Justizstatistik 2024: Eingangszahlen steigen, Verfahrensdauer vor Landgerichten auch
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Wie schon 2023 sind auch im vergangenen Jahr wieder mehr Zivilverfahren eröffnet worden. Die Amtsgerichte kommen mit dem Anstieg gut klar, die Landgerichte deutlich schlechter, analysiert Peter Bert.

Mehr als zwanzig Jahre zeigte der Trend bei den Eingangszahlen der Amts- und Landgerichte stetig nach unten. Nachdem  das Statistische Bundesamt  für 2023 erstmals wieder steigende Eingangszahlen bei beiden Eingangsinstanzen ausgewiesen hatte, sind es auch 2024 wieder mehr Neueingänge geworden.

Im Jahr 2022 waren die Neueingänge bei den Landgerichten erstmals unter die Marke von 300.000 gefallen. Im Jahr 2023 gab es dann wieder 300.950 neue Verfahren, das entsprach einer Steigerung um 5,1%. Bei den Amtsgerichten betrug die Steigerungsrate 2023 sogar 8,1%. 

Im Jahr 2024 fiel die Steigerung bei den Amtsgerichten nun nicht mehr so deutlich aus, doch ein Zuwachs ist weiter zu verzeichnen. 801.351 Neueingänge (2023: 773.365) entsprechen einer Steigerung von 4,2%. Bereinigt man das Wachstum jedoch um den Zuwachs bei den Fluggastrechten, relativiert sich das Bild. Und auch der langfristige Trend hat sich (noch) nicht nachhaltig gedreht. Verglichen mit dem Jahr 2002 mit 1.443.584 neuen Verfahren ergibt sich ein Rückgang von 44,5%.

Fluggastrechte treiben das Wachstum bei den Amtsgerichten

Wie im Vorjahr scheint das Wachstum bei den Amtsgerichten auch 2024 im Wesentlichen durch die Zunahme von Fluggastrechteverfahren getrieben zu sein. Wurden 2023 noch 108.092 dieser Verfahren erfasst, so waren es 2024 schon 134.496 Verfahren. Als die Fluggastrechteverfahren 2021 erstmals als eigene Kategorie erfasst wurden, betrug ihre Anzahl noch 28.514. Mithin hat sich deren Zahl seit Beginn der Erfassung um mehr als 370% gesteigert. Rechnet man den Zuwachs von 26.404 Fluggastrechteverfahren heraus, so beträgt der Zuwachs aus den verbleibenden Neueingängen nur 0,8%. 

Da sich die Fluggastrechteverfahren im Wesentlichen auf die sechs Amtsgerichte Köln, Frankfurt am Main, Königs Wusterhausen (zuständig für den Flughafen Berlin Brandenburg BER) sowie Erding (Flughafen München), Düsseldorf und Hamburg konzentrieren, geht der Aufschwung bei den Eingangszahlen an den Amtsgerichten in der Fläche vorbei.

Der Anteil der Fluggastrechteverfahren am Gesamtaufkommen beträgt etwa 17% (nach 14% im Vorjahr). Damit stellen sie nach den Wohnungsmietsachen und vor den Verkehrsunfallsachen das zweitgrößte Sachgebiet unter den amtsgerichtlichen Zivilverfahren. Eine Reform der Entschädigungsansprüche nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung, nach der laut Verbraucherzentrale rund 85% der Entschädigungsansprüche künftig entfallen könnten, würde als sprichwörtlicher "Federstrich des Gesetzgebers" die Verfahrenszahlen der Amtsgerichte nochmal empfindlich treffen.

Zuwachs bei den Landgerichten, Stagnation bei den Kammern für Handelssachen

Schaut man sich die Landgerichte an, so gingen dort 2024 317.295 neue Verfahren ein. Der Zuwachs gegenüber 2023 liegt mit 5,4% in der gleichen Größenordnung wie 2023 mit 5,1%. Die Zahl der Neueingänge lag damit in etwa auf dem Niveau der Jahre 2016 und 2017, also vor dem Beginn der Dieselklagewelle 2018. Blickt man auf das Jahr 2002 mit 412.124 neuen Verfahren zurück, so ergibt sich ein erheblicher Rückgang um 23%.

Die erledigten Verfahren bei den Kammern für Handelssachen sind nicht weiter zurückgegangen, sondern stagnieren mit 18.979 in etwa auf dem Niveau des Vorjahres (2023: 18.605). Gegenüber dem Jahr 2002 mit 57.469 erledigten Verfahren ergibt sich ein Rückgang um etwa zwei Drittel.

Verfahren vor Landgerichten werden deutlich länger, Amtsgerichte werden etwas schneller

Die unerledigt* anhängigen Verfahren konnten die Landgerichte indes von 324.839 zu Beginn des Jahres 2024 auf nur noch 321.259 zum Jahresende abbauen (minus 1,1%). Bei den Amtsgerichten hingegen stieg die Zahl der anhängigen Verfahren im Jahresverlauf hingegen leicht (plus 1,1%) von 388.136 auf 392.524. Es wurden also weder im nennenswerten Umfang Rückstände ab- noch aufgebaut.

Bei den Landgerichten dauerte es 2024 durchschnittlich 17,5 Monate bis zu einem streitigen Urteil, nach 16,7 Monaten im Vorjahr, was einer Steigerung von 4,8% entspricht. Von 2022 auf 2023 war die Verfahrensdauer fast sprunghaft von 14,1 auf 16,7 Monate (plus 18,4%) gestiegen. Bei den Amtsgerichten dauerte es 2024 durchschnittlich 8,8 Monate bis zu einem streitigen Urteil, nach 8,9 Monaten im Vorjahr (minus 1,1%). Somit gelang den Amtsgerichten zum zweiten Mal in Folge eine kleine Verbesserung, denn schon 2023 hatten sie sich von einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von 9,0 Monaten im Jahr 2022 auf 8,9 Monate (minus 1,1%) verbessern können.

Überlastungsparadoxon bleibt

Die Vermutung liegt nahe, dass sich bei den Amtsgerichten das zunehmende Gewicht der vergleichsweise einfachen und standardisierten Fluggastrechtefälle positiv auf die durchschnittliche Verfahrensdauer auswirkt. Diese weisen mit 4,4 Monaten, respektive 7,1 Monaten, wenn ein streitiges Urteil nötig wird, die kürzeste durchschnittliche Verfahrensdauer aller erfassten Sachgebiete auf. Verkehrsunfallsachen als größte Fallgruppe hingegen brauchen durchschnittlich 7,1 Monate (12,0 Monate bis zum streitigen Urteil).

Bei den Landgerichten hingegen liegen die Steigerungen der beiden letzten Jahre - kumulativ betrachtet 24,1% – deutlich über der Steigerung des Fallaufkommens um 10,8%. Am Überlastungsparadoxon hat sich also nichts geändert: Eine im wesentlichen gleiche Anzahl von Richterinnen und Richtern braucht im langfristigen Trend immer länger, um weniger Fälle zu bearbeiten. Will man den Zivilprozess wirksam modernisieren, muss der Gesetzgeber die Mechanismen hinter diesem Paradoxon analysieren und verstehen. So lange dies nicht gelingt, laufen etwaige Reformen wie ihre Vorläufer Gefahr, zu verpuffen.

Peter Bert ist Rechtsanwalt und Partner im Bereich Litigation / Dispute Resolution bei Rimon Falkenfort. Er ist außerdem Mitglied des Gesetzgebungsausschusses Zivilprozessrecht des Deutschen Anwaltsvereins und einer der Herausgeber des ZPO-Blogs.

*Anm. d. Red.: Formulierung präzisiert am Tag der Veröffentlichung, 18.57 Uhr, mam

Gastbeitrag von Peter Bert, 11. August 2025.

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