distanz in ein anderes Licht gerückt", sagt Wernecke. In solchen Fällen komme es dann häufig vor, dass Mitarbeiter sich bei CMS zurückmelden.
Ein gutes Austrittsgespräch und den Kontakt halten
Den Grundstein dafür legt die Kanzlei bereits beim Abschied. Wichtig sei es, die berufliche Trennung so hinzubekommen, dass Ehemalige das Gefühl haben, jederzeit anrufen zu können, ohne einen totalen Gesichtsverlust zu erleiden, betont Wernecke. Ein Schamgefühl entstehe erst gar nicht, wenn die offene Tür nicht nur eine leere Floskel ist.
Die Kanzlei profitiere hier von ihrem Alumni-Programm. Es gibt an jedem Standort einen Alumni-Beauftragten, regelmäßige Treffen und einen Newsletter. Viele Partnerinnen und Partner bleiben bewusst mit Ex-Team-Mitgliedern in Kontakt. Das Netzwerk fördert den Austausch, bietet Chancen, wenn Anwältinnen und Anwälte auf die Mandantenseite wechseln und erleichtert den Wiedereinstieg.
Entscheidend für ein gelungenes Comeback ist laut Wernecke außerdem ein gutes Austrittsgespräch. Es gehe darum, die Beweggründe der Mitarbeitenden zu verstehen, damit die Probleme, die letztendlich zur Kündigung geführt haben, nicht nochmal auftreten. "Wir hören bei solchen Exit-Gesprächen genau hin: Warum geht der Anwalt? Woran hat es gehakt? Was kann die Kanzlei in Zukunft besser machen?". Konstruktives Feedback sei toll, denn häufig seien es ja kleine Punkte, bei denen man die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden vorher gar nicht gesehen habe, sagt die HR-Expertin. Wenn man dann an diesen Dingen arbeite, werde ein Wiedereinstieg wahrscheinlicher.
Ein großes Bedürfnis von Anwälten und Anwältinnen sei die Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Dies sei in vielen Exit-Gesprächen deutlich geworden. "Deshalb haben wir hier nachgelegt. Wir haben uns gefragt, wie können wir gewährleisten, dass niemand denkt, er wird hier abgehängt", sagt Wernecke. Jetzt gibt es verschiedene Teilzeitmodelle. Wer wegen der Familienplanung oder eines sportlichen Hobbys nur 80% arbeitet, wird mittlerweile bei CMS im Rahmen des Karrierewegs genauso behandelt wie jemand, der in Vollzeit beschäftigt ist.
Mehr Geld oder ein Karrieresprung seien zumindest beim Wiedereinstieg in die Kanzlei dagegen keine Verhandlungspunkte. "Bei uns ist der Karriereweg ganz klar vorgegeben. Wir merken, dass das sinnvoll ist, damit kein Neid entsteht", sagt Wernecke. Die Ehemaligen steigen an dem ihrer Berufserfahrung entsprechenden Punkt wieder ein. "Selbstverständlich wird auch berücksichtigt, wenn jemand ein hohes Maß an externer Berufserfahrung aus dem Corporate Bereich mitbringt", betont die HR-Chefin.
"Man muss nicht jeden unbedingt zurückgewinnen"
Für Rückkehrer Christian Kaiser gab neben dem vertrauten Umfeld die inhaltliche Ausrichtung der Kanzlei den Ausschlag dafür, dass er sich wieder bei Ulrich Weber & Partner beworben hat und nicht bei einer anderen Kanzlei im Rhein-Main-Gebiet. Dem Juristen gefällt, in welcher Breite das Arbeitsrecht und daran angrenzende Rechtsgebiete in der Boutique behandelt werden. "Ich berate hier Unternehmen, Arbeitnehmer und Betriebsräte in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Diese Möglichkeit hat man nicht überall", sagt er. Seine Arbeit sei dadurch sehr abwechslungsreich und spannend.
Auch HR-Chefin Wernecke kann bestätigen, dass die Frage, wie ein Anwalt eingesetzt wird, eine wichtige Rolle für den Wiedereinstieg spielen kann. So habe zum Beispiel jemand im Exit-Gespräch angegeben, dass er zu wenig internationale Mandate hat. "Als Kanzlei fragen wir uns dann, wie können wir den Mitarbeiter wiedergewinnen. Wie muss man vielleicht die Mandatsstruktur anpassen", sagt sie.
Letztendlich müsse man im Einzelfall schauen, unter welchen Bedingungen ein Wiedereinstieg eine Option ist. Man dürfe sich nicht in das Ziel verbeißen, jeden und jede unbedingt zurückgewinnen zu müssen. Es gebe eben auch Trennungsgründe, bei denen ein Wiedereinstieg für beide Seiten von vornherein ausgeschlossen sei, betont Wernecke. Ein absolutes No-Go wäre für die Personalchefin, wenn jemand aus einer falschen Bequemlichkeit heraus zurückkehrt und der intrinsische Ehrgeiz fehlt. Ganz nach dem Motto: Da habe ich ein gutes Gehalt, ich kenne den Laden, da muss ich mich nicht mehr anstrengen. "Zum Glück habe ich hier aber noch keine negativen Erfahrungen gemacht", sagt sie.
Kleineren Kanzleien, die Beschäftigte zurückgewinnen wollen, rät die HR-Expertin, es genauso zu machen wie die Großen. Es lohne sich, offen über die Kündigungsgründe zu sprechen und eine gute Bindung zu den Ehemaligen aufzubauen und zu halten. Natürlich habe nicht jeder die Ressourcen für ein großes Netzwerk. Zu einem Alumnitreffen könne man dann aber zusätzlich Praktikanten und Referendare einladen. Ab und zu den Austausch mit Ex-Kolleginnen und -Kollegen und den Partnern der Kanzlei zu haben und vielleicht auch mal auf Themen zu kommen, die nicht zwingend mit dem Beruf in Zusammenhang stehen, sei schon viel wert, sagt Wernecke. Im Idealfall profitieren dann – wie im Fall von Christian Kaiser – beide Seiten von einer Rückkehr.